Humor ist, wenn man trotzdem wiehert

Skizze

von  Walter


Der Zeitgenosse unterscheidet nicht mehr groß zwischen Humor, Komik, Comedian-Comedy, Kabarett, Satire, Witz und Schmäh. Hauptsache, es ist zum viehischen Wiehern oder wenigstens feisten Grinsen. Fast alles ist zu Hohn und Spott freigegeben, nur weniges bleibt noch einigermaßen tabu.

 

Otto Bierbaum sagte ja niemals : Humor ist, wenn man trotzdem wiehert. Der versöhnliche, alles verzeihende und verstehende bis goldene Humor weicht heutzutage gern der bissigen Satire, die aber zunehmend von ihren Gegenständen hilflos abgleitet in Selbstsatire des Satirikers, denn Satire wäre heutzutage umso notwendiger, je wirkungsloser sie mit Pokerface verpufft zu halb einverstandenem Entertainment. Man macht ja immer nur Spaß, wo ein Karl Kraus Ernst machte.

 

Die Satire sagt :  Dies behauptet etwas zu sein, doch  das  ist es wirklich! Aber heute gibt es keinen winzigen Spalt mehr zwischen Sein und Bewusstsein, wo Satire ansetzen könnte, analysierte Th. Adorno in "Juvenals Irrtum" („Minima Moralia“). Alles soll heute wirklich genau das sein und als das genommen werden, was es zu sein beansprucht und vorgibt.

 

Jemand sagte mir, der moderne universal gewordene Schwachsinn des Geplappers sollte beim Namen gerufen werden, indem er durch einen noch größeren Schwachsinn zu überbieten und ad absurdum zu führen wäre. Aber auch diese Volte würde als lustiger Salto-Mortale-Purzelbaum inzwischen nur ins Leere laufen, steht zu fürchten : Der Rezipient liest dann eben nur verharmlosenden Nonsens, über den noch sein eigener Flachsinn sich grienend erhaben fühlen darf.

Kein Ausweg in Sicht. Nur blutiger Ernst sei dem herrschenden Unheil noch gewachsen, befand Adorno bündig. Damit will ein „Humorist“ und passionierter Niedersachse wie Dietmar Wischmeyer sich nicht abfinden, der z. B. in „Frühstyxradio“ bis TV-„Heute-Show“ auftrat und mit seinem „Deutschbuch“, „Logbuch“, „Schwarzbuch“ und „Reisen durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten“ tourte. „Realsatiriker“ aus „Absurdistan“? „Wischmeyer benutzt das Florett wie einen Vorschlaghammer – und umgekehrt“ (Kollege Jürgen von der Lippe). Rezensenten schrieben vollmundig von sprachlichem „Fallbeil“ mit „Senkgrube“, „schwarz-humorig und wortgewaltig“, „hinreißend niederträchtig“ und  „saukomisch“.

 

 Da geht es ungleich anal-vulgärer und respektloser zu als etwa beim hintergründig sanften Max Goldt oder schon polternderen Bajuwaren Gerhard Polt. Aber ich fürchte, auch ein geschätzter Dietmar Wischmeyer erreicht nicht den springenden Angelpunkt, sondern bleibt wie der Franzose Dr. Ferdinand Céline ein begabter Sprachkotzer, dem langsam aber sicher vor schier überanstrengtem Antikunstwillen die derbstsatirischen Schimpfwörter und erfrischendsten Beleidigungssuperlative auszugehen drohen, bevor das Ganze mehr werden kann als eine neue originelle Unterbietungsspirale der globalisierten Bespaßungsindustrie. Auch endlos und virtuos variierte Beleidigungskomposita schaffen allzu oft nicht genug erfreuliche Abwechslung in der nur ermüdenden Monotonie einer heißlaufenden Kloakalsuada, die ihre asozialen Angriffspunkte unter Schrottbergen von wuts(t)imulierendem Sprachschutt schließlich nur noch verbirgt. Wohl niemandem bleibt darüber das Lachen im Halse stecken, wo er vor sich selbst erschrickt.

 

Dieses Sprachtrommelfeuer nivelliert alle seine missbrauchten Anlässe und lässt kurioserweise nur noch ein (ironisches?) Loblied auf Kumpelsuff und Motorradfahren übrig. – Schade eigentlich ...



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