KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Richard Wagner und die Ironie
299. Kolumne
Die polemischen Angriffe meiner Lehrer gegen Wagner haben mich motiviert, seine Opern noch intensiver zu hören, zu sehen und zu lesen. Die Inszenierungsideen - auch schon in den 60er Jahren! - zeigten mir, dass Wagner anders zu verstehen sei, als mir einige Lehrer in ihrer Feindlichkeit gegen das Bildungsbürgertum (noch vor 68) zu vermitteln versuchten.
Im übrigen hat mein Großvater immer aus Lohengrin gesungen. Wenn meine Großmutter ihn was fragte, sang er „Nie sollst du mich befragen!“ ... Meine erste Wagner-Oper war Der Fliegende Holländer, dann Lohengrin, zuletzt Die Meistersinger, denen ich die musikalische Kraft nie zutraute; das war meine Vorurteilsfalle.
Wagners Ring sehe ich als ein poetisches Manifest für die Mündigkeit und die Gebrochenheit des modernen Menschen, auf einer Stufe mit Nietzsches Zarathustra, und zum Glück ist Wagners dichterisches und musikalisches Werk frei von Antisemitismus. Die nationale Zustimmung in den Meistersingern ist marginal und kippt fast von selbst ins Komische.
Wagner und die Ironie - nein (von den MEISTERSINGERN, der einzigen Ausnahme, mal abgesehen). Aber da steht er nicht allein unter den Opernkomponisten. Auch Verdi hat mit FALSTAFF nur eine komische Oper geschrieben.
Vielleicht lässt sich - vor allem in Wagners Ring - im Zusammenhang mit der Leitmotivtechnik immer wieder auch ein ironischer Kommentar der Handlungen, Gefühle und Gedanken der Akteure und Situationen deuten. Aber das wäre eine sehr subtile Ironie.
Nicht frei von Ironie ist Wagners Tod in Venedig: Das Hausmädchen fand ihn zusammengesunken an seinem Schreibtisch über den Worten „Gleichwohl geht der Prozeß der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe - Tragik“. Er sagte noch: „Meine Frau und der Doktor“, bevor er in Bewusstlosigkeit fiel und gegen 15:30 Uhr in Cosimas Armen starb.