Dienstags bei Inge
Ansichten übers Leben und Sterben und den Rest dazwischen
Eine archivierte Kolumne von IngeWrobel
(bisher 1.040x aufgerufen)
Eltern, wo seid ihr?
Im März dieses Jahres machte ein Rechtsstreit in den USA auf sich aufmerksam, in dem es um die Frage ging, wo ein Teenager-Spaß aufhört, und „Kinder“-Pornographie beginnt:
Eine 15jährige Schülerin hatte Fotos von sich und einer Freundin über ihr Mobiltelefon ins Netz gestellt, auf denen die beiden Mädchen außer BHs nichts auf dem nackten Leib trugen.
Sogar die New York Times berichtete darüber und zitierte den zuständigen Staatsanwalt George Skumanick, der diesen Sachverhalt als so provozierend bezeichnete, dass er mit einer Anklage wegen „Verbreitung von Kinderpornografie“ drohte.
Einschlägig informierte Kreise berichten offen über diesen Trend, der in den USA als „Sexting“ (Aufnehmen und Verschicken von Nacktfotos per Mobiltelefon) zu einem zunehmenden Problem zu werden scheint.
Kompetente Äußerungen hört man in Europa, wo das Thema nicht ganz so vehement hochgespielt wird, z.B. von Barbara Buchegger von der österreichischen Webseite „Saferinternet“, die sich mit Cyber-Mobbing-Übergriffen beschäftigt und auskennt. Auch zum Thema gehört die Meinung von Bernhard Jungwirth von "Saferinternet" zu der neuen Handy-Software, die Eltern die Kontrolle ihrer Kinder ermöglicht. Da wird, selbstverständlich ohne Wissen der betroffenen Teenager, auf deren Mobilfunkgeräte eine Software installiert, die dann von den „besorgten“ Eltern überwacht wird. Programme mit den Namen „My Mobile Watchdog“ oder „Mobile Spy“ erfassen die gesamte Internetkommunikation ihrer Kinder und machen sie den Eltern zugänglich. Was Herr Jungwirth dazu sagt, ist ebenso sachlich und zutreffend, wie überhaupt diese Website ausgesprochen erfreulich und empfehlenswert: http://www.saferinternet.at
Die Elternliebe scheint mir überhaupt in den Vereinigten Staaten seltsame Blüten zu treiben. Wie passt dieses traurige Kontrollverhalten, das amerikanische Eltern offensichtlich vertrauensvollen Gesprächen mit ihrem Nachwuchs vorziehen, zu der folgenden Meldung?:
Die Firma "Apple" entfernte die Spiele-Software „Baby Shaker“ bereits nach 4 Tagen wieder aus dem Angebot als iPhone-Applikation. Mit gutem Grund, wie ich finde. Bei diesem „Spiel“ ertönt das Schreien eines Säuglings so lange und nervend, bis der Handy-Besitzer das Gerät dermaßen kräftig geschüttelt hat, dass das Baby-Geschrei verstummt. Auf dem Display sieht man dann den Kopf des Kindes mit 2 roten Kreuzen über den Augen. Ist das pervers, oder ist das pervers?
Als Mutter stehen mir vor Empörung die Haare zu Berge. Weiß man doch inzwischen längst, dass das Schütteln von Säuglingen und Kleinkindern zu schweren Schäden beim Kind führen kann – schlimmstenfalls sogar tödlich endet.
Dass die Firma „Apple“ die Software wegen diverser Proteste so schnell wieder aus dem Angebotskatalog für das iPhone herausnahm, scheint vernünftig zu sein. Ich finde es nicht lobenswert, sondern fragwürdig bis verwerflich, solche Software überhaupt zu entwickeln und anzubieten.
Ich möchte hoffen, dass bei uns in Deutschland Eltern und Kinder noch miteinander reden. Dass sich Eltern für das interessieren, was ihren Kindern wichtig erscheint. Dass sie mit den Kindern zusammen die TV-Kindersendungen anschauen. Dass sie sich gemeinsam Musik anhören und Filme ansehen. Dass sie mit ihren Kindern zusammen die Möglichkeiten des PCs und Mobilfunks erforschen. Dass sie über Bücher diskutieren und über die Schule und die Freunde reden – und ihnen das schenken, was für Kinder wichtig ist: Zeit, Respekt, Liebe.
Wenn das funktioniert, braucht es keine Handy-Spyware und gibt es keine Schütteltraumata.
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
(28.04.09)
(28.04.09)
@ wortverdreher: Die Zitate hätten einerseits den Rahmen dieser Kolumne gesprengt, andererseits lohnt es m.E. wirklich, die
Seite in Ruhe aufzurufen und dort zu lesen. Meine Quellen-Links kann ich Dir gerne, wenn Du möchtest, per PN nennen. Wie ich schon Andreas schrieb, bin ich nicht der Meinung, Eltern und Kinder sollten alles gemeinsam machen. Aber eine Wachsamkeit, ein Gespür, wann sie unsere elterliche Meinung hören wollen, sollten wir entwickeln bzw. pflegen. Und Du hast Recht: wenn wir ganz früh beginnen, wird es selbstverständlich, und es hat sich eine Vertrauensbasis gebildet, die Überwachung und Ignoranz nicht kennt.