Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Samstag, 15. August 2015, 13:07
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Auf der Flucht

von  Dieter_Rotmund


Flucht und Flüchtlinge sind das große Thema unserer Tage, jetzt, im Sommer 2015. Doch ist es das nicht schon lange vorher gewesen? Jeder von uns muss maximal zwei Generationen zurückgehen, um einen Flüchtling in der eigenen Familie zu finden. Was die Flüchtlinge von damals wie heute verbindet, ist die Ungewissheit. Ein erfolgreiche Flucht stellt einem vor eine kaum kleinere Herausforderung, der Zukunft: Wie es weitergehen soll.
Im Film - man verzeihe mir die krude Überleitung - ist die Flucht schon lange ein großes, cineastisches Thema. Ein kleiner, völlig unrepräsentativer Überblick:

Flucht ins 23. Jahrhundert (Michael Anderson, USA 1976)
Vermutlich einer der bescheuersten deutschen Verleihtitel, im Orginal heißt er recht einfach Logan's Run. Hier und da etwas unglücklich in der Ausstattung, so ist es doch einer der besten Science-Fiction-Filme, bevor die Star Wars-Saga das Genre fast komplett infatilisierte. Geflohen wird in diesem Film zwar erst zum Schluss, doch alles davor ist mehr oder weniger die Vorbereitung derselben. Ein junger Michael York in der Hauptrolle und ein zu diesem Zeitpunkt gar nicht soooo alter Peter Ustinov als old man.

Westworld, Michael Crichton, USA 1973
Ein Mann (Richard Benjamin) auf der hoffnungslosen Flucht vor dem Produkt der eigenen Unterhaltungsindustrie. Was für ein weg- und zukunftweisendes Thema, über 40 Jahre alt! Im Prinzip misslingt die Flucht: Der Mensch kommt nur davon, weil dem Produkt einfach die Batterie ausgeht. Toll: Yul Brunner in seiner Rolle, fast ganz ohne Text.

Die zehn Gebote, Cecil B. DeMille, USA 1956, orig. The Ten Commandments
Dieser Film mit Charlton Heston in der Hauptrolle des Moses sei hier stellvertretend für die vielen "Moses-auf-der-Flucht"-Filme genannt, es gibt z.B. noch eine italienische Monumentalfassung aus dem Jahre 1975 mit Burt Lancaster in der Hauptrolle.
Dieser mit christlichen Pathos völlig überladene Film von 1956 wartet aus seine Wiederentdeckung durch erzkonservative Evangelikale. Selbst für Cineasten nur auf großen Leinwand und von einer gut erhaltenen 35- oder 70mm-Kopie im OmU zu ertragen. Cecil DeMille hat bereits mit seinem Jesus-Film The King of the Kings (1927) Erfahrungen in diesem "Genre" gesammelt. Was sagt das über eine Religion (nun, eigentlich zwei) aus, die sich auf eine Flucht-Geschichte gründet?

Flucht in Ketten, Stanley Kramer, USA 1958, orig. The Defiant Ones
Ein oft zitierter und oft als Referenz genannter Film, im Kino leider aber praktisch nicht mehr zu sehen. Sowohl für Tony Curtis als auch für Sidney Poitier eine ihrer besten Rollen. Regisseur Stanley Kramer verdanken wir (als Produzent) davor schon High Noon (1952) mit Gary Cooper und The Caine Mutiny mit Humphrey Bogart. Wie es sich für einen guten Film gehört, geht es nur vordergründig um die Flucht...

Auf der Flucht, original praktisch gleichlautend The Fugitive, Andrew Davis, USA 1993
Seltener Fall, in der die Kinofilmfassung weit besser als die originale TV-Serie aus den Jahren 1963 bis 1967.
Vermutlich ist der 93er Film einer der besten Arbeiten von Harrison Ford, vor allem aber der endgültige Durchbruch von Tommy Lee Jones. Oft sarkarstisch von anderen Polizisten und Ermittlern in Filmen zitiert: Der ominöse, einarmige Täter.

Gesprengte Ketten, orig. The Great Escape, John Sturges, USA 1963
...darf hier natürlich nicht fehlen. Riesiges Staraufgebot von James Garner über Steve McQueen bis Richard Attenborough. Trotz des Heldenpathos im Grunde ein ehrlicher Film: Nur sehr wenigen gelingt tatsächlich die Flucht aus dem Kriegsgefangenenlanger. Der Score von Elmer Bernstein ist bis heute ein Ohrwurm.

Thelma & Louise, Ridley Scott, USA/FRA 1991
Die aktuelle Generation junger Damen kann damit vermutlich nichts anfangen: Zwei Frauen entscheiden sich dafür, ein selbstbestimmtes Leben abseits der üblichen familiären-geschlechtsspezifischen Rollen zu spielen. Und noch viel mehr. In diesem Film ist für fast jeden was dabei, wenn man sich darauf einläßt. Eine Flucht wird es nur zwangsläufig. Leider lief Regisseur Ridley Scott bis dato nie mehr zu dieser Hochform auf. In Thelma & Louise wurde übrigens die (Kino-)Welt zum ersten Mal auf Brad Pitt aufmerksam.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag

Graeculus (69)
(13.08.15)
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 Dieter_Rotmund (13.08.15)
Die kleine Liste ist natürlich auch subjektiv. Ich persönlich würde Franklin Schaffners Papillon (1973) Don Siegels Escape from Alcatraz (1979) vorziehen, auch wenn ich Herrn Eastwoods Arbeit durchaus schätze...

Eigentlich fehlt noch John Carpenters Escape from L.A. (1996), der mir auch etwas besser gefällt als Vorgänger Escape from New York (1981), der den ausnahmsweise nicht schlechten deutschen Verleihtitel Die Klapperschlange hat.

 TrekanBelluvitsh (13.08.15)
"einer der besten Science-Fiction-Filme, bevor die Star Wars-Saga das Genre fast komplett infatilisierte."

Star Wars ist kein Science-Fiction. Star Wars sind Märchen.

 TrekanBelluvitsh (14.08.15)
Der Herr der Ringe ist Heldenepik, ein Genre das mal eben 800 Jahre alt ist...

 Dieter_Rotmund (15.08.15)
"Ausdruck einer zunehmenden Infantilisierung der Gesellschaft"

- da spricht Jack ein großes Thema an, über das sich kaum jemand Gedanken zu machen scheint (?).
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