andi(e)stirnschlag
Kleinlichkeiten
Eine archivierte Kolumne von AndreasG
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Gebrauchslyrik?
Auf unserer Plattform ging es ja schon so manches Mal heiß her, wenn es um Gedichte ging. Plötzlich kommen die sensiblen und gefühlvollen Naturen in Wallung, streiten sich über Metrum, Silbenzählen, (un-)sauberere Reime und Sprachmelodien, hacken aufeinander herum, fühlen sich persönlich angegriffen oder sind tödlich beleidigt.
Eine tragische Sache, denn da streiten ausgerechnet die Wenigen miteinander, die sich überhaupt für solche Dinge interessieren. Lyrik ist nun einmal auf dem absteigenden Ast … nein: sie liegt schon längst am Boden. Auflagen von eintausend Exemplaren gelten als großer Erfolg, außer Klassikern wird kaum etwas gekauft (und auch die mäßig) und die Verdichtung, besonders der Reim, haben den donnernden Ruf von Kalendersprüchen.
Wo finden sich die auflagenstärksten Lyrikveröffentlichungen? – Richtig: im Kassenbereich der Buch- und Geschenkeläden. Und zwar in Form winziger Büchlein und Nippesbegleiter.
Selbst die Gebrauchslyrik darbt in einem Schattendasein. Die Leute, die gereimte Geburtstagswünsche mögen, werden immer älter und älter (was leider auch den Gebrauch alter und “gebrauchter“ Gedichte erleichtert), Selbstgeschriebenes ist aus der Mode gekommen und selbst in der Werbung wird nicht mehr auf den Reim gesetzt (dafür auf schlechtes Englisch).
Aber nun ist das zum Glück vorbei. Jubeln ist angesagt. Endlich entdeckt jemand die massentaugliche Wirkung der Lyrik wieder:
Kluge Sprüche gibt’s nur beim coolsten Einrichter im Ruhrgebiet!
Wenn das mal kein Versprechen ist!
Also:
muss schnell eine neue Anbauwand her!
Öhm … na gut, dass ist jetzt nicht gerade die hohe Schule der Reimkunst und manch einer mag sich auch über die Anlehnung an “Bauernregeln“ echauffieren wollen, Aber wie heißt es so schön: In der allergrößten Not, frisst der Teufel auch Fliegen ohne Brot (so oder so ähnlich).
Immerhin geht es um Gebrauchslyrik. Da sollten die Ansprüche nicht so hoch gehängt werden:
packt er alles auf die Möbel drauf!
Na gut … zumindest eine Aussage wäre nicht schlecht, wenn einem schon keine Pointe einfallen will. Aber wir wollen doch sicher nicht so pingelig sein, wenn es endlich mal lyrische Gehversuche in den Zeitungsbeilagenwerbeblättern gibt.
fällt er auf den Boden. AUTSCH!
… obwohl ein zusätzliches “N“ schon schöner wäre …
kann ihn nur ein neues Bett entzücken!
… auch auf das eine oder andere Wort könnte verzichtet werden …
steht schon eine gemütliche Couch bereit!
… man kann natürlich auch beides … falsch machen.
gabs am Freitag schlechten Fisch!
… aber sie können es auch passend … klauen (das Ding ist uralt).
Vielleicht ist es ja doch keine so gute Idee Lyrik in dieser Form zu verhackstückeln. Auch und gerade die Gebrauchslyrik hat das nicht verdient, sie muss schon schwer genug an den Texten von Xavier Naidoo und an der OBI-Werbung tragen.
Andererseits … genießen wir auch noch den letzten Zweizeiler, der die Hauptwerbebotschaft trägt (und darum auf fast jeder Seite prangt):
muss er ganz schön grinsen!
Dazu fällt mir nur noch ein:
Liebes Möbelhäuschen Kröger,
geht’s vielleicht noch etwas schröger?
(alle Zitate sind einem Werbeblatt des Möbelhauses Kröger entnommen: “Kröger, Die Weltstadt des Wohnens“)
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
statt die Käuferlust zu wecken.
Ne ne ne... Sachen gibts...
Schön, dass du deine Kolumne (endlich!) wiederbelebst!
Herzlichst: Uli