Aufgespießt

Die Berliner Krankheit

von  AlmaMarieSchneider

Knutomanie, eine neue Krankheit überzieht Deutschland. Vermutlich tummeln sich weltweit etliche Millionen befallene menschliche Exemplare.
Wie wild sind sie hinter einem kleinen weißen Stofftier der Firma Steiff her, reisen viele Kilometer in Deutschlands Hauptstadt, versammeln sich dicht an dicht gedrängt vor einem Tiergehege und warten geduldig auf ihr Original.
Knut, klein, knuffig und unheimlich berühmt, tapst täglich zweimal für je eine Stunde hinter seinem Ziehpapa her ins Freie. Seine zudringliche Fangemeinde wird dabei von zehn Leibwächtern in Schach gehalten.
Mittlerweile hat sich der kleine Geldbär zum wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt und sein Leben wird wohl auch nicht mehr infrage gestellt. Er hat es sich bereits millionenfach verdient. Da beißt selbst der hartnäckigste Tierschützer auf Granit.

Für diejenigen, die nun nicht reisen können gibt es im Fernsehen natürlich immer die neuesten Infos über den kleinen Bären. Er hat schließlich eigene Korrespondenten, Fotografen und Medienteams bei Zeitschriften und Sendern.

Vermutlich ist die Knutomanie auf eine gewisse sich breit machende Leere zurückzuführen, die der WM-Taumel hinterließ. Der Erreger nutzte den grauen Alltag um die Herzen zu befallen. Der Frohsinn und die Fröhlichkeit, die der kleine weiße, von der Mutter verlassene Kerl, verbreitet ist hoch ansteckend.
Die einzige Krankheit, die auch ich genieße.