Dienstags bei Inge

Ansichten übers Leben und Sterben und den Rest dazwischen


Eine archivierte Kolumne von  IngeWrobel

Montag, 14. Dezember 2009, 20:07
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Der schwule Freund

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Wenn eine Frau im sogenannten „reiferen Alter“ alleine lebt, wird sie mitunter von den Mitmenschen bedauert. Jede Frau in dieser Situation muss selbst entscheiden, ob sie ihr Dasein bedauernswert findet – oder glücklich ist. So richtig hineinversetzen in ihr Leben können sich die wenigsten.
Spricht mich jemand an und fragt mich, ob ich nicht sehr einsam sei, wundert er sich meistens über meine Antwort: Als ich noch „mitten im Leben“ stand, also mit Beruf und Familie bis über die Ohren eingedeckt war, hatte ich manchmal Momente großer Einsamkeit. In all dem Trubel, zwischen all diesen Menschen, fühlte ich mich ab und zu verloren – alleingelassen vom Rest der Welt. Das ist schmerzhafter, als wenn man ohnehin allein lebt.
Als Single kann man auf andere zugehen, Kontakte knüpfen und pflegen, wenn einem danach zumute ist. Eingebunden in ein enges soziales Umfeld denkt man, dass Zuwendung, Aufmerksamkeit und Liebe aus ebendiesem Kreis von Menschen kommen müssen.

In einem zu Herzen gehenden Artikel in der Süddeutschen Zeitung, Ausgabe Nr. 245, schreibt Judith Liere einen Bericht über eine ältere Dame, die ihr Leben in täglicher Erwartung eines imaginären „Freundes“ lebt. Eine ebenso betrügerische wie clevere Lotteriegesellschaft hat einen „Mitarbeiter“ erfunden, ihm einen Namen verpasst, und lässt ihn an leichtgläubige Kunden Briefe schreiben, in denen er ihnen von einem baldigen Gewinn erzählt. Er kündigt seinen Besuch an, bei dem er dann einen größeren Geldbetrag dabei hat, um ihn feierlich zu übergeben. Selbstverständlich taucht dieser Mann nie auf, und Geld sehen die geprellten „Kunden“ auch nicht. Stattdessen investieren sie ihr eigenes, um über teure 0900er Telefonnummern oder sogar per Überweisung für Bearbeitungsgebühren ihrer Hoffnung Ausdruck zu verleihen.
Dass diese 91jährige alleinlebende Frau jeden Tag den Kaffeetisch für zwei Personen deckt, ist nicht nur ein Zeichen für Leichtgläubigkeit. Dahinter steckt auch ein Schrei nach Liebe, nach menschlicher Gesellschaft und Kommunikation.

Kürzlich hörte ich beim TV-Zappen auf einem Werbekanal den Satz: „Damit kriegst du natürlich auch einen tollen Mann!“ Geworben wurde für ein Miederhemd, das die Speckröllchen am weiblichen Körper wie von Zauberhand wegdrücken sollte. Okay, das ist doch mal eine verheißungsvolle Offerte! Könnte zwar ein Problem werden, wenn frau sich tatsächlich auf diese Art und Weise einen Mann geangelt hat, und dieser dann irgendwann das Darunter der schönen Verpackung in Augenschein nehmen möchte. Aber das ist dann nicht das Problem des Miederwarenherstellers oder seiner Werbeabteilung.

Warum spielen überhaupt Männer im Leben einer reifen Frau noch eine Rolle? Hat sie denn nicht in Jahrzehnten gezeigt, was sie wert ist? Will sie unbedingt noch Sex bis zum Abwinken? Will sie der Mittelpunkt im Leben Anderer sein? Hat sie das nötig?

Ja, bei den meisten Frauen wird es wohl so sein, dass sie nicht darauf verzichten können, von Männern attraktiv gefunden zu werden. Sie wollen die Bestätigung, dass sie – immer noch – begehrenswert sind. Solange eine Frau noch bewundernde Blicke auf sich zieht und Komplimente erhält, fühlt sie sich lebendig, jung. Geht Mann achtlos an ihr vorbei, geht es ihr schlecht. Dann bleibt nämlich nur noch das „Gebrauchtwerden“ von Familie und Freunden – und das ist nicht geeignet, das Selbstwertgefühl zu heben.

Mein heißer Tipp für alleinlebende ältere Frauen: Suchen Sie sich einen schwulen Freund. Der feminine Anteil in der Gefühlswelt solcher Männer kann verbindender sein, als die Beziehung zu einer „Busenfreundin“, weil das Konkurrenzdenken bei dieser Art Freundschaft weitestgehend ausgeschaltet ist.

Vor einigen Jahren berichtete ich meinem Frisör von meiner neuesten Männerbekanntschaft. Ihm war gerade ähnlich Überwältigendes geschehen. Der Erfahrungsaustausch klappte mit wenigen Worten perfekt. Wir verstanden uns, entdeckten eine erstaunliche Parallelität bezüglich unserer Gefühle und Verhaltensweisen, und waren beide froh, miteinander darüber gesprochen zu haben.

Als ich einmal meinem Partner von einer neuen Freundschaft zu einem Schwulen vorschwärmte, bemerkte dieser nur lakonisch: „Kein Wunder, alle Schwulen stehen auf ältere Frauen.“
Ist das nicht reizend? Ein Grund mehr, sich einen schwulen Freund zu suchen - so frau noch keinen hat.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(16.12.09)
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