KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Donnerstag, 09. Mai 2013, 12:32
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Eine wunderbare Arthur-Geschichte. Purcell (Stücke 8)

355. Kolumne

„King Arthur“ von Henry Purcell

Was für eine schöne Oper! Das Libretto der vor oder hinter den Arien und Chören liegende Handlung der stärksten semi-opera (halb Musik, halb Drama) Henry Purcells schrieb John Dryden mit einiger Ironie über die Liebe und sein Land.

Der sagenhafte Aufwand der Oper ist verwirrend – der Luftgeist Philidel hilft dem christlichen König Arthur gegen den mit dem heidnischen Sachsenkönig Oswald verbündeten Zauberer Osmond, indem er Arthurs Zauberer Merlin verrät, dass der Erdgeist Grimbald die Briten in die todbringende Irre leiten will, obwohl diese schon gesiegt haben. Die blinde Emmeline, Arthurs Verlobte, wird entführt, Arthur aber lässt sich nicht erpressen und greift erneut zu den Waffen. Philidel heilt Emmelines Blindheit. Ausgerechnet der Bösewicht Osmond lässt die Macht der Liebe besingen (um Emmeline zu erobern). Arthur besiegt mit Hilfe Merlins Sirenen und Waldnymphen, erstürmt Oswalds Burg und besiegt den feindlichen König, den er auffordert mit seinem Volk an die Elbe zurückzukehren. Emmeline – sie spricht oder singt nicht ein einziges Wort – ist befreit, und alle stimmen zuletzt ein Loblied auf Britannien an und preisen St. Georg, den Schutzpatron der Insel: „Fairest Isle, all Isles Excelling…“

Henry Purcell (1659-95) schrieb dieses barocke Musical 1691. Der Shakespeare der Musik unterwarf den Text seinen musikalischen Ideen stärker noch als Mozart die ähnlich genialen Libretti Da Ponte’s. Die Handlung wirkt oft abstrus – sie ist aber in Wirklichkeit eine kritische Abrechnung mit King William III., dem Oranier – in der semi-opera ist er Oswald … Selbst das patriotische Lob auf die britische Insel ist derart ironisch gebrochen, dass es eine Lust ist, diese Oper heute zu sehen und zu hören: Denn der erotische Aspekt der Liebe dominiert den politischen!

Zweihundert Jahre, bevor Bert Brechts Idee des epischen Theaters auf der Bühne realisiert wird, zweihundert Jahre nach ähnlichen Anfängen in einigen Szenen Shakespeares erklingt hier schon Aufklärung vor der Aufklärung in starken Bildern: Der Überbau politischer Freiheit, die sexuelle eingeschlossen, muss sich auf dem Fundament gelebter Liebe aller Einzelnen erheben!

In der berühmten Szene, in der Osmond das Eis des zitternd singenden Frost-Genius mit Liebe schmelzen will, verwandelt sich die Musik des Chors, als ziehe sie ein großes weißes Tuch von der Rampe über ihre Schultern, in eine Gletscherlandschaft. Das leuchtet kraftvoll in alle Zuschaueraugen. Die Oper setzt auf den lasziven Schmelz der Musik. Und so ist es gut.

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