Wanda und das Weltgeschehen
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Eine archivierte Kolumne von Songline
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Wenn der Po nicht auf die Brille passt
Es gibt ja Leute, bei denen ich mich ernsthaft frage, ob die nicht ihren Beruf verfehlt haben. Nein, ich schimpfe jetzt nicht auf die üblichen Verdächtigen, von denen der geneigte Leser selbst genug zu benennen weiß. Mein Groll gilt den Designern.
Ich überlege schon länger, ob es in deren Studium auch ein Fach „angewandtes Design“ gibt und verneine die Frage nicht erst seit dem Zeitpunkt, als ich im Sanitärfachhandel ein viereckiges WC entdeckte. Um die werten Leser aufzuklären: Es gibt viereckige WCs, deren Brillenrand außen eckig, das Loch aber oval ist. Und dann gibt es WCs, deren Brillen ein rechteckiges Loch haben. Da stellt frau sich natürlich die Frage, wie denn das Runde auf das Eckige passen soll. Vertrauensvoll sprach ich die Sanitärfachfrau an:
„Entschuldigen Sie bitte, sitzt man auf den viereckigen Brillen bequem?“
„Wie bitte?“
„Sie haben da viereckige Toilettenbrillen auf viereckigen WCs. Sitzt man darauf bequem?“
„Wo haben wir die?“ Ich zeigte es ihr.
Die Sanitärfachfrau sah mich konsterniert an: „Das habe ich noch nicht ausprobiert.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein runder Po bequem auf eine viereckige Brille passt.“
Sie sah so aus, als könne sie sich das ebenfalls nicht vorstellen, doch ihr Verkäuferverstand antwortete: „Aber die sind jetzt ganz modern!“ Das Ausstellungsstück war nur notdürftig befestigt und nicht für die praktische Erkundung geeignet.
Ich entschied mich für ein anderes Modell.
Wenn ihr mich fragt, sollten alle Designer die von ihnen entworfenen Produkte mindestens ein Jahr lang benutzen, bevor sie in Produktion für jedermann gehen. Aber mich fragt ja keiner. Dabei könnte die breite Verbrauchermasse durch einfaches Ignorieren unpraktischer Gebrauchsgegenstände dazu beitragen, dass nicht mehr der Form Vorrang vor der Funktionalität eingeräumt wird.
Ein „Oh ist das schön!“ wandelt sich schnell ihn wildeste Schimpfkanonaden, wenn der ach so tolle Zwiebelhacker mehr Zeit für die Reinigung erfordert als das Zwiebelschneiden von Hand. Die Freude am neuen Laptop wird mit jeder Berührung getrübt, die einen spurensicherungsgeeigneten Fingerabdruck hinterlässt. Also mit jeder, es sei denn, man zieht Samthandschuhe an, die wiederum Fussel hinterlassen, die man wegpusten kann, wodurch aber feinste Tröpfchen … Ihr wisst, was ich meine.
Derzeit frage ich mich, ob nicht endlich jemand einen Touchscreen entwickeln kann, auf den man drauftatschen darf, ohne eine Schutzfolie dafür zu brauchen. Da hat man so ein feines Teil und beklebt es mit schnödem Plastik, damit es funktional wird. Und schon ist die Ästhetik im Eimer.
Liebe Designer: Ich möchte es praktisch und zugleich schön. Nicht nur eines davon. Ach ja, bezahlbar soll es auch sein. Und jetzt erzählt mir nicht wieder, ich wäre so anspruchsvoll. Schon früheste Kulturen haben Tontöpfe verziert und Kleiderspangen und Schwerter. Das war alles zugleich funktional und toll anzusehen. Vielleicht solltet ihr öfter mal ins Museum gehen und Euch ein Beispiel nehmen. Außerdem empfehle ich einen Besuch in einem römischen Badehaus. Die Römer hatten nämlich auch schon Toiletten, und zwar mit runden Öffnungen. Sie wussten, warum.
Bis bald mal,
Wanda
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Nun mag ich am liebsten Walnüsse - und die passten nicht richtig rein. Gerade so an den Rand des Knackbereiches konnte ich sie noch quetschen, und mit sehr viel körperlichem Aufwand dann kleinkriegen.
Früher habe ich übrigens einfach ein Tomatenmesser genommen, und sie an einer Naht sauber in zwei Nusshälften aufgebrochen...
Einen interessanten Punkt hat Wanda ganz nebenbei angesprochen: Dass Angestellte oft keine Ahnung haben, was ihre Firma an Produkten und Dienstleistungen anbietet. Das führt zu der grotesken und im Grunde unangenehmen Situation, dass der Kunde dem Angestellten dessen Job erklären muss.