Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Mittwoch, 10. Dezember 2014, 13:50
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Die Ingalls

von  Dieter_Rotmund


Gastkolumnistin  Nimbus über die us-amerikanische TV-Serie Our little House in the Prairie, deutsch Unsere kleine Farm, USA 1974-1983 und die dort auftretende Familie Ingalls

Ich habe mich tierisch gefreut, als man meinte, ich könnte ja noch mal 'ne Kolumne schreiben. Ich meinte, ja, prima, ich würde gerne über "Unsere kleine Farm" schreiben. Das war die Gegenantwort:

"Diese kitschig-betuliche Familienserie mit Michael Landon? Sehr gerne!" (Dieter_Rotmund)

Ähm ja, ich sagte ihm schon, dass ich mit Sicherheit das Ding mal unter einem anderen Aspekt betrachte. Irgendwie ist das geil, ich lasse mich gerade von Tori Amos vollrieseln und schreibe dabei über "Unsere kleine Farm". Konträrer geht's kaum noch. Dabei pfeife ich mir ein Bier rein. Ich habe das Bild vor Augen, wo Tori Amos auf einem Coverbild mit beschlammten Beinen eine Sau an der Brust hat. Sieht aus, als würde sie die Sau stillen. Also passt es ja doch bestens, oder?
Aber ich setze mich dennoch für "Unsere kleine Farm" ein. Denn bei der, wie von Dieter_Rotmund beschrieben kitschigen Serie, wird irgendwie etwas übersehen, und nicht nur etwas, sondern eine Menge, wie ich finde. Okay, oute ich mich eben Fan dieser Serie zu sein, ich habe mich ja auch schon mal geoutet heimlicher Trekkie zu sein, viel schlimmer kann es eh nicht mehr werden. Dennoch grinse ich breit.

Ich bin so Freiberuflerin und am liebsten Nachtarbeiterin. Da hat man einfach Ruhe, keine kläffenden Hunde, keine schreienden Kinder, man hat einfach Ruhe, und nachts bin ich eh am kreativsten. Allerdings sollte ich dann nie was veröffentlichen. Tue ich trotzdem, weil es sonst weg wäre. Meine Rechtschreibung ist total daneben, aber nee, darüber wollte ich gar nicht schreiben. Fakt ist aber, wenn ich dann, meistens später aufwache als der Rest der Welt, so gegen neun oder zehn, schalte ich Sat1 Gold ein. Ja, ja, ist ja gut, ist so nen Altweiber Sender. Was soll's. Ich ziehe mir zum Tee und Frühstücksei zeitgleich dann erstmal Bonanza rein. Da grinse ich wie ein Honigkuchenpferd, weil es irgendwie witzig ist, und ich finde es besser als diese Geschwafel beim Frühstücksfernsehen, das erträgt ja keiner, jedenfalls ich nicht. Ja, ja, dann fängt mein Tag schon mit Michael London an, und so geht der dann eben auch weiter, denn danach kommt eben "Unsere kleine Farm".
Um vorab mal was zu klären, alle Geschichten basieren auf dem Tagebuch der kleinen Laura, an die sich wohl jeder erinnern kann. Das sind Geschichten, geschrieben aus dem Leben. Ich finde das ganze jedenfalls interessanter als den ganzen Mist, der einem sonst im Laufe einen Vormittags geboten wird. Vielleicht ist die Art ja wirklich etwas verklärt, vielleicht stehe ich ja deshalb so da drauf, denn Familie wird da ganz hoch gehoben, etwas, was ich gerne mal gehabt hätte, aber irgendwie nicht hinbekommen habe. Also warum sich nicht mal an einen Frühstückstisch der Familie Ingalls setzen? Dafür ist doch Fernsehen da, oder nicht? Kompensiert es nicht das, was man real nicht erlebt? Mir jedenfalls scheint es manchmal so.
Denkt man dann an die "Kitschserie", dann denkt man an ein Mädchen mit geflochtenen Zöpfen die mit ihrem Dad angeln geht... so ungefähr halt. Doch ich habe sie mehrfach gesehen, jetzt, wo ich ins Alter von fast vierzig gekommen bin und zwei Katzen habe. Das sagt ja schon fast alles. So als alte Jungfer *kicher, mit zwei Katzen erfüllt man ja nun jegliches Klischee, dann darf ich auch so 'nen Kram gucken.

Was macht die Serie, und schaut sie doch mal, so bei Gelegenheit, bei Krankheit oder so, das andere TV Programm ist eher schlechter als besser, und schaut, worum es da geht. Es geht um Idylle, keine Frage, aber immer nur, und das nur bitte in "" gesetzt, um Familie. Es zeigt, wie eine Familie im besten Fall auszusehen hat. Kein Wunder, das ich mich danach sehne. Doch das ist zu einfach gemacht. Wen wundert es? Die Menschen machen sich es heute in vielen Dingen einfach zu einfach. Oberflächlich wird alles abgetan, in eine Schublade geschoben, und manchmal sollte man vielleicht zwei bis dreimal hinsehen, bevor man ein Urteil fällt.

Die Serie ist ein Tagebuch, und wie in jedem Tagebuch fließt da Subjektivität mit ein. Was die Drehbuchautoren dann noch daraus gemacht haben, weiß man nicht so genau. Dennoch, die Serie ist nicht nur kitschig. Sie beschäftigt sich mit Rassismus, mit Religionen, sogar Judenhass, mit Arm und Reich, mit Tod, mit Dick und dünn, mit... ja eigentlich kurz zusammengefasst, mit dem Leben. Wie oft kann sich die Familie das oder das nicht leisten. Aber sie zeigt eben, wenn man zusammenhält, dann geht es. Das ist das, was dem ganzen den Kitsch verleiht. Weil man das heute nicht mehr kennt. Familie ist ja fast ein Fremdwort. Doch zumindest ähnlich hat sich alles zugetragen, wie es da erzählt wird, wie es verfilmt wurde. Es geht um Alkoholsucht, um Schlaganfälle, um Verbrecher, Krankheiten und wenn man genauer hinschaut auch um die Tatsache, dass selbst Menschen, die man in eine Schublade gesteckt hat, auch anders agieren können. Das Thema Blindenschule ist ein großes Thema. Die Serie ist mehr als paar Tage alt, die Tagebucheinträge noch viel älter, doch irgendwo sind es fast alles aktuelle Themen, die da behandelt werden.
Ich meine, meine Lieblingsserie ist das auch nicht... Aber ich schlage jetzt mal die Programmzeitung auf, und biete das Programm an, wenn ich meinen Tee schlürfe: Das ist so gegen 10.15, wenn die Serie beginnt... Auf dem Ersten haben wir da "Sturm der Liebe" - Telenovela - da muss ich mich ja direkt übergeben. Auf dem Zweiten kommen die Rosenheimkops, die sind ja gar nicht so schlimm, aber ich hasse Rosenheim. Als ich mit 25 durch die Gegend getrampt bin, meinten irgendwelche Vollpfosten, ich hätte nicht durch die Gegend zu trampten, in meinem Alter sondern nen Kinderwagen zu schieben!!!???? Ähm, vielleicht vermisse ich das ja heute, aber zu dem Zeitpunkt... Nee, echt nicht. - Auf RTL läuft Trovatos, Detektive, die aufdecken, hat sich das mal einer angetan? Die Sendung kann man sich ja nicht einmal schön saufen . Sat1 bietet "Auf Streife", kenne ich nicht, glaube auch nicht, dass ich das kennen will... - Pro 7 fährt mit Big BANG Theorie auf... und das zieht sich so durch. Also gucke ich die verkitschte Serie "Unsere kleine Farm", ja nicht so streng sein, im Alter darf man schrullig werden. Aber hätte ich Kinder, so dürften die das eher sehen, als den ganzen anderen Mist, der sonst noch so läuft. Die Moral die einem da gezeigt wird ist zwar leider weit weg von hiesiger Zeit, aber die Sendung vermittelt wenigstens noch Werte. Wer auch immer die in den Keller treten will, sollte sie vielleicht noch mal mit Bedacht sehen. Ebenso wie Bonanza oder Konsorten. Ich meine, einer meiner Lieblingsserien ist inzwischen Desperates Housewifes oder Devious Maids. Die sind so schön angehaucht mit schwarzem Humor. Ich liebe das. Trotzdem lache ich mich auch bei "Unsere kleine Farm" schlapp. Denn an Humor fehlt es ihr auch nicht, der Serie. Es ist ein Anderer, ein vielleicht älterer. Es kommt am Ende immer darauf an, was man erwartet. Aber für ihre kitschige Art ist sie erstaunlich aufgeklärt, und behandelt wirklich viele Themen die noch zeitgemäß sind, und das gar nicht mal so verklärt, wie man annehmen mag. Schaue ich mir die Vergleichsprogrammauswahl an, bleibe ich bei der Serie kleben. Vielleicht auch nur aus einer Sentimentalität heraus, denn als Kind sah ich die auch schon gerne, vielleicht, weil da Familie noch Familie ist. Allerdings, täglich ertrage ich das auch nicht. Wenn Arte oder Phönix eine Reportage bringt, so bleibe ich auch lieber im Hier und Jetzt. Aber warum soll man sich nicht mal entführen lassen, so in eine Welt, in der es auch genug Probleme gab, aber sie am Ende immer gut auszugehen scheint. Was übrigens auch nicht stimmt, denn der Tod wird da auch behandelt, und das ziemlich heftig. Die Serie besteht eben nicht nur aus den Anfangsszenen, wo Laura noch als kleines Mädchen mit geflochten Zöpfen die Wiese herunter rennt.

Das sollte sich vielleicht jeder auch mal überlegen. Na, gut, Niveau ist was Anderes, aber ich gehöre zu den Personen, die können sich weder Frühstücksfernsehen anschauen, noch viel Trivialeres. Da bleibe ich doch ganz klar bei den alten Kram, der vielleicht besser ist, aufklärender ist, als "Sturm der Liebe" *kotz... Ähm... das war jetzt quasi das Wort zum Sonntag... und die Ingalls aus unserer kleinen Farm sind das ja auch irgendwie

Link zur Musik von Tori Amos auf dem Videoclip-Portal "youtube" (Länge ca. 70min, nur Audio)
https://www.youtube.com/watch?v=ErccRh9DGcg

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Fuchsiberlin (11.12.14)
Ich sah diese Serie früher auch oft. Der Text ist sehr gut geschrieben, auch wenn diese in einem Punkt sich etwas wiederholt: Diese Geschichte von "Ich hätte auch gerne eine solche Familie ..." Doch, dies ist nicht negativ zu betrachten, sondern spricht für die Autorin und ihre Wünsche.

Die Serie beinhaltet wirklich Werte, die leider in der heutigen Zeit oft "vergessen" oder "verpönt" zu sein scheinen. Familiärer Zusammenhalt, Toleranz, Respekt, Mitmenschlichkeit, einfach, den anderen Menschen als Menschen zu sehen, und ihn nicht oberflächlich zu betrachten. In einer schnelllebigen Zeit orndet manch einer den anderen in "gut" oder "böse" ein, ohne den anderen wirklich zu kennen, oder kennen zu lernen wollen. Dies jedoch bestärkt das Entstehen von Vorurteilen.

Ein Text, der gut geschrieben ist, und der zum Nachdenken bewegt. Einen, in dem es um viel mehr als nur um eine "TV-Serie" geht!!!!!

Liebe Grüße
Jörg

 Lala (11.12.14)
Hallo Nimbus,
das ist an sich ein gar nicht mal uninteressantes Thema, welches Du da anschneidest. „Unsere kleine Farm“ habe ich nie gesehen. Sehr wohl aber „Eine himmlische Familie“. Bonanza habe ich gesehen, kann mich aber nur noch daran erinnern, dass Landon den Little Joe gespielt hat. Aber vermutlich ist auch in Bonanza die selbe Thematik die Du berichtet hast nur mit mehr Wild West Dramatik serviert worden. Namentlich geht es um die Vermittlung christlicher, abendländischer Werte. Die Familie ist der Nucleus (je)der Gesellschaft und dementsprechend werden Großfamilien abgebildet, die dem Zuschauer vorleben wie man sich gegenseitig zu Demut, Toleranz, Respekt und zur Pflichterfüllung erzieht. Mir ist jetzt gerade keine Folge bekannt, die Ungehorsam und Verweigerung als sinnvolle (Re)Aktion thematisieren. Wenn, dann geschieht es meines Wissens immer über den Umweg einer Nachbarsfamilie in der die Eltern dysfunktional agieren und ein Opferkind dieser Eltern von einem der Kinder der Vorzeigefamilie lernt, wie es richtig ist und damit die falsch agierenden Eltern dahingehend korrigiert, dass sie sich in Zukunft an den Ingalls oder Camdens orientieren.
Das das Richtige falsch sein könnte? Das Camdens oder Ingalls von anderen Familien lernen, dass sie sich ihres Welt- und Menschenbildes nicht zu sicher sein dürfen? Ich befürchte: Fehlanzeige. Gilt also: Right or Wrong? My Family! Nein. Denn sonst würde sich sogenanntes oder gezeigtes Fehlverhalten bei anderen Familien nicht korrigieren lassen. In der Bill Cosby Show ist das Schwarz/Weiß Bild dieser Serien eben mal mit vertauschtem Kontrast und mit lockererem, witzigeren, lässigeren Zungenschlag serviert worden. Und auch die Bundys passen in diese Schablone, so zynisch und gemein manche Folge zwar die heilige Familie demaskiert, so ist es doch erkennbar, dass die Bundys eigentlich nur die dysfunktionale Familie ist, die in diesem Falle eben nicht korrigiert, aber über die herzhaft gelacht und die in ihrer geistigen und materiellen Armut bloßgestellt werden darf. Würde die Serie um Peggy und Ted Bundy heute Premiere feiern und nicht schon längst verarbeitet und zum Mem verwurstet worden sein, ich behaupte mal sie hätte eine Wirkung a la „Sollen sie doch Kuchen essen!“
Es ließe sich wahrscheinlich noch viel mehr über die Ikonisierung der Familie wie sie auch Spielberg gerne in seinen Filmen betreibt, sagen oder schreiben. Danke für die Anregung.

 TrekanBelluvitsh (11.12.14)
Eine sehr reflektierte Beobachtung mit einer ganz persönlichen Note und einer wunderbaren Konklusion:
das war jetzt quasi das Wort zum Sonntag... und die Ingalls aus unserer kleinen Farm sind das ja auch irgendwie
Wie man im Ruhrgebiet sagt: So iset!
Graeculus (69)
(13.12.14)
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 Dieter_Rotmund (14.12.14)
Nur hier bei kV und nirgendwo sonst wird die Kolumne für eine Genre gehalten, das (Sach-)Informationen liefern soll. Warum das so ist? Ich weiß es nicht.

 Dieter_Rotmund (15.12.14)
Nun, mir geht es mitunter auch auf die Nerven, wie in us-amerikanischen Filmen und Serien die Familie geradezu heroisiert wird. Da entwickelt man schon das ein oder andere Ressentiment!
Wer das kitschig-betuliche Unsere kleine Farm mag, der findet vielleicht auch Gefallen an Dr. Quinn - Ärztin aus Leidenschaft, orig. Dr. Quinn, Medicine Woman USA 1993-1998, das scheint mir ganz ähnlich gestrickt...
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