Wanda und das Weltgeschehen
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Eine archivierte Kolumne von Songline
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Vom Recht auf Ertrag
Es gibt ja Nachrichten, die treiben mir die nicht vorhandene Hutschnur hoch. Gestern las ich, dass die Hedge-Fonds ein Menschenrecht auf Ertrag fordern. Na toll. Wenn ein Bauer seinen Acker bestellt, damit er sich ernähren kann, trägt er selbst das Risiko, wenn es zu viel oder nicht genug regnet und seine Ernte mager ausfällt. So ein Landwirt ist dem Wetter relativ hilflos ausgeliefert, darum betet er in der Regel auch hübsch fromm zum lieben Gott und zu allen Heiligen, auf deren Fürsprache er vertraut.
Ein Hedge-Fonds hat vom lieben Gott noch nie etwas gehört. Er hat keinen Bezug zur eigenen Scholle, sondern jongliert mit dem Geld anderer Leute, und das möglichst spekulativ. Ein Hedge-Fonds zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass er versucht, mit riskanten Finanzgeschäften möglichst große Gewinne zu erzielen. Da werden Aktien leer verkauft und mit sinkenden oder steigenden Börsenkursen spekuliert. Da investiert man in Staatsanleihen klammer Staaten, weil die höhere Zinsen bringen. Und dann wundert man sich auf einmal, wenn so ein Staat tatsächlich mal pleitegeht. Wie Griechenland zum Beispiel. Dort sollen ja jetzt die Gläubiger auf 50% ihrer Einlagen verzichten. Die Hedge-Fonds auch, und die regen sich drüber auf. Dabei ist der Kapitalverlust für Hedge-Fonds genauso ein tägliches Geschäft wie der ausbleibende Regen für einen Landwirt. Der dann übrigens nicht von einem Menschenrecht auf Ertrag faselt, sondern den Gürtel enger schnallt, damit er über den Winter kommt. Zumindest in Afrika. In Europa rufen die Bauern schon mal nach Fördermitteln aus der EU, wenn die Ernte ersoffen oder vertrocknet ist. Aber ehrlich: Den Bauern gönne ich ihre Zuschüsse, schließlich sorgen die für unser täglich Brot und die Milch im Kaffee.
Den Hedge-Fonds aber gönne ich ihre Rettung nicht. Wer mit Geld jongliert, muss damit rechnen, dass auch mal was runterfällt. Und dann soll mir keiner brüllen, dass das gefälligst jemand anderer wieder aufheben soll. Die Spekulationen am Finanzmarkt sind schließlich auch nicht ganz schuldlos an der Krise. Nun sitzt der Fonds mit den Staaten im Sumpf und bittet die Staaten: „Ich bin ein Fonds, holt mich hier raus!“ Ja, wie denn, bitteschön? Hat schon mal einer von den geneigten Lesern gesehen, dass sich zwei ohne Hilfe von außen aus einem Sumpfloch befreien konnten? Also ich nicht.
Apropos Sumpf: Gestern las ich auch, dass die Deutsche Bank unter Sunnyboy Josef Ackermann maßgeblich an den Geschäften um den weltweiten Lebensmittelhandel beteiligt ist. Genauer gesagt: Daran, dass Lebensmittel an der Börse genauso zum Spekulationsgut wurden wie Aktien. Während früher Lebensmittelrohstoffe noch zwischen Erzeugern und Abnehmern gehandelt wurden, schalten sich nun zwischen jede Transaktion bis zu 14 Mal die Finanzjongleure ein und treiben mit ihren Spekulationen die Preise hoch. Dies hat zu einer starken Verteuerung vor allem des Getreides geführt und in verschiedenen Ländern bereits zu (auch gewaltsamen) Demonstrationen, weil sich die Menschen das tägliche Brot nicht mehr leisten können.
In dieser Situation reden die Hedge-Fonds von einem Menschenrecht auf Ertrag. Wenn Ihr mich fragt, sollten sowohl Hedge-Fonds als auch Spekulationen mit Lebensmitteln verboten werden. Aber mich fragt ja keiner.
Und so sehe ich den Landwirt weiterhin seinen Acker bearbeiten, den Blick gen Himmel gerichtet. Und die Hedge-Fonds sehe ich spekulieren und lamentieren. Ohne zu wissen, welchen Wert die Scholle unter den Füßen des Landwirts hat. Und genau das ist das eigentliche Problem.
Bis bald mal,
Wanda