Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
(bisher 4.803x aufgerufen)
Film nicht „&“, sondern „vs.“ Fußball
von Dieter_Rotmund
Fast schon eine Tradition kann man es nennen, dass in Deutschland während Europa- und Weltmeisterschaften der Nationalmannschaften der Herren-Kicker das Kinoprogramm auf Sparflamme gehalten wird. Zugeben möchte das natürlich offiziell keiner, es werden keine „Low program“-Wochen angekündigt oder die Möglichkeit angepriesen, Filme zu sehen, dessen offizieller Bundesstart schon Wochen, ja manchmal Monate zurückliegt und die schon auch schon seit dieser Zeit gezeigt werden, ununterbrochen..
Pikanterweise ist diese massive Programmreduzierung vor allem in den großen Multiplex-Kinos zu beobachten. Diese Lichtspieltheater, die ihr anspruchsloses Angebot während der Fußballwochen kaum noch erweitern, werden wegen ihrer Attraktivität für die als tumb verschriene Dorfjugend gerne – und im Grunde ja treffend – als „Spackenkino“ bezeichnet. Die wochenendlichen Wagenkolonnen von Autos mit Kennzeichen „BM“ (für Bergheim) vor dem Kölner „Cinedom“ sprechen Bände. Wobei ich gerade dieses Multiplex etwas in Schutz nehmen möchte, zeigt es doch immer in wenigstens einen seiner dreizehn Säle einen Film, der den Zuschauer nicht für dumm verkauft. Es spricht auch Bände, dass offenbar vor allem diese sogenannten Spackenkinos ihr Publikum für das dasselbe halten, dass auch intensiv die Meisterschaftsspiele sieht. Traurigerweise haben sich auch die Filmverleihe darauf eingestellt und bieten in der WM/EM-Zeit kaum etwas Neues an, hier offenbart sich die zunehmend stärker werdende Paranoia der Produktionsfirmen, dass ihr Zigmillionen teurer Film nicht Zigmillionen + X einbringen könnte, das setzt sich auf diese Weise bis nach unten zum Zuschauer fort. Ausnahme übrigens komischerweise gerade der aktuelle Film mit Dauerzähnefletscher T. Cruise, „Rock of Ages“, der am 14. Juni startet. Zu Filmen dieses untalentierten Schauspielers war es schon oft Usus, überhaupt keine Pressevorführungen zu veranstalten, aus Angst, es könne sich vorzeitig rumsprechen, was für ein Riesenmist diese Filme doch immer wieder sind.
Die kleineren Filmverleihe, die keine sog. Blockbuster im Angebot haben, bieten während der Fußballwochen schon eher etwas an, sie scheitern aber manchmal an der Behäbigkeit der Kinobetreiber, die, man muss es einmal klar sagen, manchmal einfach zu faul sind, ihr Programm aufzufrischen. Jeder, der schon Kinostarttermine von Filmen und das tatsächliche Angebot in der eigenen Stadt verglichen hat, weiß um die große Schere, die sich da auftut.
Bei vielen kleineren Programmkinos ist allerdings nicht zu beobachten, dass sie ihr Programm reduzieren, sie sind auch weder daran gebunden, ab Starttag zu zeigen, noch müssen sie das Spackenpublikum bedienen, das offenbar – wer kann das Verhalten der Multiplexe anderes interpretieren? - lieber grölend beim Public Viewing sitzt. Für die Programmkinos ist auch eine sogenannte „WA“, eine Wiederaufführung, nicht weniger wert als ein topaktueller Film. Anders gesagt: „Metropolis“(1928, Regie Fritz Lang), „North by Northwest“ (1959, Regie Alfred Hitchcock) oder „The Getaway“ (1972, Regie Sam Peckinpah), um mal ein paar meiner Favoriten aus der cineastischen Backlist zu nennen, sind 2012 noch genauso exzellent wie in ihrem Erscheinungsjahr. Ein Ignorant ist derjenige, der glaubt, die Verfügbarkeit dieser Filme auf DVD oder anderen Fernsehapparat-gestützten Medien würde eine echte Kinovorführung ersetzten.
Nun, der hiesige Cineast wird sich zwischen dem 8. Juni bis 1. Juli wahrscheinlich tatsächlich hier und da mit einer DVD behelfen müssen. Das ist aber nicht unbedingt notwendig; nachfolgend eine von mir erstellte Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit, wie man diese Zeit besser ertragen kann, Ergänzungen und Empfehlungen nehme ich in den Kommentaren gerne entgegen und sie sind eine erfreuliche Erweiterung:
Das Festival des Deutschen Films (erfreulicherweise übrigens ohne Til Schweiger, sei es nun auf der Leinwand oder leibhaftig) auf der Parkinsel in Ludwigshafen, 14. bis 24. Juni.
Archipelago, (2010, Regie Johanna Hogg), offizieller Bundestart 24. Mai
Attenberg, (]2010, Regie Athina Rachel Tsangar), offizieller Bundestart 10. Mai
Les Adieux à la rein (2012, Regie Benoit Jacquot), offizieller Bundesstart 24. Mai
I want to run (2012, Regie Achim Michael Hasenberg), offizieller Bundesstart 24.Mai
Eigentlich (noch) ein Geheimtipp: Die Highlights der Filmakademie Ludwigsburg, 12. und 13. Juni.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
Auch wenn unser aller Öschi-Liebeling: Elen, Scientology und Cruzy-Baby auch für sausackgfährlich hält. Auch wenn. Dieser Schuh von Aschenblödel - oder besser der vergiftete Apple - passt tausendmal besser zu Microsoft, dem Buch der blöden Fressen oder der Bertelsmann Hexe. Kurzum: Tomboy ist nicht notgedrungen untalentiert, nur weil er für die Falschen spielt. Collateral und Tropic Thunder? Gute Nummern vom kleinen Tom und frei von etwaigen Scientology Botschaften.
Ebenso engstirnig Dein Till Schweiger bashing. Den Till möchte ich nicht geschenkt haben und besonders intelligent oder sophisticated ist der auch nicht.Aber: er macht Filme. Zahlreich. Z.t. sehenswert. Sehr komisch auch mitunter. Gute Dialoge gelingen ihm auch zuweilen aber natürlich auch ganz viel Schrott. Das deutsche Feuilleton? Hasst den Till. Warum? Keine Ahnung, kann ich nur vermuten, aber dann würde ich alle meine Vorurteile über deutsche Feuilletonisten auspacken, die in etwa so häßlich sind wie Karassek oder so eklig schleimig wie Meinungen zu Filmen von Ingrid Bartsch sind. Was ich vorurteilsfrei behaupten kann, ist: das das deutsche Feuilleton - unabhängig ob es um Film, Musik, oder Literatur geht - ein ganz und gar feiges ist und keiner der Feuilletonisten auch nur ansatzweise, wenigstens ein kleines Bißchen, soviel Mut hat wie Stefan aus Ahaus, der die Traute hat, abseits allen fünfmal bis zum Knochen abgewichsten, im Buchregalmit Güldrand stehenden guten Geschmacks, zu behaupten: King und May sind die Größten. Das fehlt.
Deshalb und nicht nur deshalb, nein, weil z. B. Keinohrhasen eine vorzügliche Komödie ist, muss ich den fürchterlichen Typen Schweiger vehement verteidigen. Scheiß Job. Aber der und der Cruise sind mir lieber, weil Überzeugungstäter, lieber, viel lieber, als all die Bergmanns, Rotmunds oder Penns, oder andere Kulturpäpste, denn ob Kultur, engimkopp oder katholisch? Ist egal, oder? Ist borniert bis feige.
Aber wenn ich's so über meinen Kamm schere, dann sollte das doch ansatzweise bei der Betonfraktion vertraut klingen, oder? Nein? Nicht?
Ich befürchte, die Meinungssalafisten und die Kulturkollateralbomber haben schon alle mundtot gemacht. Außer einer einzigen Stimme aus Ahaus ...
Noch ist auf keinem osteuropäischen Fußballplatz ein EM-Spiel angepfiffen, da habe ich mir (gestern abend) schon einen Film (im Kino, selbsredend) auf meiner Liste angesehen: Archipelago
Ein überwiegend ruhiger Film, die Regisseurin stellt die Kamera so hin, dass es wie gezeichnet aussieht, will sagen sehr gekonnt komponiert, ein Genuß. Dann kommen die Schauspieler und agieren in diesem Namen, manchmal laufen sie auch aus dem Ausschnitt raus und reden trotzdem weiter. Das ist nicht neu, das muss man aber können, so dass es nicht wie ein Versehen aussieht. Die Einstellungen sind etwas länger als "normal", wobei "normal" schon lange nicht mehr normal ist. Ich mag Filme mit langen Einstellungen und wenn es dann noch so gut arragiert ist wie in Archipelago...
Ich kenne einen Nerd, der würde über diesen Film sagen: Da ist ja gar nichts passiert. Das stimmt natürlich nicht, es gibt eine Menge zu beobachten. Übrigens gibt es in den ersten 80% praktisch nur Totalen, als dann gegen Schluß die Kamera doch etwas näher an die Gesichter rangeht, dann wirkt das fast bedrohlich. Zumindest bei mir. Super Film für Kinogänger, die nicht gleich nervös werden, wenn eine Szene einmal länger als 1 Sekunde geht und die bereit sind sich auf was anderes einzulassen als 08/15-Mainstream.
Ich konnte mich nicht zurückhalten und habe bereits vorgestern ohne (EM-)Not Les Adieux à la rein (2012, Regie Benoit Jacquot) gesehen. Leider wurde keine Originalfassung angeboten, deshalb nenne ich der Form halber hier den nicht besonders gut gelungenen deutschen Verleihtitel Leb wohl, meine Königin!.
Nun, ein leicht altmodisch gemachter Film, dafür ohne technische Mätzchen und durchaus unterhaltsam. Der Film steht und fällt mir der Leistung von Hauptdarstellerin Léa Seydoux, die das mit Bravour meistert. Leider spult Diane Kruger ihre Rolle sehr uninspiriert runter, trotzdem möchte ich Les Adieux à la rein demjenigen empfehlen, der nicht ständig 23 Männer in kurzen Hosen auf dem Rasen sehen möchte...
Snow White and the Huntsmann, gestern abend gesehen. Ein reichlich zusammengestückeltes Werk mit zahlreichen handwerklichen Brüchen, unfertig im Charakter. Interessant, was man da zusammengestückelt hat, aber keine Empfehlung für die EM-Zeit, es sei denn, man ist max. 14 Jahre alt...