Gegenschlag

(Mein) Gedanke des Jahres

Die Zeiten ändern sich. Noch bis letztes Jahr war das „Jugendwort des Jahres“ tatsächlich ein Wort. In diesem Jahr ist es bereits zu einem ganzen Satz mutiert. „Läuft bei dir“. Ich weiß selbstverständlich nicht, ob der Langenscheidt-Verlag die ganze Sache selbst nicht mehr so ernst nimmt, oder einfach flexibel bleiben möchte im Umgang mit dem Jugendjargon und dessen Verständnis. Schließlich muss man mit der Zeit gehen.

Einmal davon abgesehen, dass es in Deutschland viel zu viele Ernennungen mit der Endung „… des Jahres“ gibt: Alge des Jahres, Lurch des Jahres, Landschaft des Jahres, Höhlentier des Jahres; um nur einige Beispiele zu nennen. Wobei mir der Sinn hinter diesen Nominierungen immerhin noch einleuchtet, nämlich auf gefährdete Tier- und Pflanzenarten aufmerksam zu machen. Und da sind die ganzen Sportler noch nicht mal dabei. Im Gegenteil zu diesem vermeidlich aktuellen „Jugendsatz“, den mein Freundeskreis und ich selbst bereits in unserer Jugend verwendet haben: Läuft. Und schon ertappe ich mich wieder, wie ich selbst von mir rede, als sei ich alt.

Vielleicht bin ich das auch tatsächlich. Die Jugendworte der letzten Jahre kannte ich immerhin alle noch, bzw. war vergönnt sie im Alltag zu vernehmen: „Babo“, „YOLO“ und „Swag“. Zugegeben, ein fragwürdiges Vergnügen, zumal sie meist von Vertretern aus dem geistigen Prekariat, jungen ahnungslosen Kindern oder Hipstern geäußert wurden, mit dem man nichts zu tun haben möchte. Ob das nur eine weitere Bestätigung für mein Alter ist? Ein stilles Kopfschütteln und in Gedanken den Satz „ich war früher nicht so“. Dabei bin ich erst knapp 30. Das nenne ich frühzeitige Vergreisung.

Auf dem zweiten Platz landete übrigens ebenfalls ein Satz. Wenigstens konsequent. „Gönn dir“. Erinnert mich irgendwie an eine alte Werbung aus den 1990ern. Leider ist mir entfallen für was sie warb. Vermutlich Joghurt oder Bier. Aber im Ernst: Was an dieser Formulierung ist jugendlich? Klingt eher nach einer Aufforderung eines entfernten Onkels beim alljährlichen Familientreffen in der Eifel und weniger nach banalem Jugendslang der Straße. Das Wort „Selfie“ landete nur auf Platz vier, aber das versteht mittlerweile auch jeder. Dann ist es nicht mehr cool. Sagt man das noch? Versteh einer die Jugend von heute.

Aber vielleicht ist es ganz gut so. Vielleicht muss ich sie gar nicht verstehen. Und um ehrlich zu sein möchte ich es auch nicht. Ich fühle mich weder alt, noch so richtig erwachsen, aber reifer schon. Und bei mir läuft es. Da gönne ich mir auch mal solche Gedanken. In diesem Zusammenhang würde ich gern das Durchschnittsalter der Langenscheidt-Jury wissen. Das könnte eventuell einiges erklären. Die Zeit geht schließlich auch an diesen Menschen nicht spurlos vorbei.