Alle 510 Textkommentare von Habakuk

23.04.19 - Kommentar zum Text  Worte fallen von  juttavon: "Liebe Jutta, ein ausdrucksstarkes und sprachmusikalisches Gedicht, das auch stilistisch und inhaltlich zu überzeugen weiß. Konsonanten, wenn wir sie sprechen oder singen, ebenso wie die Vokale, üben eine wirkungsvolle Resonanz im Körper aus. So wie Farben in einem Gemälde ihre eigene Sprache sprechen – ein kühles Blau, ein beruhigendes Grün, ein flammendes Rot – kann der Klang von Wörtern eine bestimmte Stimmung transportieren. Alle Strophen, so dünkt es mir, versuchen eine Balance zwischen hellen und dunklen Vokalen, weichen (stimmhaften) und harten, scharfen (stimmlosen) Konsonanten zu wahren, wobei letztere jeweils eher eine agressive, harte, zornige, trübe, gedrückte Stimmung wiedergeben. Anzufügen ist, dass Konsonanten am Wortende stets als hart und stimmlos klassifiziert werden. Vokale a, o, u, au bezeichnet man als dunkel. U und O vermitteln eine Stimmung von tiefen Tönen, von Dumpfem, von schwer Lastendem oder Bedrohlichem. „Regnet es „a, o und u“, zieht sich die Stimmung zu! Exemplarisch hier das agressive „W“ in „Wilde, Wachturm“, wenngleich das W theoretisch auch sanftes Wohlgefühl auszudrücken vermag (z. B. wohlig, warm weich, wunderbar, Wonne). Ferner das Präfix „zer“ mit seinem scharfen „z“ in Verbindung mit dem agressiven „r“ in „zerreiben“. Im Gegensatz dazu die hellen, weichen Umlaute „ä, ü“ sowie die weichen Konsonanten (b, d, f, h, m und n) in der ersten und den folgenden Strophen. Die Konsonaten „k, p, r, t“ drücken das Gegenteil aus. Zu den hellen Vokalen zählen die Buchstaben e und i. Hinzu kommen die Diphthonge äu beziehungsweise eu und ei sowie ie. Auch zu den hellen Vokalen gehören alle Umlaute, also ä, ö und ü. Auf die Konsonanten im Einzelnen einzugehen wäre zu umfangreich. Diesbezüglich wirken auch die zweite, dritte und vierte Strophe sowohl relativ düster als auch freundlich-hell, was die Klangfarbe durch die Aussprache einzelner Laute, die ja die Stimmung ausdrücken, anbelangt. In allen Strophen wird der Rhythmus und Sprachklang sowohl von Assonanzen, Alliterationen als auch Konsonanzen erzeugt, aber nicht unerheblich ebenso durch die Klangfarbe der Vokale und Konsonanten. Beispiele für Alliteration: wilde/Wachtürme, Minute/Minute, gezählte/Gewicht, fliehen/Felsen, einsam/Eindruck, Spuren/sind, Leben/Luft, Hin/Hütten, Kind/klettern, rieben/rot, Herz/Hundefell, Flügel/Flüsterwort. Beispiele zu Assonanzen: bei a: aus/Wachtürme/Sand/auf bei u: zu/Luft/Minute bei i: fliehen/in/die/sind/einsam/Eindruck/ins/stiegen/ etc. pp. Zum Inhalt einige Sätze. Das lyr. Ich beschreibt m. E. seinen rückwärtsgewandten Blick auf die Kindheit. Hände assoziiere ich mit Handeln, Begreifen, Erkennen, will sagen, Hände sind mit dem Akt der Erkenntnis verknüpft. Im weiteren Sinne könnte man das Gedicht auch als Beschreibung eines Entwickelungsabschnitts der Individuation (C. G. Jung) betrachten. Dass dieser Vorgang mit einer gewissen Agressivität einhergeht, habe ich weiter oben angesprochen. Das Ich erkennt die „Wilden“ in sich. Wild verknüpfe ich hier mit ursprünglich, unverbogen, ungezähmt, natürlich, kurzum: Das ursprüngliche Kind in uns. Das Ich erkennt womöglich sein inneres Kind. Die inneren Schutzmauern, die zum Überleben nötig waren, können fallen. Das Über-Ich in Gestalt des Eltern-Ich als Gefängnis mit Wachtürmen bildlich dargestellt, könnte auch ein Blickwinkel sein. „Zartheit“ im Gedicht meint vllt. Zerbrechlichkeit, Verletzlichkeit, „Gewicht“ evtl. Schwere, Last, Bürde. 2. Strophe: „Fliehen in die Felsen“ ist ein deutungsschwangeres Bild mit vielen Ebenen. Fels assoziiere ich mit Unveränderlichkeit, Sicherheit, Idealismus, innerer Festigkeit, Ausdauer, Standhaftigkeit und unerschütterlichem Selbstvertrauen. Allgemein kann darin auch eine starke Persönlichkeit zum Vorschein kommen, deren Leben auf einer sicheren Grundlage steht, von festen Überzeugungen getragen wird, die dadurch vielleicht aber auch etwas unbeweglich und intolerant wirkt. Wenn der Mensch auf festem Grund steht, kann er überleben. Ein möglicherweise spiritueller Aspekt könnte ebenfalls in dem Bild „Fels“ enthalten sein. Die Spuren einer Kindheit können sich ins Leben einbrennen, einen dauerhaften Eindruck hinterlassen. Wir müssen uns ihnen zuwenden, sonst bleiben sie „einsam“. „Klare Luft, Hütten“. Stickige Luft deute ich als ein Bild für unbewältigte Probleme oder die Schwierigkeit, sie zu bewältigen. Klare Luft ist das Gegenteil davon. Hütten sind ein Symbol für Geborgenheit, für einen sicheren Ort in einer bedrohlichen Situation, ein Sinnbild für Zuflucht. Sie rochen nach Milch und Holz. Milch kann für Mütterlichkeit, Geborgenheit, Zuwendung stehen. Holz ist stabil, gleichzeitig aber wandelbar und elastisch. Als Brennstoff verwendet, wird Wärme damit in Verbindung gebracht. Die chinesische Philosophie geht davon aus, dass sich die fünf Elemente Feuer, Erde, Metall, Wasser und Holz im Gleichgewicht befinden, aber sich gegenseitig beeinflussen. Daher ist es wichtig, die Bedeutung und Symbolik jedes einzelnen zu kennen, um ihr Zusammenwirken verstehen zu können. Die dritte Strophe rekapituliert einige schöne Kindheitserlebnisse. Womöglich beschreibt sie aber auch, wie ein Kind sich aus bedrückenden Umständen in seine kindliche Fantasiewelt zurückzieht. Die letzte Strophe zieht ein Resümee. Ja, wir hätten Flügel gebraucht. Kinder haben in ihrem ursprünglichen Zustand diese Flügel, bis sie ihnen gestutzt werden. Als Erwachsene haben wir diese Flügel nicht mehr, müssen es uns hart zurückerobern, wieder zum Kind werden zu dürfen. Der Trigraph und Zischlaut "Sch" in „Schulterblätter“ sowie das scharfe Z in „zwischen“ drücken vllt. nochmals Schärfe, Kraft, Zorn, Aggression aus. „Nun flieg‘ ich zu dir und zu mir mit Händen voller Worte“, will sagen, das lyr. Ich macht sich auf, mittels geistiger Arbeit sein Bewusstsein zu entwickeln (fliegen), zu Begreifen (Hände), Schritt für Schritt sich seinem Selbst (Individuation), (zu mir), anzunähern, ohne zwischenmenschliche Aspekte auszuklammern (zu dir). Ein schönes Gedicht, liebe Jutta. Klangfarbig und bildhaft. Sprachmusikalisch zudem. Gefällt mir sehr. Ein wenig lang geworden, mein Kommentar. Aber ich wollte ja noch mal doppelt zuschlagen, wie angekündigt. HG H. Kommentar geändert am 23.04.2019 um 01:27 Uhr"

05.04.19 - Kommentar zum Text  Aphorismen zum Gähnen von  EkkehartMittelberg: "Jede Kurzweil wird auf Dauer langweilig, aber nicht jede Langweile wird zwangsläufig kurzweilig. Man sollte die Langweil nicht unterschätzen. Aus Sicht der Philosophen, hier der Existenzialismus-Begründer Sartre und Camus, ist die Langeweile eine der zentralen Erfahrungen, ohne die der Mensch sein eigenes Sein nicht erkennen kann. BG H."

31.03.19 - Kommentar zum Text  Nur wenige können dir das Wasser reichen von  EkkehartMittelberg: "Immer lesenswert, dein Dichter-Bedichten. Deine Inspiration scheint unversieglich. BG H."

27.03.19 - Kommentar zum Text  Es wird still um einen Großen von  EkkehartMittelberg: "Allemal lesenswert und informativ zudem. Gekonnt in die Form eines Sonetts gebracht. BG H."

24.03.19 - Kommentar zum Text  Konsequenz von  EkkehartMittelberg: "Wer nicht ganz dicht ist, sollte jedes Gedicht so lange verdichten, bis lediglich ein Punkt übrig bleibt. Und der ist letztendlich auch überflüssig. ;-) BG H."

24.03.19 - Kommentar zum Text  Nicht kurz genug von  EkkehartMittelberg: "Dem stimme ich zu, Ekki. BG H."

14.03.19 - Kommentar zum Text  Egal von  LottaManguetti: "Lotta, der Text ist zwar für den Arsch, aber so viel kann ich dazu sagen: So groß kann gar kein Arschloch sein, als dass ich hineinkrieche. ;-) BG H."

14.03.19 - Kommentar zum Text  Arschlöcher von  EkkehartMittelberg: "Dem Arschthema will ich mich dann auch nicht entziehen, Ekki. Mir gehen sehr viele am Arsch vorbei, aber am Arsch lecken können und dürfen mich nur sehr wenige Auserwählte. BG H."

12.03.19 - Kommentar zum Text  Eine Lampe erzählt von  EkkehartMittelberg: "Liest sich sehr angenehm, Ekki. Ein gefühliger und zudem sinnreicher Text. Gefällt mir. BG H."

01.03.19 - Kommentar zum Text  Heimat von  juttavon: "Ein feines Gedicht. Bildhaft. Sprachmusikalisch, wozu auch der Rhythmus gehört. Sinnhaft. Dass die klangliche Atmosphäre eines Gedichts u. a. durch Verwendung von Assonanzen und Konsonanzen mitbestimmt wird, bedarf eigentlich keiner Erwähnung mehr. In deinen Gedichten fällt es mir immer wieder auf. Die hellen Vokale e und i erzeugen eine positive Stimmung. Ebenso die Diphthonge und Umlaute, die beide ja zu den hellen Vokalen zählen. Das G steht für den Anfang. Es bringt etwas ins Rollen. Beispielsweise in Wörtern wie Güte, gehen, geben, glühen, gleiten, Gang … L macht weich, weit, warm, N wird ganz weich ausgesprochen. Er löst und entspannt. O und U, die als dunkel bezeichnet werden, vermitteln eine Stimmung von tiefen Tönen, von Dumpfem, von schwer Lastendem oder Bedrohlichem: vom hohen Dom der Glockenton; das Grollen des Donners. U- und O-Klänge zeugen auch von Zorn, Groll und Unmut. Das U taucht ein paar Mal auf in dem Gedicht. Das O sehe ich nicht. Das A gleichfalls als dunkler Vokal bezeichnet wird, sehe ich nicht ein. Er kommt nämlich häufig vor bei deinem Gedicht. Das A zeigt Aufrichtigkeit und Stärke (tapfer, standhaft). Die Bibel beginnt mit einer Häufung von A (Am Anfang war das Wort). Das A wirkt zudem feierlich. Auch bei der Beschreibung des Abendmahls im Bibeltext ist das A in der Überzahl: „Nahm er das Brot, dankte, brach‘s und gab‘s ihnen und sprach.“ Eine positive Stimmung schreibt man auch weichen Konsonanten wie v, b, d, g, h, n, l zu. Das G steht für den Anfang. Es bringt etwas ins Rollen. Beispielsweise in Wörtern wie Güte, gehen, geben, glühen, gleiten, Gang, ... L macht weich, weit, warm, N wird ganz weich ausgesprochen. Er löst und entspannt. So viel zu den Stilmitteln des Gedichts. Nun ja, Theorie und Praxis ... ;-)) Ob das jetzt alles nötig war? Nein! Aber wer mir dauernd solche ausführlichen Kommentare schreibt, darf sich nicht wundern. Auge um Auge, Zahn um ... ;-) Heimat ist für mich da, wo mich ein warmes Herz umfängt. In Gottes Natur, im Grün sanfter Hügel, zwischen Felsen, oder am Meer, ja, da kann auch ein Hauch von Heimat wehen. Viele Gedanken sind schon über den Heimatbegriff gewälzt worden. Mit einem gehe ich sehr konform: „Where we love is home – home that our feet may leave, but not our hearts“ (Oliver Wendel Holmes, amerikanischer Arzt und Schriftsteller). Da, wo Heimat und Kindheit aufeinanderprallen, stellen sich u. U. ungute Gefühle ein. Heimat durch Gewalt oder Verlust zu verlieren, was infolge unterschiedlichster Ereignisse geschehen kann, auch im zwischenmenschlichen Bereich, ruft zunächst einmal Trauer hervor. Doch der Gedanke von Holmes behält seine Bedeutung. Unabhängig von welchen Geschehnissen auch immer. So sehe ich es. So, nach zwei Anläufen: Es ist vollbracht. Die letzte Strophe ist wunderschön und stimmig für mich. Nicht nur die letzte Strophe. Das gesamte Gedicht. ;-) HG H. Kommentar geändert am 01.03.2019 um 13:19 Uhr Kommentar geändert am 01.03.2019 um 13:37 Uhr"

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