KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Freitag, 07. April 2023, 20:47
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Das Reich der Mitte - die goldene Mitte?

835. Kolumne

In einer Rezension versucht Diefenbach teilweise, ausgleichend in die Mitte der seiner Meinung nach extremen Lager zu gehen, teilweise ergreift er deutlich Partei für das Lager der Chinakritiker. 
Mich erinnert da einiges an den Historikerstreit, was das Aufstellen von Theorien angeht, nur ist geht es hier nicht nur um die Interpretation der Vergangenheit, sondern auch um die Zukunft, die beide Seiten widerlegen oder wenigstens relativieren kann. 
Die einen sind pragmatisch gutgläubig und wollen neben einer gerechten Beurteilung Chinas eine kooperative Zukunft - die anderen misstrauen (motiviert durch Antikommunismus und Glaube an die moralische Überlegenheit des Westens, beflügelt von Angst vor einer Parallele zum Revisionismus Putins) und fühlen sich sicherer im Schutzschild der US-geführten NATO, so dass sie die Unmoral der westlichen Schutzgroßmacht billigend in Kauf nehmen. 
Ich sehe mich in diesem Streit ungefähr in der Mitte, aber mit gutem Willen für eine weitere Zusammenarbeit mit China. Meine Skepsis bleibt natürlich nach der Widerlegung einer prinzipiell richtigen europäischen Russlandpolitik in diesem Jahr. 
Offenbar spielt die Interpretation der Geschichte (Rolle der KPCh, Taiwan) eine enorme Bedeutung für den Streit unter Sinologen, weil die Interpretation der Geschichte wesentlich erscheint als Begründung der jetzigen politischen Haltung. 
Ich denke, es ist wichtig, Aspekte der Zukunftspolitik im Auge zu behalten. Dazu gehört auch die realpolitische Einsicht in die Machtmöglichkeiten, die China militärisch, politisch, wirtschaftlich hat, was bald dazu führt, dass Taiwan an China fällt. Ich hoffe, dass China geduldig bleibt und mit politischer Eleganz, also mit zarter Gewalt handelt, die möglichst auch die Selbstreflexion einschließt: also Änderung der gesellschaftlichen und Herrschaftsverhältnisse auf der Basis der bürgerlichen Selbstverwaltung - erst dann wird China eine Stärke gewinnen, die gigantisch ist; es muss sich ja nicht für die westliche Demokratie, schon gar nicht die fragwürdig gewordene in den USA, entscheiden. 
In außenpolitischen Fragen ist moralistisches Handeln unsinnig und geradezu dumm; etwa die Aussage, wir Deutschen verteidigten im Hindukusch unsere Freiheit etc. Ein wenig mehr Talleyrand wäre nötig. Im eigenen Lager (mit den USA) gelingt uns ja der Pragmatismus vorzüglich - wozu also dann unsere Doppelmoral? Werden wir im südchinesischen Meer etwa unsere Freiheit wieder einmal verteidigen? Ist es nicht eher so, dass die USA mit einer eleganten Lösung der Taiwan-Frage hoch zufrieden wären?

 

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