KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Freitag, 25. September 2009, 14:40
(bisher 2.907x aufgerufen)

DIE WAHL DER QUAL

164. Kolumne

Am 27.9. vor 35 Jahren war mein Hochzeitstag, da schien die Welt noch in Ordnung zu sein, eine überschaubare Demokratie trotz aller Affären - Helmut Schmidt war nach der Guillaume-Affäre Nachfolger Willy Brandts geworden, und ich erinnere mich, dass damals die FDP das Zünglein an der Waage war - wie schon seit Jahren und später auch wieder: 1982 und 1986, 1990, 1994 - und dann war endlich Schluss damit. Jetzt gab es die Grünen, und die lösten das Bündnis der Bürgerlichen und des Mittelstands endlich ab.

Jetzt droht dieses Bündnis erneut zu gewinnen. Allerdings ist die von Angela Merkel modernisierte CDU nach links gerutscht, bleibt aber in der Mitte, während der Ruck der SPD in diese Mitte zum Verlust vieler Wähler an die Linke und die Grünen führte.
Jetzt haben wir eine größere Partei (CDU mit CSU), die aber auch nur noch ein gutes Drittel der Stimmen erhält; eine mittelgroße Partei (SPD) und drei nicht einmal kleine Parteien dahinter (FDP, Grüne, Linke).
Das ist nicht mehr überschaubar, und die Koalitionsmöglichkeiten sind begrenzt bzw. äußerst schwierig. Wenn Schwarzgelb nicht kommt, dann droht eine weitere Große Koalition, in der beide Partner nicht gewinnen können. Das Fünfparteien-System konsolidiert sich. Schlimm? Nein. Gut? Auch nein.
Mir wäre lieber, wir hätten einen klaren Gewinner und eine klare Opposition.
Ich wiederhole: Schwarzgelb kann keine gute Lösung sein. Da wäre die Regierung tatsächlich, wie Marx es sagte, der Ausschuss des Kapitals. Das wäre eine demokratisch gegen das (Lohn-)Volk gewählte Regierung, also demokratischer Masochismus.
Andererseits: Die ideologischen Holzköpfe der SPD erstarren in Unbeweglichkeit. Sie haben sich vom Lohnvolk verabschiedet. Sie finden kein Rezept für die Wiedervereinigung mit den Abtrünnigen. Der Weg zum Selbstbewusstsein (Wir sind die Partei) und gemeinsamen Sein (Wir sind eine Partei) ist ihnen zu steil. Sie haben Angst vor den Sternen. Und die Große Koalition fortsetzen hieße, diesen Zustand festzuschreiben. Das kann doch nicht gut sein. So eine Politik wird die drei kleineren Parteien weiter stärken und damit die Nichteffizienz eines unnützen Pluralismus. Aus solcher Entwicklung resultiert auch das Ohnmachtgefühl vieler Bürger, die dann lieber nicht wählen gehen, was aber (unter augenblicklichen Bedingungen) noch dümmer ist, als zum Beispiel NPD zu wählen.
Die Linke zu wählen, ist nicht wirkungslos, denn das zwingt auf Dauer die SPD, sich auf ihre alten Werte zu besinnen. (Ich kann die Linke nicht wählen, da ist mir noch zuviel PDS-SED drin und Frau Wagenknecht ist mir zu orthodox verbohrt im Beton-Sozialismus alter Prägung.)
Das deutsche Wahlvolk hält sich für fatal realistisch: Stärken wir die Wirtschaft, dann gibt die uns Arbeit und dann geht es uns gut. Eine verständliche Haltung, aber immer noch verdammt nah dran an der Verehrung des Vater Staat… und das ist keine Lösung für unsere sozialen Probleme: Weder die CDU noch die CSU wird soziale Probleme anders lösen wollen als mit ‚christlichen’ Almosen - und die F.D.P. ist die allerletzte Partei, die an der Lösung der sozialen Frage interessiert ist. Diese Partei ist eben völlig unkompetent in Volksdingen! Ihre Losung lautet: IHR BONUS SOLL SICH WIEDER LOHNEN ! Nichts anderes! Es geht um Steuersenkungen für die Bestverdiener, die Elite des Volks, diejenigen, die nicht krank werden, für die Hochbegabten. Die Schwachen, die Kranken, die Armen - ja die hätten eben vorsorgen sollen, jeder kann einen Bonus erkämpfen! Jeder, der keinen Bonus bekommt, ist selber schuld, er hätte eben mehr dafür tun müssen… Dieses Denken ist krank. Aber über 10 Prozent der Wahlbürger scheinen diesem ‚Denken’ anzuhängen, viele wollen wenigstens virtuell zu den Wohlhabenden gehören. Rotarier aller Länder, vereinigt euch!

Wie schön waren die Zeiten, als die F.D.P. darum bangen musste, die 5-Prozent-Hürde zu überspringen. Jetzt aber träumt sie noch lauter die Vision von den 18 Prozent ihres göttlichen Fallschirmspringers, der in den Ewigen Jagdgründen am gelben Telefon sitzt und auf den Anruf wartet: „Melde gehorsamst, 18 Prozent! Wir können gar nicht mehr umfallen, wir stehen fest auf dem Boden der Bonusrepublik Deutschland!“

Ulrich Bergmann, 24.9.2009

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (26.09.09)
Och neeeee, bitte nicht noch eine Wahl-Kolumne!

 Bergmann (27.09.09)
Nach der Wahl:
Ich bleibe bei meiner These: Wahl der Qual.
Hinzufügen will ich nun meine Wünsche zur Erneuerung der SPD.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram