KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Capriccio
797. Kolumne
Caro Stefano,
Er stand schon auf seinem Balkon, mein Pirandello, als ich vom Fahrrad stieg. Ich band mein Peugeot-Rad ans Geländer der Kaiserplatzwiese und setzte mich an den Tisch der Gelateria in der Sonne, die gerade über der Spitze der Kreuzkirche stand, und schaute auf zu ihm, der beide Arme in den Morgen reckte: „Bongiorno!“, rief er zum Himmel, Gott zum Gruß und zum Wohl der ganzen Stadt, wandte sich dann zu mir: „Come va, Signore Damonte?“ – Und ich: „Eccelente, Signor Pirandello, fantastico!“ – Eine junge Dame am Nebentisch drehte sich um, folgte verwundert meinem Blick zum Balkon und sagte mit halb zugekniffenen Augen: „Pirandello? Der ist doch schon lange tot!“ – „Aber ich sehe ihn doch auf seinem Balkon“, sagte ich, „ich höre ihn, und er hört mich!“ – Die junge Frau, lächelnd: „Da oben steht doch keiner!“ – „Meinen Sie?“ – „Mein Herr, Sie träumen wohl?“ – „Haben Sie etwas gegen Träume?“, sagte ich. – „Nein, aber ...“ – „Sie sind schön, Madame, darf ich mich zu Ihnen setzen?“ – „Ja ...“, sagte sie, stand auf und fügte im Weggehen hinzu: „Tun Sie einfach so, als sei ich da!“ – Da dachte ich: O capricciosa realtà! – „Wie wahr!“, rief Pirandello, „wie wahr!“
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