KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Freitag, 28. März 2008, 11:16
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Latium. Fünf Elegien im alten Stil

I
Senso Unico

Es führen, so lehrt die Sentenz, alle Wege immer nach Rom,
Sie führen zur Stadt hinein und lassen uns wieder hinaus -
So denkt man. Doch Rom, das geliebte, entlässt den Liebenden ungern.
Die Straßen der lockenden Stadt gleichen dem Netz einer Spinne.

Kaum findet der Fahrer die Richtung, verfährt er sich schon.
„Senso unico“ lesen wir alle mit starrem Entsetzen,
Am Ende gezwungen zur Umkehr, suchen erneut wir den Anfang.
Endlich, denk ich, erreicht unser Bus die Milvische Brücke,

Wir sehen die via Cassia nah vor unseren Augen,
Da täuscht unser Führer erneut sich, er folgt einem Schild, und wir fahrn
In die Irre! Er findet erst spät die richtige Straße zum Ziel.

Morgen beginnt das ganze Spiel noch einmal von vorn,
Macht nichts, du darfst dich immer wieder verfahren – es führen ja
schließlich alle Wege in Rom zu uns selbst.



II

Caffe Greco

Omnibus nennen die Römer das Greco. Da tranken sie Süden:
Winkelmann, Goethe und Heine ... Ein Treffpunkt für alle
Mit Roma:Amor. Was heute vergeht, wird morgen erneuert,
Im stetigen Wechsel verbünden sich hier die Kunst und das Leben,
Sodass der berühmte Besucher aus Weimar in Rom begriff,
Was Klassik bedeutet - heiteres Maß gelebter Berührung
und tiefer mit traumvollen Augen gesehner, erlittener Welt.
Ach, der Geliebten, von der Wolfgang Goethe in Distichen schwärmte,
wäre ich selbst gern begegnet. Sie ist ja im Bild mit den
Zärtlich am Rücken geklopften Hexametern wirklich geworden...
Da kommt der Espresso! Die Sonne geht auf! Buon giorno!



III
Pantheon

Mathematik ist das Kleid der Ideen und weist als Gleichnis
den Weg zur harmonischen Ordnung der Dinge: Die Kugel,
utopische Ganzheit, erträumt sich Verankerung als halbgewordene
Realität auf fester zylindrischer Basis.
Es passt der Würfel des Säulengebäudes ins kuglige Rund -
nicht aber umgekehrt - schade!



IV
Fontana di Trevi

In der Fontana di Trevi zerfließt auf den Steinen Erinnerung,
doch bleibt der erlebte Moment auch hier noch gewaltiger,
und tiefere Sehnsucht nach morgen und neuer Erinnerung erfüllt alle
Herzen. Die Augen erkennen im gläsernen Fallen
des Wassers die Dreiheit der Zeiten, in der alle Kraft sich entfaltet.
Immerwährend sammeln und geben die Becken
und schenken ihr Wasser, das eine gibt sich dem anderen weiter,
bis schließlich das unterste scheinbar das Ganze bewahrt -
Kunststück! Es ändert sich nichts. Das Wasser will weiter noch fallen,
sich sammelnd und gebend zerstäuben. Bewahren. Sisyphos.



V
E come vivo?

Aus Regennordens so trüben und lastenden nebelmüden
Ebenen kommen die Reisenden, Meile für Meile vom Wagen
Über gebirgige Pässe zu Hügeln der Sehnsucht getragen,
Wo Schatten und wärmendes Licht einander vertragen, nach Süden.

Da liegt in flimmernder Sonne der Trasimenische See,
Silberpapierne Fläche inmitten zypressenbewachsener Hänge,
Obenan schmiegt sich das Haus in wildere Gartenenge
Ans hüglige Ufer, als wär's der Natur entwachsne Idee.

Oliven, Lavendel, Tomaten und Paprika wuchern am Wege,
Auch Rosmarin, Majoran, Äpfel und Birnen erwachsen der Schräge
Des Hanges. Und schwebend ertönen Puccinis beseelende Klänge.

Fast trügerisch sucht die Idylle ihr Sein in sich selbst zu erfahren,
In Form gegossene Inhalte schaffen des Lebens Gesänge.
Die größeren Träume vermögen sich immer als Kunst zu bewahren.


VI
O Orte! ihr edlen, ihr treuen, ihr klagt gar trefflich,
dass mir’s zur Ehre gereicht! – Ihr trauert, dass ich euch
schmählich in deutscher Ferne alleine gelassen – doch war ich
selber noch trauriger! Fehlte mir – da ich ins Bett mich verbannte,
der ich, von Schmerzen gepeinigt, nichts anderes dachte als euch.
Doch jene Gemeinschaft mit euch, latinische Hügel,
die zu genießen mir lange schon glückliche Fügung bedeutet,
und Ostia samt etruskischer Küche: Das habe ich leider verpasst,
ich hätte das alles gerne erlebt – doch war mir, amici,
jede mit euch verlorne Minute der herbste Verlust!




[Die vorletzte Elegie ist - wie die anderen - in der äußeren Wirklichkeit keine Elegie, und sie betrifft Umbrien, nicht Latium; aber ich bleibe bei dem Titel für das Ganze, weil in der hintersten oder untersten Schicht der Verse letztlich doch etwas Elegisches steckt, eine Wahrnehmung von Sein und Zeit, die Melancholie evoziert...]

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Elias† (63)
(28.03.08)
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