Warum ich gegen Machtverhältnisse schreibe

Text zum Thema Anerkennung

von  dubdidu

Macht ist eine leere Hülle. Der Inhalt, an dem sie sich im einen oder anderen Moment festmacht, ist vollkommen austauschbar und bedeutungslos. Womit ein beliebiger Mensch mit Machtwillen oder zumindest Machterhaltungsstreben, im schlimmsten Fall (und der ist leider häufig) Ohnmachtsvermeidung, sich auch immer brüsten mag: es ist egal. Hauptsache es ist nutzbar für ihn und seine Machtgelüste. Offensichtlich, und das ist durchaus interessant, wenn auch ganz und gar nicht schön, müssen Machtlüsterne nicht zwangsläufig eine große, konkrete Macht ausüben, Kanzler oder Notenbankchefin sein. Nein, mir scheint, die Machtlüsternen beziehen Befriedigung aus der Intensität des Machtgefühls, im Augenblick, da es erlebt wird. Schon als Kind gruselte mir vor der düsteren Lust und unverhohlenen Gier der Kontrolleure in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder der biestigen Angestellten im Einwohnermeldeamt auf der Jagd nach dem Machtkick. Jedes Würstchen kann ihn sich irgendwie beschaffen, es muss nur bereit sein, ganz tief zu sinken. 

 

Horst Mahler, kürzlich nach fast 100 Jahren Machtstreben gestorben, war dazu allzeit bereit; egal welcher Zeitgeist gerade herrschte, egal, wer seine Gegner und Opfer waren. Wer Macht will, ist meistens nicht nur angepasst, sondern überangepasst. Menschen, die es aus dem Nichts mit unkonventionellen, subversiven Ideen zu Macht bringen, sind extrem selten. Eher werden sie umgebracht, in den meisten Fällen jedoch nur übersehen. Wer seine Stellung stärken und Macht ausleben will aber, macht alt zu neu, er absorbiert, was schon da ist, labert nach, was schon von Mächtigen gesagt wurde und spielt sich so als Experte auf, der er nicht ist. Wenn er ein Literaturliebhaber ist, wird er nicht nach dem kleinen, feinen Werk eines Lyrikers suchen, für dessen Feinsinn die eigene Zeit noch nicht bereit war; dessen Qualität zwar unbestritten ist, der aber nie berühmt wurde und kein Kassenschlager. Nein, er wird sich jemanden zu eigen machen, dessen Namen so ungefähr jeder vom Hörensagen kennt, also auch, jene, die das mächtige Buch des mächtigen Autors gar nicht gelesen haben und nur die Ahs und Ohs kennen, die mit ihm in Verbindung gebracht werden.

 

Leider, und das ist zutiefst tragisch, gibt es unglaublich viele intelligente, tiefgründige, feinfühlige und redliche Menschen, die aus einem gesellschaftlichen Umfeld stammen, in dem sie kleingehalten wurden wie schon ihre Eltern, Großeltern und so weiter. Wo bestimmte Bücher ihnen als besonders schwierig und Männer als besonders groß erklärt wurden. Aus einer Schicht kommend, in der Bescheidenheit traditionell als Tugend gilt (leider durchaus aus der Not geboren), scheint es ihnen als Anmaßung, sich ein solches Schwergewicht zuzutrauen. Sie könnten daran scheitern oder sie könnten sich dadurch von ihrer Familie entfremden, nur weil sie Einblick in andere soziale Codes erhielten. Bittere Wirklichkeit. Aber wer sich an die Ahs und Ohs nicht rantraut, dem bleiben immer noch die Ihs und Uhs, das Feiern der Abscheu vor dem Niederen.

 

Die Ahs und Ohs und die Ihs und Uhs sind banalster Ausdruck von Machtverhältnissen. Wer sie in den Mund nimmt, nutzt und vielleicht auch noch seine Identität daran hängt, trägt zu ihrer Aufrechterhaltung bei. Allerdings macht er sich gerade dadurch auch abhängig. Oberflächlich mag ein Mächtiger frei wirken, in Wahrheit schließt er sich im selben Maße ein, in dem er andere einschließt.

 

Freiheit bedeutet nie, eine hohe Stellung innerhalb der bestehenden Machtverhältnisse einzunehmen. Freiheit bedeutet: die Verhältnisse selbst nicht anzuerkennen.

 

Deshalb schreibe ich gegen Machtverhältnisse. Gegen Machtverhältnisse zu schreiben, bedeutet für Menschen zu schreiben; und zwar für alle. Ja, der eine oder andere mag das missverstehen. Wer seine Identität sehr stark an Machtverhältnisse angepasst hat, dem mag es scheinen, als gelte die Kritik an den Machtverhältnissen ihm selbst. Das ist natürlich sehr traurig für ihn. Mit ein wenig Distanz jedoch vermag jeder zu erkennen, dass der Mensch und die Hülle, die er um sich gelegt hat, nicht identisch sind. Kein Mensch zerbröselt mit seiner Hülle. Er mag nackt sein darunter und verletzlich. Darin aber liegt sein wahres Potential, stark und frei zu sein, ohne dass er einen anderen Menschen oder stellvertretend eine Kategorie auf- oder abwerten müsste.


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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (31.07.25, 13:53)
Dabei fällt mir Don Quijote ein, der die Windmühlen vergeblich bekämpft. Was unterscheidet dich von ihm?

 DanceWith1Life meinte dazu am 31.07.25 um 14:26:
Ayayayay
Also da interessiert mich der Kontext zu dieser Frage

 dubdidu antwortete darauf am 31.07.25 um 14:32:
Mhm. Ich weiß gar nicht, wie ich diese Frage beantworten soll. Es gibt so viele unterschiedliche Deutungen von Don Quijote.

 LotharAtzert (31.07.25, 14:56)
Nur wer Macht über sich selbst erlangt, ist mächtig. Und niemand wird sie ihm oder ihr streitig machen können.

 dubdidu schrieb daraufhin am 31.07.25 um 17:36:
Ich meine eher, wer darüber lachen kann kann, dass er sie auch über sich selbst nicht vollständig erlangen wird, akzeptiert sich.

 niemand (31.07.25, 15:28)
@ Dubiddu
Macht hat viele Gesichter, Du beschränkst sie allerdings auf bestimmte gesellschaftliche Postitionen/Posten. Was ich ja gradezu albern finde, ist die Bermerkung zu Kontrolleuren in öffentlichem Verkehr und zu Angestellten im öffentlichen Dienst. Dem Kontrolleur im öffentlichen Verkehrsmittel wird es nach allem sein aber ganz sicher nicht nach Macht. Dem hängt dieser Scheiß bestimmt dermaßen aus dem Hals, er muss diese Tätigkeit jedoch ausüben, weil auch ein solcher seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Im öffentlichen Dienst und hier spreche ich ganz bewußt vom Sozialamt etc. erleben die Angestellten nicht selten eine Klientell, die einem bei zuviel Empfindlichkeit auch zum Halse heraushängen kann und ich weiß wovon ich spreche, kenne ich doch einigen Leute die in diesen Ämtern gearbeitet haben und noch immer arbeiten. Glaube mir, es ist selten ein Vergnügen ziemlich laute und freche Personen zufrieden zu stellen, wenn auch diese nicht unbedingt die Menge dieser Klientell ausmachen. Deine Aufregung bezüglich der Kontrolleure in Bussen und Bahnen kommt mir vor wie die einer Person, welche man schon öfter "erwischt" hat und welche sich aufgrund der scheinbaren Ungerechtigkeit ziemlich zu echauffieren bemüht. Des Weiteren fällt mir auf, dass Du den Begriff "Macht/Machtmißbrauch" auf eine Kaste beziehst, sprich auf Personen mit quasie höheren Posten etc. Hast Du schonmal darüber nachgedacht, dass es auch eine Art Machtausübung seitens der unteren, oder der untersten Kaste.
gibt. Man kann auch als Schnorrer [Bettler] Macht ausüben und zwar die Macht
einem anderen ein schlechtes Gewissen einzureden. Eine entsprechende Stelle auf der Straße besetzen, eine gut wirkende körperliche Pose einnehmen und schon verspürt die alte Oma die Macht des eingeredeten schlechten Gewissens. Und der Betreffende nutzt es schamlos aus. Hier bei uns, vor einem Rewe-Laden sitzt ein körpergewordenes Beispiel eines solchen Machtausübens. Ein kerngesunder, junger Mensch, der keinerlein Lust auf geregelte Arbeit verspürt, auch nicht, als im Rewe händeringend Mitarbeiter gesucht werden. Nein, der Betreffende nützt die Macht des "ein schlechtes Gewissen machens" von alten Damen aus. Er ist dermaßen raffiniert, dass man diese Raffinesse bereits merkt, wenn man ihn nur anschaut. Und er weiß ganz genau wie er einer alten Oma, die nicht selten selbst nicht viel hat ein paar Euros aus dem Beutel ziehen kann. Da genügt oft ein ach so unschuldiger Blick, mit halbem Tränchen zwischen den Wimpern und die Gewissheit "die alte habe ich im Sack, die rückt was raus, weil ich ihr Gewissen angestachelt habe.
Und dann wäre noch der chronisch Faule, der sich der Rückendeckung des Sozialgesetzes bedient ums sein Macht gegenüber dem Steuerzahler auszutoben, dem Steuerzahler der sich jeden Morgen zu einer ungeliebten Arbeit schleppt, weil er ein Gewissen hat, eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber besitzt. Im Schutze des Gesetzes kann man sich doch leicht eine ins Fäustchen lachen über den "Deppen der noch arbeiten geht" [den Satz selber noch vor kurzer Zeit gehört]. Da entwickelt so mancher sehr schnell ein Bewußtsein seiner Macht, auch wenn diese nur möglich ist, mit dem betreffenden Gesetz im Rücken. Macht hat in der Tat sehr viele Gesichter und man sollte sie nicht unbedingt nur einer Kaste zuschreiben. Es sei denn, man macht das bewußt, weil man damit etwa bewirken  möchte. LG niemand

 dubdidu äußerte darauf am 31.07.25 um 18:04:
niemand, ich glaube, du hast einen winzigen, aber entscheidenden Teil des Satzes überlesen, nämlich:


Schon als Kind

Für mich klingt das, wie es war: nach einem Schulkind, das natürlich eine Jahreskarte besitzt, die es verzweifelt in seinem unordentlichen Rucksack sucht, während es von völlig grundlos unfreundlichen, ihre Macht genießenden Erwachsenen, die ihm Schwarzfahren unterstellen, unter Druck gesetzt wird. Weiterhin ist das Einwohnermeldeamt natürlich nicht das Sozialamt, sondern die Behörde, an die man sich in Angelegenheiten, den Ausweis oder Wohnsitz betreffend wendet. Kurz gesagt: ich erinnere mich ausgesprochen gut an Erwachsene, die unfreundlich und unhöflich gegenüber Kindern und Jugendlichen waren, einfach, weil sie es konnten.

Der Mytos des angeblich chronisch Faulen, übrigens ist aus meiner Sicht eine Machtstrategie, Menschen abzuwerten, indem man sie krankerklärt, denn was soll das Wort chronisch hier und wer kann sich überhaupt anmaßen, die Lage und Motivation von Einzelmenschen so beurteilen zu können. Um ein gerechtes Urteil abgeben zu können, müsstest du so viele Menschen und deren Lebensgechichten im Detail kennen, wie man es von einem Menschen nicht verlangen kann oder eben: Gott sein. Aus meiner Sicht ein uralte Erzählung, über den ich nur mit den Schultern zucken kann. Zufällig kenne auch ich jmd. pesönlich, der beim Jobcenter arbeitet, ein Mensch, der sich nie einfallen lassen würde, so über die Bürgergeldempfänger zu sprechen, wie du es hier tust.

Ich fürchte, wir werden uns nicht einmal auf eine gemeinsame Definition von faul einigen können. Da kann man ja unterschiedliche Maßstäbe anlegen. Und selbst wenn es so wäre, wäre ein fleißiger Mensch eben nicht mehr wert als ein fauler. Ich halte die Bezeichnung anderer als faul für eine riesengroße destruktive Zeitverschwendung und ziehe es vor, diese Zeit für konstruktive Tätigkeiten zu nutzen.

 niemand ergänzte dazu am 31.07.25 um 18:10:
@ Dubidu
Ich habe keinesfalle vor mit Dir endlos zu kommentieren.
Dein Text wirkt auf mich zu einseitig bezüglich des Wortes "Macht"
Ganz einfach und nicht mehr, aber auch nicht weniger. Du musst also Deine Zeit nicht verschwenden, ich will es mit meiner ebenso nicht tun müssen. Du hast einen Text zu einer Thematik eingestellt, ich habe dargestellt wie er auf mich wirkt. Das ist mein gutes Recht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. LG niemand

 dubdidu meinte dazu am 31.07.25 um 19:10:
niemand, natürlich, ich habe dir dein Recht zu keinem Zeitpunkt abgesprochen. Als Zeitverschwendung sehe ich nicht grundsätzlich eine Diskussion mit dir, sondern die Bezeichnung anderer unbekannter Menschen als faul. Ich könnte mich diesbezüglich allerhöchstens über meinen subjektiven Eindruck von diversen Arbeitskollegen äußern und nicht mal das wäre gerecht, da eben eine Frage des angelegten Maßstabs.

 Jack (02.08.25, 00:35)
Bedenke aber: Wer gegen Machtverhältnisse kämpft, kämpft keine Machtkämpfe. 

Narrative Macht ist eine große Macht und in einer offenen Gesellschaft nicht zu unterschätzen; die narrativen Machtkämpfe der "linksgrünwoken Gutmenschen" haben dazu geführt, dass selbst Epikurs unterste Messlate für Würde (Lieber ein unzurfiedener Mensch als ein zufriedenes Schwein zu sein) durchgebrochen wurde, und wer sie wiederaufrichten will, fast schon als faschistoid dargestellt wird.
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