KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Tellkamp
854. Kolumne
Tellkamp leidet darunter, seine Bücher veränderten in einer liberal-kapitalistischen Gesellschaft nichts im Gegensatz zur DDR, wo die Schriftsteller vergleichsweise viel Wirkung hatten. Daran stimmt manches, nur waren viele DDR-Schriftsteller stets in der Gefahr, so eine Art Staatsdichter zu sein, und elementare Kritik am DDR-Sozialismus und -Staat war nicht möglich, ohne die staatliche Alimentierung per Zuteilung von Veröffentlichungen in VEB-Verlagen zu riskieren ... (Dass trotzdem in so manchen Gratwanderungen literarisch Großartiges herauskam, ist kein Gegenbeweis - denn gerade hier zeigt sich ja, dass der DDR-Staat ähnlich verfuhr wie die liberalistische Westgesellschaft.
Aber: Dieser Aspekt erklärt noch nicht Tellkamps Abdriften in rechte Gewässer.
Ich schrieb dir schon, dass ich von Tellkamps literarischer Qualität nicht so viel halte. Dass sein Dichtertum darunter litt, dass seine inhaltlichen Schreibfähigkeiten weit unter seinem grammatischen Vermögen lagen, halte ich für untersuchenswert. Im Grunde beschreibt Tellkamp das Leiden einer bürgerlichen Elite unter dem DDR-System - und das ist eben zu wenig. Zwar ist nicht alles schlecht in diesem Roman DER TURM, manches ist auch interessant, manches hat auch nicht nur mit Systemfragen zu tun, wie etwa der Dienst des jungen Sohns in der NVA und sein folgenschweres Verhalten (es ist noch das Beste am ganzen Buch) - und doch bleibt der Roman irgendwie kalt und septisch ...
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Neo Rauchs Bild DER ANBRÄUNER habe ich mir im Internet angesehen. Der Maler W. U. (gemeint ist ein Kunstkritiker, ein ehemaliger Kunstprofessor in Karlsruhe) sitzt über einem Topf, aus dem er die Fäkalien herausholt und damit eine Hitlerkarikatur malt, offenbar um Kritik an Nationalisten als minderwertig zu brandmarken. Das künstlerisch wenig überzeugende Bild, selbst eine Karikatur, wurde für 750.000€ verkauft. Natürlich bewegt auch Neo Rauch politisch mit seiner Kunst nichts. Und das verbindet ihn mit Tellkamp.
Tellkamp ist im besten Fall ein idealistischer und DDR-nostalgischer Träumer, der sich in seiner Unzufriedenheit teils unbewusst, teils aber auch bewusst, allzu sehr nach rechts verirrt. - Tellkamp erhielt vor Jahren den Deutschen Buchpreis; vorher den Bachmann-Preis für den Prolog des TURMS. Ich halte die deutsche Preisverleihung für abgesprochen und politisch motiviert. Den Bachmann-Preis habe ich auch nicht verstanden, denn der Prolog zum TURM ist eigentlich nur so eine sprachliche Kamera-Fahrt aus der Luftbildhöhe nach unten auf Dresden zu und ansonsten ziemlich langweilig.