KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Theologie ... und ihre Narrative
860. Kolumne
Die apokalyptische Erzählung im Johannes-Evangelium spiegelt Vorstellungen wieder, die wir heute anders denken - jetzt sind wir Menschen selbst die Weltuntergangs-'Schöpfer', wir richten uns nolens volens selbst, zum Glück noch in angstvollen Ahnungen, nicht aber denken wir an ein göttliches Weltgericht. Putins Krieg gegen die Ukraine bestärkt solche Ängste. Ich fühle mich auch gar nicht wohl bei der gegenseitigen Eskalation, die (noch) gebremst erscheint - aber wielange?
Ich würde mich nicht mit Johannes dem Täufer aufhalten, so interessant das Thema ist. Bedenke, dass die Schriften des Neuen Testaments alle theologische Schriften sind, also Deutungen, und die Personen belegen sich nur durch die Schriften selbst. Im Verständnis sowohl des AT als auch des NT ist wohl eine Selbstvernichtung der Menschen, wie sie heute nicht nur denkbar, sondern leider auch machbar erscheint, nicht angelegt, sondern es geht immer um das richtige Verhältnis des Menschen zu Gott. Das Handeln Gottes im AT und das Weltgericht im NT ist eine Antwort auf das Handeln der Menschen, so gesehen hat es der Mensch in der Hand, gerecht und milde gerichtet zu werden, und neuere Theologie verlegt das Weltgericht in uns selbst, es ist unser Gewissen, das uns richtet. Allerdings verschwindet dann Gott letztlich, man braucht ihn nicht für solche Erkenntnis und Einsicht in Vernunft. - Thomas JOSEPH-Roman ist hier (nicht nur für den Bereich des AT!) ein wundervolles Buch, das ein wunderbares Gottesbild enthält, eigentlich eine Demontage Gottes, eine Verlegung Gottes in Joseph selbst, aber nicht dumm-narzisstisch, sondern warmherzig und (lebens-)klug. Es ist Thomas Manns wärmste Erzählung überhaupt. Und voller Humor. Lies allein die quasi einmontierte Novelle TAMAR, mit der Joseph wenig zu tun hat ...
Jesus, wenn er existierte, war gewiss ein guter und großartiger Mensch, Lehrer, Prediger, Heiler. Jesu Nachfolge würde heute heißen, wir belehren und heilen uns selbst. Aber auch: Wir müssen leiden - der eine mehr, der andere weniger - und sterben. Was dann kommt, weiß keiner, weiß nur Gott, wie man sagt, aber davon haben wir nichts. Wir können nur hoffen, dass unser Leid klein und erträglich ist. Solange wir leben, können wir uns erlösen (ich meine aber damit nicht die Selbsttötung), allerdings nur in beschränktem Rahmen. Wenn wir tot sind, werden wir das nicht erleben, weil wir nicht mehr leben, und das ist doch ein großer Trost. Die Angst vor dem Tod können wir uns immerhin meist auch nehmen, wir denken ja nicht immer an unseren Tod, und wir haben, wenn wir an ihn denken, auch nicht immer Angst. Dieses Leiden ist ein kleines Leiden. Da muss jeder durch. Darum ist die epikuräische Haltung wichtig - wir können sie als gute Abendländer mit einer aufgeklärten stoischen Haltung verbinden.