Schlüssel-Problem einer Hausgemeinschaft

Kurzgeschichte zum Thema Menschen

von  Moppel


 

Es gibt Geschichten, die kann man sich nicht ausdenken. Sie passieren einfach.

Um 22 Ihr schellt es bei mir. Mein Mops schnarcht und schmatzt selig vor dem Fernseher, träumt wahrscheinlich von den  plüschigen Lamas, die er gerade im Film gesehen hat. Ich fühle mich unsicher. 22 Uhr, wer soll da bei mir klingeln?

Das halbe Viertel weiß, dass ich jetzt alleine lebe. Und mein Mops schnarcht. Ist eben kein Dackel. Der wäre schon längst kläffend an der Tür.

Es schellt wieder. Anhaltend. Ich werde nervös. Gehe an die Sprechanlage: Ja? Das dünne Stimmchen des netten, alten Herrn aus dem vierten Stock klagt:

Hier ist Egon Meier. Ich krieg den Schlüssel nicht in das Haustürschloss. Könnten Sie mir mal aufmachen? Ich denke: Ach, isses wieder soweit? Ich öffne auch meine Wohnungstür. Aufruhr im Hausflur. Offenbar hat Herr Meier überall geschellt. Ich sage: Das war schon vor zwei Monaten ein Mal. Ich habe den Verwalter damals informiert. Es sollte repariert werden.

Der Drachen Melinde Arns fliegt die Treppe herunter. Die, die mich vor zwei Monaten anzickte: Das kann nicht sein! Das hatten wir noch nie! Gerade so, als wäre ich zu dumm, eine Haustür aufzuschließen.

Ich gehe zur Haustür. Grinse, als sie penetrant versucht, ihren Schlüssel in das Schloss zu bekommen. Und frag höhnisch: Ach, geht’s nicht, Frau Arns? Probieren Sie ruhig weiter, Sie schaffen das schon. Sie hantiert rabiat weiter am Schloss. Meiner Meinung nach muss da eine neue Schließanlage rein, betone ich. Ja, dann muss einer den Verwalter anrufen, befiehlt sie. Blöde Aufgabe, denn der ist selten erreichbar und gegen einen Hausmeister wehrt sich die einfältige und geizige Hausgemeinschaft vehement unter der Führung des Drachen.

Ich mach das nicht, tönt Frau Arns. Wir sind nicht da!  Herr Meier, rufen Sie mal da an! Herr Meier schaut wie ein kleines Kind: Wen, Ich wieso? Ich weiß nicht. Ich geh in meine Wohnung. Schreibe dem Verwalter eine harsche Mail, dass er gefälligst umgehend für Abhilfe sorgt. Dauerhaft. Weil man aus Sicherheitsgründen die Tür nicht auf lassen kann, ich aber keine Lust habe, mit dem Hund davor zu stehen.

Handschriftlich fertige ich einen Info-Zettel, dass die Nachbarn jetzt aufeinander achten sollten, sich die Türe öffnen und ich den Verwalter benachrichtige. Und pinne den Zettel ans Schwarze Brett im Hausflur.

Ich verbringe eine unruhige Nacht. Der Mops schnarcht wie ein Ketzer, mein Rücken schmerzt und ich überlege, was ich tun soll, wenn mir keiner aufmacht, wenn ich mit dem Hund zurückkomme. Wär ja das gefundene Fressen für den Mobber über mir.

Am nächsten Morgen stelle ich vorm Hundespaziergang einen Schluffen zwischen die Tür, damit sie nicht ganz schließt. Ich mach mich nicht gerne abhängig…

Mein Blick fällt auf das Schwarze Brett. Dort hängen jetzt zwei Zettel. Meiner und einer, fein PC getippt von Frau Arns und exakt darüber geschoben, sodass man meinen nicht mehr lesen kann. Mit demselben Wortlaut, aber mit dem pädagogisch wertvollen, zusätzlichen Hinweis, dass man doch, bevor man aufdrückt, die Sprechanlage nutzen soll. Wer ist die Mächtigste im ganzen Land, frag ich das Brett dort an der Wand. So was kann man sich nicht ausdenken. So was passiert einem, wenn Drachen frei umherfliegen und es keinen Siegfried gibt.

Als ich mit dem Hund zurückkomme, hat irgendjemand meinen Zettel hervorgezogen und ihn gut sichtbar neben den von Frau Arns platziert. Ich lächle. War sicher Herr Meier, der früh morgens gerne mit seiner rundlichen, hübschen, polnischen Putzfrau frühstücken geht.

Ich nehme meinen Schluffen und gehe in meine Wohnung. Nach einer Weile höre ich ( wohne ja Erdgeschoss) Gespräch an der Haustür. Ein Monteur steht dort. Und natürlich der Drachen. Da muss ein neues Schloss rein, sagt der Handwerker. Ich geselle mich dazu und höhne: Ach, guck an.

Ich brauche dann einen Auftrag vom Verwalter, mahnt er, ohne kann ich das nicht machen. Wir bezahlen das, krakelt der Drachen, wir brauchen vier Schlüssel. Wir bezahlen das! und ich denk: Oh, Mädschen…

Ich bitte den Monteur: Dann klären Sie das mit dem Verwalten. Der hat ja laut WEG-Recht im Notfall sogar die Pflicht, auch ohne Eigentümerbeschluss zu entscheiden. Ach ja, füge ich zu Frau Arns gewandt und mit Blick auf den zweiten Zettel hinzu: Es geht nicht darum, Frau Arns, wer hier im Haus das Sagen hat und die Kontrolle. Wir sind alle gleichberechtigte Eigentümer. Es geht darum, gemeinsam Lösungen zu finden. Ahahaha, lacht sie falsch, ich dachte nur, doppelt genäht hält besser. Ich brumme: Jaja, sischer dat. Wie schön, dass wir da Hand in Hand arbeiten. Und dreh mich weg..

Hallo, ruft der Monteur, sind Sie in einer Stunde zuhause? Ich sag: Frau Arns ist sicher da! Oder hatten Sie vor, wegzufliegen, Frau Arns? Wieso fliegen? fragt sie, wir fahren nur in die Stadt. Und ich schließe grinsend meine Wohnungstür auf.

 



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Kommentare zu diesem Text


 Tula (13.12.25, 16:03)
Hallo Moppel
Hausgemeinschaften sind so etwas wie der Spiegel der Gesellschaft  ;)
Bei uns haben wir uns für eine Einheitspartei entschieden, allerdings mit demokratischer Kontrolle. Keiner will den Job machen, während die Verwalter vom Obulus befreit wurden. Mit Glück haben in der ersten obligatorischen Jahresversammlung das notwendige Quorum (50%, einschließlich schriftlicher Delegationen für Stellvertreter). 
Funktioniert erstaunlich gut. Auch wenn sich das Oberhaupt nicht gern kritisieren lässt. Aber da keiner den Job übernehmen will ...

LG Tula

 niemand (13.12.25, 16:09)
@ Moppel
Wer das Glück hat und die Finanzen natürlich, sich ein Haus kaufen zu können, der sollte daran festhalten. Mietwohnungen sind schon schlimm, aber in Eigentumswohnungen ist man, so scheint es mir, auf Gedeih und Verderb  den Miteigentümern ausgeliefert, liebe Monika. Wohnt man zur Miete, hat man immer einen Ansprechspartner und zwar den Vermieter. Bei so vielen Eigentümern im Haus scheint mir der Ärger vorprogrammiert zu sein. Manchen macht das nichts aus, für mich wäre das die Hölle. Aber ich kann nur für mich alleine sprechen. Du hast es mit Deiner Kurzgeschichte sehr bildhaft dargestellt.
LG Irene

Kommentar geändert am 13.12.2025 um 16:10 Uhr

 Teo meinte dazu am 13.12.25 um 17:38:
Stimmt Irene.
Es gibt Eigentümergemeinschaften, die schalten bei falsch gepflanzten Primeln einen Anwalt ein.
Da kannst du nur noch wegziehen. 
Es geht auch anders. Wir haben eine sehr nette Eigentümergemeinschaft. 6 Parteien. Geht gerade so eben.
Ich mache als einziger Rentner den Gartenkaspar. Ok.. Zweimal hatte es geknallt. Jetzt is Ruhe.
Und Weihnachten oder Ostern immer Schokofiguren vor der Tür.
So geht es auch...

 niemand antwortete darauf am 13.12.25 um 18:19:
@ Teo
Da kann ich Dich nur beglückwünschen. Sowas gibt es in der Tat selten. Hab schon Sachen gehört, da waren die Leute völlig verzweifelt. Haben sich Freiheit versprochen und haben einen "Knast" vorgefunden.    Mit liebem Gruß, Irene   :)

 harzgebirgler (13.12.25, 18:18)
käm' der meier nicht auch durch die kellertür
ins haus oder gibt's keinen schlüssel dafür?

fragt sich mit lg der harzer
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