Markus Lanz (nicht) gesammeltes Überraschtsein

Betrachtung

von  GastIltis

Der Text bezieht sich auf „Markus Lanz“, das ist offenbar eine Sendung vom ZDF, und speziell auf Artikel (hier 19.9.), die im Nachgang von einem oder mehreren „Journalisten“ dazu verfasst werden.

Zuvor erscheint es mir sinnvoll, auf Zeitungsberichte und literarische Werke einzugehen, die gewisse Parallelen erkennen lassen.


Wer früher wie ich ab und zu das „Neue Deutschland“ genau dann gelesen hatte, wenn „große“ Ereignisse stattgefunden hatten, Parteitage der SED, oder Plenen (Einzahl Plenum), musste feststellen, dass große Reden geschwungen worden sind, die immer wieder von den (ausgesuchten) Zuhörern mit Beifall, lang anhaltendem Beifall, stehendem Applaus, lang anhaltendem Applaus mit Hochrufen usw. (die Journalisten haben sich dabei regelrecht selbst übertroffen oder wie Mark Twain einmal sagte: "Journalisten sind Leute, die ein Leben lang darüber nachdenken, welchen Beruf sie eigentlich verfehlt haben.") unterbrochen worden sind. Wobei es für mich schon ausreichte, die Bekundungen zu lesen.

Warum ich das schreibe?

Weil Journalismus nur eine Form ist, sich auszudrücken.


Zum Glück gibt es auch andere Formen: so Heinrich Bölls Dr. Murkes gesammeltes Schweigen. Wer es schafft, 27 mal Gott durch „jenes höhere Wesen, das wir verehren“ zu ersetzen, und in einen Rahmen zu bringen, dass noch eine Minute gesammeltes Schweigen heraus kommt, das jemand beglücken kann, dazu noch eine Menge Leser, beweist schon seine Meisterschaft.


Ein anderes Beispiel, von dem ich meine, es als Parallele ansehen zu können, ist Joachim Meyerhoff. Während seiner Zeit im Gorki Theater in Berlin lernte er jemand kennen, der aus Vorwendezeiten Tonbandaufnahmen der Beifallsbekundungen von Aufführungen aller Art machte. Grundsatz im Theater war, dass immer gespielt wurde, wenn mehr Leute im Publikum saßen als Schauspieler aktiv waren. Einmal, es handelte sich um ein Ein-Mann-Stück, kam Wetter- besser Unwetter-bedingt, nur eine einzige Zuschauerin. Das Stück wurde aufgeführt, der Beifall dauerte sieben Minuten und fünfzehn Sekunden. Der Akteur war davon hingerissen.


Jetzt aber zu Markus Lanz. Seine Sendung sehe ich mir prinzipiell nicht an, weil ich sie für tendenziell halte, heißt, die Auswahl der Gäste und die Themen geben die politische Richtung vor. Ich (persönlich) halte Lanz für einen intellektuellen Trottel. Mir ist aufgefallen, dass er immer wieder durch bestimmte Regungen ein angedeutetes Unbehagen zum Ausdruck bringt: in der oben genannten Sendung (lt. Kommentatorin) war er perplex, überrascht, verblüfft, nüchtern, erstaunt, sprachlos. Fassungslos später einmal. Das zieht sich durch jede einzelne seiner Sendungen (bzw. die Kommentare).


Schade, dass niemand sein Überraschtsein sammelt.


Zumindest könnte es mit dem ersten von mir aufgeführten Beispiel konkurrieren. An vertrotteltem Intellekt überbietet es dieses sicher um Längen.

An Böll und Meyerhoff scheitert er sowieso.



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