Gedankenverloren
Erzählung zum Thema Lebensbetrachtung
von Mondsichel
Er wusste genau, wie viel sie mir bedeutete, auch wenn ich niemals wirklich drüber sprach. Er fasste mir brüderlich auf die Schulter und meinte: „Dann sehen wir uns morgen Thelven.“ Ich nickte abwesend. Dann verschwanden die drei heimwärts und ich blieb gedankenverloren zurück.
Es war nur ein Streifschuss gewesen, was für ein Glück! Aber ich dachte über diesen Typen nach den sie abgeführt hatten. „Wie krank muss man sein“, dachte ich bei mir. „Man muss krank vor Liebe sein!“, sagte auf einmal eine Stimme hinter mir. Es war Jan. Seltsam, als ob er meine Gedanken lesen konnte, hatte er auf die Frage geantwortet. „Daria wird von diesem Typen schon seit vielen Jahren verfolgt.“ Ich blickte ihn überrascht und fragend an.
„Wir können schon nicht mehr mitzählen, wie oft er schon versucht hat uns und vor allem ihr das Leben schwer zu machen. So oft hätte sie weinen, so oft in Wut ausbrechen können. Aber stattdessen hat sie alles über sich ergehen lassen, hat ihn ignoriert, wo es auch nur ging. Wir standen wie eine große Mauer um sie herum und haben oft genug diesem Kerl die Leviten gelesen. Haben mit Polizei und Anwalt gedroht, doch er wollte sich dafür rächen, dass sie seine Liebe nicht erwidert hat.“
Jan blickte seufzend zu Boden. „Ich weiß nicht, ob dieser Junge überhaupt verstanden hat was das Wichtigste in der Liebe ist. Liebe kann ohne Freundschaft nicht existieren. Für ihn existierte das jedoch nicht. Er war ein Einzelgänger, Daria war schon immer ein Familienmensch. Für sie galt die enge Verbindung untereinander mehr, als jedes lose Wort, das in irgendeiner Leidenschaft gesagt wurde. Er verstand die Liebe nicht. Er sprach zwar immer davon, doch hatte er den Sinn nie verstanden.“
Nun blickte ich Jan doch sehr interessiert an. Ihre Worte bei unserem letzten Abschied kamen mir wieder in den Sinn. „Die Liebe die ich geben kann, ist eine andere. Sie ist voller Leidenschaft und Emotionen, voller Zuneigung und Wärme. Aber sie kann die Grenzen zur körperlichen Liebe nicht überschreiten. Es wird immer nur eine physische Liebe sein.“, flüsterte die Erinnerung in meinen Ohren.
„Weißt Du, Daria ist mehr Mensch als jeder andere. Und doch wird sie niemals wie sie sein. Ihre Gefühlswelt ist eine völlig andere. Selten wird jemand das verstehen können. Roger hat es nicht verstanden. Die Liebe ist ein Nehmen und ein Geben, doch er wollte immer nur nehmen.“ So langsam verstand ich einiges.
Wir setzten uns schließlich ein wenig abseits auf eine Erhebung. Jan erklärte seine Worte von eben: „Man kann sagen, sie ist innerlich noch ein Kind geblieben, das lieber durch die Wälder tollt, als irgendwelche Bindungen einzugehen, die sie zwingen würden sich in einen Rahmen zu pressen. Sie hat so viele Gefühle, so viel Leidenschaft zu geben. Doch bewahrt sie diese wie einen Schatz, den niemand berühren darf. Nur ihre engsten Freunde kommen ab und zu mal in den Geschmack dieses unglaubliches Gefühles, das sie in sich trägt.“ Ich schaute ihn ein wenig entsetzt an. Er merkte sofort welche Szenarien sich in meinem Kopf abspielten.
„Nein, nein! Du hast mich falsch verstanden. Sie ist kein Mädchen, das von einem warmen Bett ins Nächste hüpft. Um zu verstehen was ich meine, müsstest Du es erleben. Ihr Licht erwärmt die Herzen aller, sie gibt es gerne an jene weiter, die sie liebt. Es ist eine physische Liebe, die weit über alles hinaus geht, was die Menschen kennen.“ Da war es wieder. „Eine physische Liebe.“ Ich hätte nachdenken können, wie ich wollte, ich verstand einfach nicht was damit gemeint war. Ich glaube, ich hätte es wohl auch niemals verstehen können, wenn ich es nicht eines Tages selbst erlebt hätte. Doch an diesem Tag war ich nur die Unverständnis in Person. Jan bemerkte mein fragendes Gesicht nicht und redete weiter.
„Manchmal glaube ich, dass die Menschen viel zu subjektiv mit den Gefühlen umgehen, die sie in sich tragen. Dass sie viel zu sehr auf das achten, was sie auf den ersten Blick haben können. Die wahre Erfüllung bleibt ihnen doch verborgen. Das ist wohl der Grund, warum die Liebe nur ein kurzweiliger Vertreib in dieser düsteren Welt ist.“ Jan redete über Dinge, die er in meiner Gegenwart vielleicht niemals gesagt hätte, wenn dieses Ereignis nicht passiert wäre. Diese Distanziertheit zu dem Wort „Menschen“, ließ mich darüber nachdenken, ob er sich selbst gar nicht als Mensch sah. In mir wuchs ein seltsames Gefühl. War es vielleicht genau das, was Daria meinte? Dass sie sich nicht als normale Menschen ansahen? „Daria wird niemals einen dieser Menschen lieben können. Dafür ist ihre Liebe viel zu kostbar. Ich hoffe, dass sie eines Tages glücklich wird. Und dass solche Leute, wie dieser Roger verstehen, dass sie niemals wie sie sein, oder wie sie fühlen wird.“ Er lächelte mich an. Doch als er meinen verständnislosen und leicht verwirrten Blick sah, räusperte er sich kurz und fügte hinzu: „Mach Dir keine Gedanken über das, was ich gesagt habe.“ Ein Ablenkungsmanöver!
„Ich werde immer leicht melancholisch, wenn irgendwelche Sachen mit einem von uns passieren.“ Er versuchte glaubhaft zu lachen, doch es klang, wie ein misslungener Versuch, über eine Wahrheit hinwegzutäuschen. Und irgendwie bekam ich Angst vor dem, was die Wahrheit war. Waren meine Gefühle denn nicht stark genug? An diesem Tag zweifelte ich, ob sie mich als „Menschen“ überhaupt akzeptieren könnte. Wenn es stimmte, was Jan mir offenbart hatte, dann glaubte ich, müsste Daria wohl ein sehr einschneidendes Erlebnis in ihrem Leben gehabt haben. Ich weiß nicht, vielleicht wollte ich auch gar nicht über die andere Möglichkeit nachdenken. Dass jenes, was er gesagt hatte, auch so gemeint war. Und doch musste ich immer wieder an seine Worte denken, es ließ mich nicht mehr los. Ich wollte es ganz genau wissen und nahm mir vor, Daria bei der nächsten Gelegenheit danach zu fragen.
Doch in diesem Moment riss mich Chris Stimme aus den Gedanken. „Jan, es wurde entschieden, dass wir zurück müssen. Wir sollen uns noch heute Abflugbereit machen.“ Jan stand ruckartig auf, dass ich fast vor Schreck nach hinten gefallen wäre. „Wie, was? Wir sollen zurück? Warum das denn auf einmal? Hieß es nicht, wir sollen bis zum Zentaurion hier bleiben?“ Ich verstand nur Bahnhof.
(c)by Arcana Moon
Es war nur ein Streifschuss gewesen, was für ein Glück! Aber ich dachte über diesen Typen nach den sie abgeführt hatten. „Wie krank muss man sein“, dachte ich bei mir. „Man muss krank vor Liebe sein!“, sagte auf einmal eine Stimme hinter mir. Es war Jan. Seltsam, als ob er meine Gedanken lesen konnte, hatte er auf die Frage geantwortet. „Daria wird von diesem Typen schon seit vielen Jahren verfolgt.“ Ich blickte ihn überrascht und fragend an.
„Wir können schon nicht mehr mitzählen, wie oft er schon versucht hat uns und vor allem ihr das Leben schwer zu machen. So oft hätte sie weinen, so oft in Wut ausbrechen können. Aber stattdessen hat sie alles über sich ergehen lassen, hat ihn ignoriert, wo es auch nur ging. Wir standen wie eine große Mauer um sie herum und haben oft genug diesem Kerl die Leviten gelesen. Haben mit Polizei und Anwalt gedroht, doch er wollte sich dafür rächen, dass sie seine Liebe nicht erwidert hat.“
Jan blickte seufzend zu Boden. „Ich weiß nicht, ob dieser Junge überhaupt verstanden hat was das Wichtigste in der Liebe ist. Liebe kann ohne Freundschaft nicht existieren. Für ihn existierte das jedoch nicht. Er war ein Einzelgänger, Daria war schon immer ein Familienmensch. Für sie galt die enge Verbindung untereinander mehr, als jedes lose Wort, das in irgendeiner Leidenschaft gesagt wurde. Er verstand die Liebe nicht. Er sprach zwar immer davon, doch hatte er den Sinn nie verstanden.“
Nun blickte ich Jan doch sehr interessiert an. Ihre Worte bei unserem letzten Abschied kamen mir wieder in den Sinn. „Die Liebe die ich geben kann, ist eine andere. Sie ist voller Leidenschaft und Emotionen, voller Zuneigung und Wärme. Aber sie kann die Grenzen zur körperlichen Liebe nicht überschreiten. Es wird immer nur eine physische Liebe sein.“, flüsterte die Erinnerung in meinen Ohren.
„Weißt Du, Daria ist mehr Mensch als jeder andere. Und doch wird sie niemals wie sie sein. Ihre Gefühlswelt ist eine völlig andere. Selten wird jemand das verstehen können. Roger hat es nicht verstanden. Die Liebe ist ein Nehmen und ein Geben, doch er wollte immer nur nehmen.“ So langsam verstand ich einiges.
Wir setzten uns schließlich ein wenig abseits auf eine Erhebung. Jan erklärte seine Worte von eben: „Man kann sagen, sie ist innerlich noch ein Kind geblieben, das lieber durch die Wälder tollt, als irgendwelche Bindungen einzugehen, die sie zwingen würden sich in einen Rahmen zu pressen. Sie hat so viele Gefühle, so viel Leidenschaft zu geben. Doch bewahrt sie diese wie einen Schatz, den niemand berühren darf. Nur ihre engsten Freunde kommen ab und zu mal in den Geschmack dieses unglaubliches Gefühles, das sie in sich trägt.“ Ich schaute ihn ein wenig entsetzt an. Er merkte sofort welche Szenarien sich in meinem Kopf abspielten.
„Nein, nein! Du hast mich falsch verstanden. Sie ist kein Mädchen, das von einem warmen Bett ins Nächste hüpft. Um zu verstehen was ich meine, müsstest Du es erleben. Ihr Licht erwärmt die Herzen aller, sie gibt es gerne an jene weiter, die sie liebt. Es ist eine physische Liebe, die weit über alles hinaus geht, was die Menschen kennen.“ Da war es wieder. „Eine physische Liebe.“ Ich hätte nachdenken können, wie ich wollte, ich verstand einfach nicht was damit gemeint war. Ich glaube, ich hätte es wohl auch niemals verstehen können, wenn ich es nicht eines Tages selbst erlebt hätte. Doch an diesem Tag war ich nur die Unverständnis in Person. Jan bemerkte mein fragendes Gesicht nicht und redete weiter.
„Manchmal glaube ich, dass die Menschen viel zu subjektiv mit den Gefühlen umgehen, die sie in sich tragen. Dass sie viel zu sehr auf das achten, was sie auf den ersten Blick haben können. Die wahre Erfüllung bleibt ihnen doch verborgen. Das ist wohl der Grund, warum die Liebe nur ein kurzweiliger Vertreib in dieser düsteren Welt ist.“ Jan redete über Dinge, die er in meiner Gegenwart vielleicht niemals gesagt hätte, wenn dieses Ereignis nicht passiert wäre. Diese Distanziertheit zu dem Wort „Menschen“, ließ mich darüber nachdenken, ob er sich selbst gar nicht als Mensch sah. In mir wuchs ein seltsames Gefühl. War es vielleicht genau das, was Daria meinte? Dass sie sich nicht als normale Menschen ansahen? „Daria wird niemals einen dieser Menschen lieben können. Dafür ist ihre Liebe viel zu kostbar. Ich hoffe, dass sie eines Tages glücklich wird. Und dass solche Leute, wie dieser Roger verstehen, dass sie niemals wie sie sein, oder wie sie fühlen wird.“ Er lächelte mich an. Doch als er meinen verständnislosen und leicht verwirrten Blick sah, räusperte er sich kurz und fügte hinzu: „Mach Dir keine Gedanken über das, was ich gesagt habe.“ Ein Ablenkungsmanöver!
„Ich werde immer leicht melancholisch, wenn irgendwelche Sachen mit einem von uns passieren.“ Er versuchte glaubhaft zu lachen, doch es klang, wie ein misslungener Versuch, über eine Wahrheit hinwegzutäuschen. Und irgendwie bekam ich Angst vor dem, was die Wahrheit war. Waren meine Gefühle denn nicht stark genug? An diesem Tag zweifelte ich, ob sie mich als „Menschen“ überhaupt akzeptieren könnte. Wenn es stimmte, was Jan mir offenbart hatte, dann glaubte ich, müsste Daria wohl ein sehr einschneidendes Erlebnis in ihrem Leben gehabt haben. Ich weiß nicht, vielleicht wollte ich auch gar nicht über die andere Möglichkeit nachdenken. Dass jenes, was er gesagt hatte, auch so gemeint war. Und doch musste ich immer wieder an seine Worte denken, es ließ mich nicht mehr los. Ich wollte es ganz genau wissen und nahm mir vor, Daria bei der nächsten Gelegenheit danach zu fragen.
Doch in diesem Moment riss mich Chris Stimme aus den Gedanken. „Jan, es wurde entschieden, dass wir zurück müssen. Wir sollen uns noch heute Abflugbereit machen.“ Jan stand ruckartig auf, dass ich fast vor Schreck nach hinten gefallen wäre. „Wie, was? Wir sollen zurück? Warum das denn auf einmal? Hieß es nicht, wir sollen bis zum Zentaurion hier bleiben?“ Ich verstand nur Bahnhof.
(c)by Arcana Moon