KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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ÜBERLEGUNGEN ZUR STERBLICHKEIT (von loslosch)
216. Kolumne (von loslosch) / 8. Gastkolumne
Eine Erörterung zum Thema Alter
Nemo enim est tam senex, qui se annum non putet posse vivere (Cicero, 106 v. Chr. bis 43 v. Chr.; Cato maior de senectute). Keiner ist so alt, dass er nicht glaubte, noch ein Jahr leben zu können.
Cicero referiert hier die Lebensweisheit von Cato dem Älteren (234 bis 149). Eine wohl wenig überzeugende Aussage angesichts der vergleichsweise niedrigen Lebenserwartung in der Antike. Wer allerdings das Risiko der hohen Säuglingssterblichkeit überwunden hatte und später nicht in kriegerische Auseinandersetzungen involviert war, durfte im Schnitt mit mehr als 55 Lenzen rechnen. Gehörte er der Oberschicht an, waren es gut und gern ein paar Jährchen mehr. Sinnvoll wird der Ausspruch nur in der Interpretation: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
In einer SPIEGEL-Ausgabe des Jahres 2010 erfährt der Leser: "Das Risiko eines Deutschen, innerhalb der nächsten 365 Tage zu sterben? 1 zu 88." Stimmt das denn? Präzise drückt der Satz aus, dass die Lebenserwartung des Geburtenjahrgangs 2010 88 Jahre ist, aus heutiger, leicht extrapolierter Sicht. Nicht gilt der Satz für alle heute lebenden Deutschen. Deren Durchschnittsalter liegt bei etwa 44 Jahren. Das Zitat müsste dann korrekt lauten: " ... 1 zu 44". Deutschland, eine sterbende Gesellschaft. Obwohl: 88:2 ergibt 44. Dies ist die Relation in einem stationären Bevölkerungsmodell, wenn die Zahl der Sterbefälle stets mit der Zahl der Geburten eines Jahrgangs übereinstimmt, so dass, über einen längeren Zeitraum betrachtet, eine gleich große Zahl der Population über wie unter dem Durchschnittsalter liegt (arithmetisches Mittel und Median, auch Zentralwert genannt, fallen hier zusammen). Deutschland mit seiner relativ niedrigen Geburtenrate wird auf Dauer eine Relation von etwa 90:50 (Lebenserwartung durch Durchschnittsalter) erreichen, also 1,8.
Wollte man die Aussage Catos d. Ä. auf die Gegenwart übertragen, läge die Wahrscheinlichkeit aller erwachsenen Deutschen, binnen Jahresfrist das Zeitliche zu segnen, bei 2,7%. Eine kaum zu vernachlässigende Größe. Zur Römerzeit lag sie erheblich höher. Fazit: Cato d. Ä. zielte, in den Worten Ciceros, auf den Optimismus seiner Zeitgenossen. An dieser Fehleinschätzung hat sich bis heute kein Jota geändert.