KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Drachenfels
430. Kolumne
Auf halbem Weg zum Gipfel die historistische, 1882-84 überwiegend neogotisch erbaute Villa „Drachenburg“. Wir haben Wagner-Jahr. Und der Staat (NRW) fördert die neue Mode: Erhaltung der epigonalen, historistischen, praepostmodernen, eklektizistischen und wilheminischen Architektur. Das rheinische Neuschwanstein war vor Jahren schon in Gefahr, zur Ruine zu werden, wie auch die Nibelungenhalle, die ich gestern mit einem Freund besuchte. Das sind die Follies unterhalb der Drachenfels-Ruine. Hier soll ja, Simrock wies als einer der ersten darauf hin, Siegfried den Drachen besiegt haben. Neben der Nibelungenhalle gibt es eine Höhle aus Gips, die in eine Lichtung mit einem winzigen Teich mündet, wo der Drache aus Stein, 7 m lang, den Höhlengänger mit grinsenden Augen empfängt. Ein Reptilienzoo schließt sich (seit Jahrzehnten) an; ich habe schon als Kind die Anacondas und Kaimans gesehen. Die Betreiberin der Nibelungenhalle, die nun für 300.000 bis 450.000 Euro renoviert wird, ist auch die Zoodirektorin, sie kennt sich in den Opernstoffen des Meisters aus Leipzig aus und wusste auf Anhieb zu sagen, wie die unter der Weltesche hausende Schlange heißt ... Midgard ist das Estrich-Mosaik in der Halle, in der Wagners Musik ertönt, das Siegfried-Idyll etwa, und nebenan die meterlange Python, Kobras, Vogelspinnen und Alligatoren. Das muss man gesehen haben. In der Apsis der von einer Kuppel überdachten Halle und rings herum in prunkvollen Holzrahmen, Altären gleich, die großen Ölbilder von Kunstprofessor Hendrich, der die Opernhandlung in spätromantischen Szenerien wiedergibt, die meisten Bilder sind dunkel geworden, vom Wasser, das durch die marode Kuppel nach unten rinnt, an vielen Stellen fast unleserlich geworden. Die Direktorin des Ensembles, Marlies Blumenthal, eine Frau in meinem Alter, blüht auf, seit die Geldmittel nun verabschiedet worden sind und die Jubiläumsfeier unter Beteiligung prominenter Gäste (Beikircher, Norbert Röttgen ...) stattfinden wird. Das Rheinland wird auf die leichteste Art mit dem Schwergewicht der Oper fertig. Auch deswegen lebe ich so gern hier.
Die Drachenburg erlebt eine kleine Renaissance, das liegt im Gegensatz zur Nachkriegszeit an der Wiederentdeckung des neogotisch-historistischen Schlosses „Drachenburg“, dem Neuschwanstein des Rheinlands, auch am Wagner-Jahr (Nibelungenhalle mit Reptilien-Zoo) und am Abriss der entsetzlichen Drachenfels-Verschandelung des weltberühmten Beton-Architekten Gottfried Böhm (Wallfahrtskirche Neviges), der den Drachenfels zubetonierte. Jetzt baute man nur einen maßvollen Glaskubus mit großer, treppiger Terrasse. Es spukt nicht. Auch die Wagner-Verherrlichung hält sich in rheinischen Grenzen. Wir hier kennen alle schon seit unserer Kindheit diese eigentümliche Nibelungenhalle. Die Bilder der Wagner-Welt passten gut zu Prinz Eisenherz, zu den deutschen Rittersagen, sogar zu Ilias und Odyssee. Eine männliche Welt mit dunkler Natur, als habe der junge Knabe in der Natur das Weib gesucht, in den Höhlen, beim Besteigen der Bäume, im Ringkampf mit den Rivalen auf dem Schulhof und auf der Straße.
In meiner Kindheit war ich ein Straßenjunge und viel in der Natur, oft in gefährlichen Situationen. Diese Zeit endete mit 14. Da wurde ich arrogant, ein gymnasialer Schnösel, ein Bildungsmaulheld wie viele meiner Schulkameraden. Das ebnete die Militärzeit wieder ein, und den zwei Jahren beim Bund, wo ich als Sitzenbleiber und halb verkrachte Existenz mich im Milieu der Mannschaftsdienstgrade behaupten musste (wir waren bis auf die Verheirateten alle kaserniert!), verdanke ich viel Gutes, auch die andere Motiviertheit, das Abitur nachzuholen. Erst in der Abendschule lernte ich Lernen.
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Brav von den Direktoren. Schon recht, und nicht falsch. Um aber ganz exakt zu sein: Die Midgardschlange ist keine Figur im Ring noch in einer sonstigen Wagner-Oper; sie wird nicht einmal erwähnt - ein Schicksal, dass sie mit dem Fenriswolf und anderen Göttern - etwa dem Kriegsgott Tyr - teilt. Der im "Siegfried" agierende Drache heißt Fafner und ist einer der Riesen (welche aus Riesenheim kommen), der sich verwandelt hat, um seinen Besitz (das von Alberich geraubte Rheingold, welches Wotan ihm, Fafner, zuteilte, um Freia auszulösen) - werhaft zu beschützen (ein Kapitalist mit Krallen). Und Leipzig und Wagner - das wäre ein Dtama für sich, dass keine Oper füllen kann. Gruss aus der Messestadt.