KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Dienstag, 17. Juli 2012, 21:37
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Circumzision

310. Kolumne

Wikipedia: "Medizinhistoriker vermuten, dass bereits im Altertum die Beschneidung zur Kontrolle des Geschlechtslebens der Sklaven und der Unterschicht dienen sollte, ohne gleichzeitig die Fruchtbarkeit zu beeinflussen. Religionsgeschichtlich kann eine Erklärung des Brauchs als Ablösung vom Menschenopfer gesehen werden. In vorgeschichtlicher Zeit wurden den Göttern, die besänftigt und milde gestimmt werden sollten, Menschen als Opfer dargebracht. Auch war die Kastration von unterworfenen Feinden und Sklaven üblich. Im Zuge religiöser Umbrüche opferte man schließlich nurmehr etwas von jenem Teil des Mannes, der für die Weitergabe des Lebens zuständig und sogar der Ursprungsort für neues Leben war und damit Gott beziehungsweise den Göttern am nächsten stand. Diese Reform war ein Pars pro toto-Opfer, das in der biblischen Tradition – und für den skizzierten Zusammenhang von Menschenopfer (hier Opferung des Sohnes Isaak), Beschneidung und Fruchtbarkeit exemplarisch – Abraham als erster vornahm (Gen 17,12).

Die rituelle oder religiöse Beschneidung in der Pubertät gilt bei beiden Geschlechtern als Initiationsritus. Der heranwachsende Mensch wird in die Gemeinschaft aufgenommen, indem er bewusst in eine Krisensituation gebracht wird, in der er „Mut zeigen“, „sich bewähren“ und als „vollwertiges Mitglied“ erweisen soll. Oft muss er dabei schmerzhafte oder demütigende Prozeduren über sich ergehen lassen. So stellt die Beschneidung bei den Bambara und den Dogon im westafrikanischen Mali einen Mannbarkeitsritus dar, der die ursprüngliche Androgynität, als „verhexte Weiblichkeit“ durch die Vorhaut symbolisiert, aufheben soll."

Ich bin der Auffassung, dass die Frage nur mit Sowohl-Als auch zu beantworten ist.
Das in Mode gekommene Sicherheits- und Schutzbedürfnis ist übertrieben und am Ende sogar lebensfeindlich. Andererseits gefällt mir die Unterwerfung unter patriarchalisch gedachte Riten nicht, weil hier Religion instrumentalisiert wird für machtpolitische Intentionen.
Anders gesagt: Westliche Gesellschaften müssen selbstkritisch ihre derzeitige Praxis der Menschenrechte hinterfragen: Helikoptereltern oder Verabsolutierung versicherungsrechtlichen Denkens sind letztlich der Tod des eigentlichen Lebens.
Andererseits: Übertriebener Schutz vor Schmerz und Traumata ist auch Quatsch. Initiationsriten und Gefahrenerprobung sind verdammt wichtig. Mich stört hier die Unterwerfung der Frau oder des Mannes unter patriarchalische Gruppenzwänge im Schein religiöser Gründe. Ich wünsche also Juden und Moslems Selbstkritik und theologische Weiterentwicklung.
Das Judentum sollte sich m. E. nicht auf das 'Opfer' der männlichen Vorhaut gründen - so wichtig der Abrahamsglaube ist (auch nach Paulus, Brief an die Galater - dort aber Abkehr von den jüdischen Ritualvorschriften, was die Loslösung des neuen Glaubens vom Judentum einleitete). Die jüdische Religion hält an den fassbaren Bildern und Traditionen fest, was zu einem guten Teil auch an der Verfolgungsgeschichte liegt.
Wenn freie Religionsausübung in Konflikt mit Menschenrechten kommt, so entsteht ein Wertekonflikt und eine Güterabwägung ist notwendig. Dies wird im Fall der Beschneidung vielleicht noch zur Fortsetzung der bisherigen praktischen Toleranz kommen. Im Falle der Salafisten, die unseren Rechtsstaat ablehnen, wird man wohl nicht sagen können, dass ein Dschihad gegen unsere Verfassungswirklichkeit unter das Toleranzgebot fällt.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 loslosch (20.07.12)
circumcision ist eine gute umschreibung (umschneidung). margaret mead gelesen? phasenweise hatte ich den verdacht.
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