KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Dienstag, 28. Juni 2011, 10:11
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Et ego in Arcadia

259. Kolumne

Zur Villa d’Este äußert sich Goethe in der Italienischen Reise nur knapp. Er fand die Wasserfälle interessant. Es sieht so aus, als habe ihn die Technik des Parks viel mehr bewegt als die Kunst. Sein Hauptziel war wohl die Hadrian-Villa und der Vesta-Tempel. Eine grundsätzlich weise Beschränkung.
Abgesehen von seiner Neugier für das gesellschaftliche Leben in Italien, die Museen in Rom, abgesehen von seinen in Italien geborenen literarischen Sachen, seiner Entscheidung zwischen Malerei und Dichtung, der Suche nach der Urpflanze, abgesehen von der fast verschwiegenen Entdeckung sexueller Lust, vielleicht auf dem römischen Strich - von all dem abgesehen, ist es wohl so, dass das dichterische Künstlerherz nach Sizilien zu den dorischen Säulen strebte, bis es die schönsten und wahrsten in Paestum fand. Hier fand er das Wesen seines gesuchten Klassik-Begriffs, ohne dieses Ideal jemals in einem literarischen Werk - auch nicht in der Iphigenie - zu realisieren. Iphigenie ist kein dorischer Tempel, und ohnehin wäre ein dorischer Tempel aus Buchstaben langweilig.
Das Klassische muss in der Dichtung neue und zeitgemäße Kleider tragen und wird immer etwas anderes als Paestum sein, dessen Idee als Energiequelle dienen kann, nicht aber als Architekturzeichnung für ein Drama oder einen Roman.
Die Sehnsucht nach der Harmonie von Form und Inhalt, dem Gleichgewicht von Schönheit und Wahrheit ist damals gepflanzt worden.
Längst war Goethe auch von romantischen Ideen entzündet, am deutlichsten zeigt sich dies in seinen malerischen Versuchen, am subtilsten aber in den Wahlverwandtschaften, und natürlich im Faust. Dieser romantische Geist, vor allem die Sehnsucht nach dem Erreichen des Ideals einer besseren Welt in Anerkennung unveränderlicher Realien, lebt bis heute in den Köpfen aller Dichter und Künstler - ich finde es nicht übertrieben in Joseph Beuys den radikalsten Romantiker unserer Zeit zu sehen.
Et ego in Arcadia unter römischen Trümmern.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (23.07.11)
Tu quoque, Bergmann?

Die Thomas-Mann-Anhänglichkeit gerade verziehen, muss ich bemerken, dass auch Du einen Heiliger-Goethe-Schrein zu Hause stehen hast???

Nicht mehr Dein Kolumen-Fan:

Dieter Rotmund...

 Bergmann (23.07.11)
Ich habe keine Altäre, ich stelle weder Th. Mann noch Goethe auf einen Sockel. Ich lese (!) einige ihrer Bücher gern - und trotzdem auch kritisch. Auch in dieser Kolumne schreibe ich (zwischen den Zeilen) durchaus kritisch und im übrigen übergreifend.
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