Ein Attentat als Zugabe

Erzählung zum Thema Mystik

von  Mondsichel

Wir hatten noch Zeit eine Weile miteinander zu reden, während die Jungs von „Angelnight“ alles mögliche koordinierten. Doch dann musste sie auch irgendwann in die Garderobe, um sich für den Auftritt hübsch zu machen.

Wie immer, wenn wir uns privat sahen, war sie eher schlicht gekleidet und hatte ihre Brille auf der Nase. Aber wenn wir miteinander sprachen, nahm sie oft die Brille ab und ich versank in einem Meer aus Gedanken und Träumen, das in ihr hohe Wellen schlug. Dann strahlte ihre wahre Persönlichkeit aus ihrem Gesicht. Heller als die Sonne, leuchtete aus ihrem Herzen, das intensivste Licht, das ich jemals verspürt habe. Ich erinnerte mich noch an den ersten Auftritt, den ich von ihr gesehen hatte. Dieser leuchtende Engel, der einem den Atem raubte war in ihr, auch wenn man sie niemals dafür halten würde. Ihr eher „schüchternes“ Aussehen, ließ sie unerkannt durch diese Welt streifen. Im Gegensatz zu den superschönen Stars der Branche, hatte sie den besonderen Vorteil, dass kaum einer sie erkannte, wenn sie irgendwo einkaufen ging. Sie hatte ihre Ruhe vor dem ganzen Trubel, denn ihr privates „Ich“ blieb der Öffentlichkeit stets verborgen.

Alle Mitglieder des Teams, die sie auf ihren Konzerten begleiteten, schienen Freunde zu sein, mit denen sie sich sehr gut verstand. Und manchmal hatte man das Gefühl, inmitten einer Menge von Leuten zu stehen die „anders“ als alle anderen da draußen waren. Mit dieser Vermutung hatte ich indirekt recht, doch damals konnte ich die Tragweite dieser Angelegenheit noch gar nicht erfassen. An diesem Tag bekam ich doch einen Vorgeschmack dessen, was eigentlich nie ein Mensch jemals zu Gesicht bekommen sollte.

Eigentlich fing das Konzert genauso an, wie an dem Tag, wo ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Bevor sie die Bühne stürmten, standen sie und ich noch kurz beieinander. Sie lächelte unter ihrer Kutte hervor und ich konnte einen rötlich funkelnden Stirnschmuck sehen, den sie damals auf dem Rockfestival allerdings nicht getragen hatte. Ihre Lippen waren wieder blutrot und um ihre Augen waren in schwarzen Linien Blumenranken gemalt. Als ich ihr in die leuchtenden Augen blickte, glaubte ich fast in Katzenaugen zu sehen. Sie lächelte und flüsterte mir zu: „Wünsch uns Glück.“ Ich lachte. „Ihr werdet Eure Fans zum Kochen bringen, davon bin ich fest überzeugt!“ Ein breites Grinsen legte sich auf ihr Gesicht. Und dann ging es auch schon los.

Sie liefen auf die Bühne, und es war alles wie damals. Die Musik begann zu erklingen und die Fans applaudierten mit lauten Rufen. Die Hände griffen gen Himmel und schwangen sich in den Anfangsklängen hin und her. Wieder griff ihre zierliche Hand nach dem Mikrofon. Diesmal war ihre Hand jedoch mit einem blutrotem Geschmeide geschmückt, das wie frisches Blut glänzte. Auch ihre Fingernägel schienen mit leuchtendem Blut bemalt zu sein. Irgendwie hatte ich in diesem Moment ein seltsames Gefühl, doch dann ging schon das Feuerwerk los und die Fans konnten sich nicht mehr halten. Zeitgleich warfen sie wieder ihre Kutten ab und diesmal war es wie ein flammendes Inferno, das über diese Welt kam. Nicht nur dass die Lichteffekte einen regelrecht in ihren Bann zogen, es war auch das Auftreten von Daria, die an diesem Tag in einem blutrotem Spitzenkleid auf der Bühne stand. Sie wirkte fast wie ein Vampir, der die Massen in ihren blutigen Bann zog. Und doch leuchtete dort wieder dieser Engel, den ich schon bei ihrem Auftritt auf dem Rockfestival gesehen hatte. Die Musik ließ einen fast in ohnmächtige Sphären schweben und ihre Stimme riss einem jegliche Verzweiflung aus dem Herz.

Zwischendurch blickte sie ab und zu mal zu mir hinüber und ich sah ein Feuer erleuchten, das ich noch nie gesehen hatte. Ich freute mich für Daria und die Jungs, dass die Leute so mitgingen, genauso wie damals auf dem Rockfestival. Und dennoch, irgendetwas war heute anders. Es machte mich unruhig, es lag etwas Unbeschreibliches in der Luft, die uns umgab. Dieser blutrote Auftritt machte mich nervös. Es war wie ein unheilvolles Zeichen.

Das Konzert war fast an seinem Ende angelangt. Die Bandmitglieder kamen energiegeladen von der Bühne und draußen brüllten die Fans nach einer Zugabe. Daria war völlig trunken von dem Adrenalin, ein berauschendes Glücksgefühl war in ihr. Sie war richtig aufgedreht. „Boah, hast Du gesehen wie die mitgegangen sind? Das ist der Hammer, echt! So ein geiles Publikum hatten wir noch nie.“ Sie lächelte so überglücklich, dass selbst ihre Lachfältchen zu lachen schienen. Sie hüpfte wild hibbelnd vor mir hin und her und konnte es kaum erwarten, noch mal rauszugehen, um die Zugabe zu geben. Irgendwie lächelte sie mich geheimnisvoll an, das verwirrte mich. Sie hatte irgendetwas vor, das konnte ich schon 10 Meilen gegen den Wind riechen. Und dann war es soweit. Die Jungs gingen voran. Plötzlich ergriff sie meine Hand und zog mich unter dem tosenden Applaus der Menge mit auf die Bühne. Hinter mir kamen Silven, Sven und Phil, mit ein paar Instrumenten in der Hand, ebenfalls auf die Bühne.

Darias Stimme schallte fröhlich aus den Lautsprechern. „In unserer kurzen Tourpause haben wir zusammen mit den Jungs von Red Sky ein paar Songs produziert. Einen Song werden wir heute hier als Zugabe live präsentieren. Seid ihr gut drauf?“ Die Fans johlten und kreischten. Das war vielleicht eine Überraschung! Ich konnte meine erste Verwirrtheit nicht so ganz verstecken. Aber jetzt wurde mir auch schlagartig klar warum Silven die letzten Tage so darauf bestanden hatte die Songs für eine Live-Performance einzustudieren. Der Fuchs hatte diesen spontanen Auftritt einfach hinter meinem Rücken mit Daria und den Jungs abgesprochen. In diesem Moment dachte ich eigentlich nur noch daran, was unser Label zu dem kurzen Ausflug sagen würde. Besonders erfreut würden sie wohl nicht reagieren, dass wir plötzlich auf eigene Faust solche Sachen machten. Doch diese Gedanken wurden sehr schnell zerschlagen, als die ersten Töne des Songs „Engel für eine Nacht“ erklangen.

Die Menge johlte nochmals auf und dann war wieder Stille, denn keiner wollte auch nur eine Sekunde des Songs verpassen. Darias Augen leuchteten voller Sterne und sie riss alle mit ihrer Ausstrahlung mit. Fast hatte ich das Gefühl nicht mithalten zu können und doch fühlte ich jedes Wort tief in meinem Innersten. Daria und ich, wir sangen als würde es kein Morgen geben. Und die Jungs spielten, als ginge es um ihr Leben. Wenn ich es jetzt im Nachhinein so betrachte, dann war dieser Songtext eine Vision der Zukunft. Daria hatte ihn geschrieben und meinte damals noch zu mir: „Dieser Text trägt irgendwie eine Mystik mit sich, die ich mir nicht erklären kann. Es kam wie von alleine aus meinem Innersten heraus, es floss dahin, wie ein Schiff auf dem Meer. Meine Hand bewegte sich blind über das Papier, ein Ruf meiner Seele.“

Sie war sehr in Gedanken versunken. „Ich erahne in meinen Worten, einen Wind der aufkommt. Doch spüre ich nicht, ob es nur eine laue Sommerbriese ist, oder ein zerstörerischer Sturm. Seltsam.“ Damals war mir die Bedeutung dieser Worte nicht bewusst, doch heute erscheint es mir, als hätte sie gewusst was geschehen wird. Vielleicht, wenn ich es damals schon verstanden hätte, vielleicht, wäre einiges anders gelaufen. Aber im Nachhinein kann man sich über so vieles Gedanken machen.


Engel für eine Nacht

Für einen Moment glaubte ich daran, ich könnte nie mehr glücklich sein.
So vieles hat mein Herz gebrochen, und ließ meine Seele endlos schrein.
Doch dann kamst Du in mein Leben, die Sonne ist wieder aufgegangen,
Du hast mein Herz im Sturm erobert, und meine Seele wieder aufgefangen.

„Ich bin gefangen in Deinen Flügeln, deren Leidenschaft mich sacht berührt.
Ich bin verloren in Deinem Feuer, das mein Herz so süß verführt.
Du bist mein Leben, meine Liebe, ich fürchte nicht diesen süßen Tod.
Wir sind Engel für eine Nacht, und sterben dann im Morgenrot.“

Mein Herz es schlug mir bis zum Hals, in Deinem Lächeln bin ich versunken.
Du hast mich in ferne Welten geführt, in Deinen Augen bin ich oft ertrunken.
Ich kann Dich nicht mehr gehen lassen, kann ohne Dich nicht mehr leben.
Lieber sterbe ich in dieser Nacht, als Dich wieder aufzugeben.

„Ich bin gefangen in Deinen Flügeln, deren Leidenschaft mich sacht berührt.
Ich bin verloren in Deinem Feuer, das mein Herz so süß verführt.
Du bist mein Leben, meine Liebe, ich fürchte nicht diesen süßen Tod.
Wir sind Engel für eine Nacht, und sterben dann im Morgenrot.“

(c)by Arcana Moon



Es war ein berauschendes Gefühl, das uns umschlang. Später sagte mir jemand, dass diese Darbietung wirklich alles bisher da gewesene vom Feld gefegt hätte. Bis sich dann die Dinge überschlagen haben. Ein lauter Knall inmitten des Publikums zerschlug die Magie dieses Momentes. Zunächst verstand ich nicht so ganz was nun geschehen war, doch dann sah ich Darias Blick. Er ging mir durch Mark und Bein. Sie stand wie angewurzelt da und zitterte am ganzen Leib. Ich wusste sofort, dass irgendwas nicht stimmte. Und dann fiel sie vor den Augen aller einfach um, einige Fans kreischten panisch auf.

Ich rannte sofort hinüber zu Daria, kniete mich nieder und nahm ihren Körper in den Arm. „Daria? Daria? Was ist los?“  Dann spürte ich etwas Feuchtes an meinen Händen. „Blut! Oh mein Gott, ruft sofort einen Arzt!“ Hektisch liefen die Jungs hin und her, innerhalb von einem Moment auf den Nächsten, gab es eine Panik hinter den Kulissen.

Unten im Publikum ging auf einmal eine Schlägerei los, während nochmals drei Schüsse fielen. Ein paar Fans griffen sich schließlich den Schützen. Sie traten und prügelten auf den jungen Mann ein, der nun am Boden lag. Die geladene Pistole lag neben ihm. Sofort wurde er von den Securitys fortgeschleppt. Die Polizei war inzwischen schon da und der Bandarzt Dr. Chaz war auch gleich auf der Matte. Seine Stimme erkannte ich sofort. Das war der Mann, der damals auf dem Rockfestival nach Daria und den Jungs gerufen hatte. Er war ein schwarzhaariger Lockenkopf, mit den selben Augen, die auch Chris und die anderen hatten. Das kam mir sehr seltsam vor, schon merkwürdig genug, dass alle 5 Jungs der Band diese Augen hatten. Ich schaute mich verwirrt um und dann fiel mir auf, dass alle Leute des Teams, ob nun vor oder hinter den Kulissen, diese Augen hatten. Irgendwie bekam ich eine Gänsehaut, das konnte doch nicht wahr sein!

Ein unheimliches Gefühl beschlich mich. Hatte ich mich getäuscht? Oder hatte wirklich jeder Einzelne hier diese Augen? Was hatte das zu bedeuten? Ich bekam Angst vor dem Ungewissen... Daria wurde auf eine Trage gelegt, ich stand am ganzen Körper zitternd daneben. Aus einer Wunde an ihrer Taille sickerte Blut, aber sie sagte keinen Ton. Ich stand über ihr, und dann sah ich dieses Glimmen in ihren Augen. Wie eine Lampe, die man durch einen Dimmer heller oder dunkler drehen konnte. Auf ihrer Stirn begann etwas zu leuchten, auch die Wunde schien zu leuchten. Dann schubste man mich unsanft beiseite und sie wurde fortgebracht. Niemand durfte zu ihr, auch ich nicht.

(c)by Arcana Moon

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (07.06.20)
Kitschstück, das im Schlagerkonzert-Milieu spielt, mit einem kleinen Mystery-Element, das den Text nicht rettet, sorry.
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