Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Mittwoch, 04. September 2013, 09:18
(bisher 1.103x aufgerufen)

Das ABC des Krieges

Zurzeit gäbe es zahlreiche Ereignisse in der Welt, die es verdient hätten, in dieser Kolumne thematisiert zu werden. Doch am wichtigsten und vermutlich auch schwerwiegendsten ist der drohende Einmarsch der USA in Syrien. Denn nicht nur, dass der Krieg bereits beschlossene Sache zu sein scheint, nein, auch die Rhetorik mit der die Politiker versuchen das Eingreifen schmackhaft zu machen kommt einem bekannt vor. Aber Obama ist als Friedensnobelpreisträger natürlich in der Bringschuld. Der Auslöser: Giftgasangriffe.

Seit 2011 herrschen Chaos und Mord in dem Land, aber erst eine „verbotene“ Waffe zwingt plötzlich Nationen dazu einzugreifen? Ohne die Grausamkeit solcher chemischer Attacken herunterspielen zu wollen, aber Menschen können auch von einer Gewehrkugel qualvoll sterben. Es gibt genug Bilder von erschossenen Kindern aus Syrien. Da ist es auch nicht nötig, dass sich die Politiker in ihre inhaltslosen Floskeln von barbarischen und unverantwortlichen Angriffen auf Unschuldige ergießen. Das ist offensichtlich. Es herrscht Krieg und die Zivilbevölkerung trägt stets das größte Leid in solch gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Doch alle halten sie Reden und Tiraden. Westerwelle, der als neues Sprachrohr der Menschheit, für eine gemeinsame Standhaftigkeit der Weltgemeinschaft spricht. Spätestens Russland und China würden dem widersprechen. Der britische Premier Cameron verlegte bereits Schiffe ins östliche Mittelmeer; als „reine Vorsichtsmaßnahme, um die britischen Interessen zu schützen.“ Um welche es sich dabei handeln soll, erwähnt er nicht. Auf Twitter sprach er von „notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten.“ Doch während sich seine Follower darüber freuten und es auf Facebook weiterleiteten, entschied sich das Unterhaus (vorerst) gegen einen Einmarsch. Bomben abwerfen hat auch selten etwas Humanitäres an sich und tötet kaum Zivilisten.

Nun ergibt sich Cameron dem Willen seines Volkes, schließlich lebe man in einer Demokratie, die es zu respektieren gelte. Schade nur, dass es sich dabei um Populismus handelt, denn demokratisch wäre es gewesen, seine Bürger vorher zu fragen, was sie von einem britischen Militäreinsatz halten würden. Der amerikanische Außenminister Kerry, früher überzeugter Kriegsgegner, findet ebenfalls scharfe Töne. Für ihn steht bereits fest, dass die Giftgasangriffe vom syrischen Diktator befohlen wurden, denn es gäbe Beweise vom britischen Geheimdienst. Die Parallelen zum Irakkrieg 2003 sind leider unverkennbar. Außerdem stellt man sich die Frage, ob der CIA überhaupt noch was zu tun hat?

Zwar ist der US-Kongress, auch auf Grund der Erfahrungen im Irak und Afghanistan alles andere als überzeugt von einem Eingreifen, doch Kerry erinnert daran, dass „Ermüdung nicht von der Verantwortung befreie“ da die Verwendung von chemischen Waffen eine „moralische Obszönität“ sei. Wie sieht es mit dem amerikanischen Bürgern aus? Möchte Kerry tatsächlich wieder Millionen in einen Krieg investieren, die z.B. sinnvoller für die Versorgung der zahllosen Obdachlosen in den USA oder der heruntergekommenen Stadt Detroit verwendet werden könnten? Muss man einen alten Vietnamkriegsveteranen daran erinnern was Agent Orange ist? Oder aktueller, was Phosphorgranaten und Uranmunition sind, die im Irak und Afghanistan vom US-Militär verwendet wurden? Mit Terroristen wird nicht verhandelt. Dennoch müsse man auch ohne UN-Resolution zuschlagen. Wozu dann die Mühe einer solchen Organisation? Verkommt diese nicht zur Farce?

In Deutschland sind sowohl Regierung als auch Opposition gegen einen Einsatz, leider aus den falschen Gründen: Es herrscht Wahlkampf und wer möchte schon Stimmen verlieren? Unter anderen Umständen würde Merkel vielleicht dafür stimmen. Aber sie hat mehr Erfahrung als Cameron und würde erst ihr Volk befragen. Nicht direkt versteht sich. Einer Insiderquelle bei der deutschen Marine zu folge, ist nämlich gerade ein Flottenschiff auf dem Weg nach Syrien. Spionage? Aufklärung? Dass man nicht direkt eingreifen muss, um seinen Verbündeten zu helfen wurde bereits bewiesen. Schließlich kann sich die Bundeswehr auf Transport und Aufklärung beschränken. Soldaten zum Schlachtfeld liefern und ihnen zeigen wo der Feind ist.

Und das wird nicht so einfach. Denn in Syrien tummeln sich die Regierungstruppen Assads, die Freie Syrische Armee, Rebellentrupps, Kurdengruppen, Dschihadisten und darüber hinaus die Hisbollah aus dem Libanon und iranische Hilfen. Vor der Haustür sammeln sich die westlichen Armeen, sowie die Scheichstaaten der Arabischen Halbinsel. Es fließen Gelder und Waffen aus allen Richtungen. Religion und Politik sind hier eng in einen Konflikt miteinander verwoben und Ursachen gibt es viele. Genau wie interessante Details über die Protest- und Rebellengruppen. Anders als beispielsweise in Ägypten, fehlen in Syrien nämlich Bilder von Massen, die demonstrierend durch die Straßen ziehen. Es sind immer nur einzelne Menschen zu erkennen. Wurde alles medial aufgeblasen? Außerdem bilden einige dieser Verbände eigene Scharia-Gerichte, die bereits Menschen töteten, weil sie sich offen für die Demokratie ausgesprochen haben. Auf welcher Seite wollen die USA nun kämpfen? Auf der des Diktators oder der von Fundamentalisten? Not gegen Elend.

Dass eventuell nachgeholfen wird, wäre in der Geschichte nichts Neues. Kürzlich wurde erst eine vermeintliche Aktivistin in Syrien als bezahlte Schauspielerin entlarvt, die im Internet für ein Eingreifen plädierte. Fast wie damals 1990 in Kuwait. Interessant auch ein Artikel der Yahoo News, die man getrost als Mainstream bezeichnen kann. Diese hatten im Januar von einer Quelle berichtet, dass eine False Flag – Operation mit Giftgas als Auslöser für ein Eingreifen initiiert werden könnte. Auch diverse Journalisten hatten vor solch einer Möglichkeit gewarnt. Aber natürlich sind das nur Verschwörungstheorien.

Bleiben die üblichen Fragen. Warum erst jetzt dieses Interesse an Syrien? Warum will man erneut mit Waffengewalt die Demokratie etablieren? Warum finden die Politiker keine besseren Lösungen? Wer hat die Fäden in der Hand, da kein Volk mehr gewillt zu sein scheint, sein Land im Krieg zu sehen? Wer hat die Giftgasanschläge verübt? Wer schoss auf die UNO-Inspekteure? Wer wird die Folgen tragen? Wer die Verantwortung? Vieles wird sich zwar erst zeigen, doch man kann einiges erahnen. Egal wer für die Giftgasangriffe verantwortlich sein mag, die syrische Regierung, ein Einzeltäter, eine Rebellenorganisation oder ein westlicher Geheimdienst: Assad wird gestürzt werden, da seine Regierung die einzige offizielle und greifbare Instanz ist. Ob es erneut um Öl geht? Wäre möglich, aber im Endeffekt irrelevant, auch wenn das so mancher Investor und Wirtschaftsmogul anders sehen mag.

Wäre auch das Schlimmste, was uns passieren könnte, oder? Hier teuer unser Benzin bezahlen, weil so ein paar Verrückte keine Demokratie akzeptieren wollen. Aber keine Angst, die USA werden mit Hilfe von CIA und NSA sicher eine zufriedenstellende Lösung finden. Das Handbuch dafür hat der britische Diplomat Lord Ponsonby bereits 1871 zusammengefasst. Prinzipien der Kriegspropaganda:
1. Wir haben diesen Krieg nicht gewollt.
2. Personifizierung des Feindes.
3. Unsere Zielstellungen sind humanitärer Art. Man muss die Tatsache verschweigen, dass es wirtschaftliche Ziele des Krieges gibt. Man stelle humanitäre Gründe in den Vordergrund.
4. Berichte über Grausamkeiten des Gegners. Vermeide ungünstige Berichte über die eigene Seite.
Denn den „Guten“ kann man trauen und dank neuster Drohnen, sterben dieses Mal zum Glück auch nicht wieder so viele arme Soldaten. Darauf können sie Gift nehmen…

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Matthias_B (04.09.13)
Undurchsichtig, dieser Konflikt; Aussage steht gegen Aussage, z.B.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/carla-del-ponte-syriens-rebellen-sollen-sarin-eingesetzt-haben-a-898243.html

P.S. Es ist wohl "vermeintlich[ ]" und nicht "vermeidlich[ ]" gemeint?

 Melodia (04.09.13)
das stimmt. allerdings wird wohl einer "aussage" mehr vertraut werden... muss es wohlwollend zu formulieren.

ja, danke! blöde autokorrektur...

 Matthias_B (06.09.13)
Heute war in den "Fränkischen Nachrichten" dieser Artikel von Birgit Cerha über einen nicht veröffentlichten Bericht Dale Gavlaks über die Geschehnisse am 21.08. zu lesen:
http://www.morgenweb.de/nachrichten/welt-und-wissen/wer-steckt-wirklich-hinter-dem-giftgasangriff-1.1188811

 Melodia (06.09.13)
Wundert mich nicht und ist nicht der erste Artikel, der diese Informationen beinhaltet. Ich sage ja: wer da den Überblick behält...

Mal abgesehen davon, will ich gar nicht wissen, wer denen das Giftgas verkauft hat...
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram