Gönnen wir jemandem groteskes Vergnügen oder teilen wir die Ungenügsamkeit miteinander?

Parabel zum Thema Unzufriedenheit

von  S4SCH4

Großvaters Kleider liegen in einem Klamottensack vor dem Altkleidercontainer und zwei Männer streiten sich um die Mitnahme der Sachen. Die Tochter, jene, die die vor einiger Zeit Tüte abgelegt hatte, schaut sich dies entsetzt an. Sie telefoniert währenddessen mit ihrem Bruder, der gerade angerufen hatte, um zu hören, wie es seiner Schwester wohl ergehe. Jener Anrufer hört sich die Streiterei der Männer im Hintergrund des Gespräches mit seiner Schwester ein wenig an und meint daraufhin nur folgerichtig: 

„Die Klamotten hätte ich doch auch noch gebrauchen können, man kann ja nie wissen.“ 

Also geht die Tochter zurück zum Container und nimmt, noch während Handgreiflichkeit zwischen den beiden anderen Männern droht, und denen es überdies schon lange nicht mehr um die Klamotten geht, den Sack wieder in die Hände und geht schnellen Schrittes davon. 

„Hey, wohin mit dem Sack? Ich habe…“, fängt einer der Männer an die Frau zu konfrontieren, während der andere, der Zweite, merkt, dass er nun eine höhere Aufgabe übertragen bekommen hätte, als einen profanen Streit unter zwei Männern, nein, nun ging es ums Prinzip und das Gegenüber, mit dem man es auszufechten hatte, war weiblich. Hin und hergerissen zwischen einem „Richtig Alte, lass die Sachen hier!“, und einem „Ey Alter, mach die Frau nicht so an!“, konnte sich der Mann nicht entscheiden, wie zu verfahren sei, klar war nur: Er hatte das Recht, die Moral, auf seiner Seite, doch wo kam´s zum Einsatz? Wer würde im aufgesetzten Visier einer Moralkeule landen? 

„Ihr seid doch beide scheiße, gib mir auf der Stelle den Sack!“, meinte der Zweite nun doch überraschend und geistig vom Paulus zum Saulus gewandelt. Warum er seine Motivation aufgab, die Moral und das Recht abstreifte und stattdessen zu einer archaischen „das-ist-meines-Mentalität“ zurückkehrte, bleibt offen, klar war nur seine folgende Absicht. Und in dieser stürmte er schnurstracks auf die Frau los, diese, aus Angst wie angewurzelt stehengeblieben, warf den Sack fort und schrie. Der Mann, also der Zweite, nahm den Sack, griff darein, schmiss der Frau ein paar Teile zu, schmiss dem anderen Mann, der Ersten, ein paar Teile zu und ging mit dem Sack fort. 

Keiner der drei zog je in Betracht auch nur ein Teil aus dem Sack zu verwenden, aber alle meinten, sie hätten dieses sicherlich längst getan, hätten sie nur die volle (Aus)wahl gehabt.


Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Wastl (15.10.25, 23:15)
Aha, Salomon lässt grüßen.

Lieben Gruß

Wastl
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online: