KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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BRIEFE AN HERRN ANDRÉ ÜBER DIE LITERATUR 13
712. Kolumne
28.12.2004
Lieber Fabian André,
hier nun die versprochene Liste von Autoren, die ich Ihnen sehr empfehle. Was daraus wird, entscheiden Sie natürlich (und die Autoren). In der Anlage die Liste und die Erzählung DER WALFISCHBAUM. Und ein Foto meines Enkelkinds Felix mit meinem Sohn. Ihnen alles Gute! Ihr Damonte
2.1.2005
Guten Morgen, lieber Damonte,
besten Dank für prompte Antwort. Dank fürs in der Tat sehr optimistische Foto und Ihre Repplik. An den Sonnenkönig hatte ich mich schon gewöhnt, ein ander Mal verglichen Sie sich mit dem Sonnengott Apoll. Und nun Gott. Ein wenig gewagt, mokant-provokant; aber zumindest sehr gescheit sind Sie ja... Ich glaube schon, dass es neben der persönlichen Tragödie, die Sie ja erst durchleben mussten, auch dieses kollektive Unheil, Unglück gibt. Nennen Sie es Heuschrecken oder Hunnen oder Lothar oder Hitler, der sich anschickte eine ganze Welt in den Abgrund zu reißen. Es ist gewiss nachdenkenswert, wieso wir immer wieder von großen Plagen heimgesucht werden: als wäre das Leben nicht auch so schon mühselig und beladen genug. Große Überflutungen gehören nun mal zur Begleitmusik der Menschheitsgeschichte. Auf der andern Seite ist es der Sand, der alles unter sich begräbt oder die Lawinen in den Alpen. In diesem mittleren Neckarraum, in dem ich lebe, ist alles klein und eng beieinander, es fehlt das Kolossale, wie mir einmal ein US-Bürger ein wenig von oben herab sagte. Aber es fehlen hier auch die großen widrigen Umstände, wie sie etwa Tornados mit sich bringen. Gott hat hier ein sanftes Gesicht, fast umgänglich zu nennen. Jahwe ist eine Ausgeburt der Wüste. Ein Gott der eigentlich nicht gibt, aber die Rache immer parat hat. Seien Sie herzlich gegrüßt Ihr Fabian André
Lieber Fabian André, nehmen Sie Gott nicht so wörtlich. Andererseits: Ich glaube, dass es Gott nicht gibt, dass wir aber Göttliches in uns tragen: Die Fähigkeit unser Leben zu gestalten und so uns selbst zu erschaffen. Ich empfinde mich als Schriftsteller wie ein Schöpfer - ohne Wahn. Ich bin Auctor (augere = vermehren), weil ich meine biologischen Determinanten, die ich nicht leugnen kann, wenigstens partiell übersteigen will. So gesehen ist mir Schopenhauers Philosophie, wenn ich sie mit Camus (Der Mythos von Sisyphos) verknüpfe, am nächsten. Daher meine Liebe zu Thomas Mann, den ich auch wegen seiner Sprache bewundere. Ich kann ohne Sprache, ohne Kunst nicht leben, ich will Dichter (oder Schriftsteller) sein. Ich kann die Welt nur ertragen, wenn ich mein Leben so gestalte, dass ich die Welt in meiner Arbeit verändere, indem ich sie bewusster mache (auch als Lehrer). So gesehen teile ich Ihren Standpunkt, für die Dichtung zu leben, vollkommen. So ein kleiner Gott will ich sein. Das ist nicht vermessen. Sie hatten mich im Sommer 2003 nicht falsch eingeschätzt. Ich bin - trotz meines großen Verlusts - ein Kind des Glücks: Weil ich die starke Kraft und Lebensbejahung habe und immer schon hatte. In meiner nicht eben leichten Jugend war es schon so. Ich habe in meiner Familie seit Jahren den Spitznamen Doppelphönix. ICH BIN PHÖNIX, DOPPELT. Ich habe nur eine leichte Neigung zur Melancholie, gerade soviel wie nötig um zu schreiben, nicht mehr. Wenn ich ganz alt bin, verstärkt sie sich wahrscheinlich. Aber das dauert noch. Ich rechne mit einem langen Leben. Sie schreiben, dass Ihre Welt am Neckar klein und eng sei. Mag sein. Auch am Rhein ist nicht die große weite Welt, auch in Berlin nicht überall, und auch nicht in New York oder London oder Paris. Ach was. Das Schicksal schlägt überall zu. Oder: Das Schicksal, unser eigenes, gestalten wir überall. Wir können heute überall ins Netzwerk der Literatur einsteigen. In diesem Netzwerk fühle ich mich versponnen und wohl. Es tut mir gut, mit Ihnen im Gespräch dieses literarischen Netzwerks zu sein. Anbei diesmal ein paar Aphorismen, die einzigen, die ich bisher schrieb. Wir haben viel gelacht damals, als diese Lebenslauf-Gedanken in der Provence (Cotignac) entstanden. Viel Spiel ist in den Sätzen, aber das Spiel ist ernst oder kippt ins Ernste. Her(r)(z)lichst: Ihr Damonte
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