Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Fifty Shades of Schrott
von Dieter_Rotmund
Gastkolumne von keinB, die über den Film Fifty Shades Freed, deutscher Titel Fifty Shades of Grey - Befreite Lust, schreibt.
Gelegentlich neige ich dazu, blöde Entscheidungen zu treffen. Also, richtig blöde Entscheidungen. Nicht solche „Ach, ich nehm die Bluse mit, obwohl mir gelb nicht steht“-Entscheidungen, die zu Hause im Schrank landen und da versauern. Nein, ich rede von der Art blöder Entscheidungen, bei denen man sich sehr, sehr lange fragt, was zum Teufel einen eigentlich geritten hat.
Eine meiner jüngsten extrem blöden Entscheidungen traf ich im Frühjahr des Jahres 2015, als eine Kollegin lautstark im Büro bemängelte, dass ja keiner mit ihr ins Kino zu „Fifty Shades of Grey“ wolle. Nun muss man wissen, dass ich eher dem Lager der Hater zuzurechnen bin als dem der Fangirls. Ich habe das erste Buch an- bzw. quergelesen, und wenn mich nicht der plumpe Schreibstil abgestoßen hätte, so hätte mir spätestens der Inhalt den Rest gegeben. Allerdings mochte ich die Kollegin und ließ mich in einem Anflug der geistigen Umnachtung und aus Gründung der Sozialisierung zu einem „Ach, ich geh mit!“ hinreißen. Nicht ohne mir direkt das Versprechen abnötigen zu lassen, die anderen beiden Teile auch mit ihr anzuschauen …
Dass die Story brunzblöd ist, muss ich vermutlich nicht extra erwähnen, sollte jemand bisher an dieser Story vorbeigekommen sein, so fristet er sein Dasein vermutlich taubblind unter einem Stein und wird diese Kolumne eher nicht lesen. Nichtsdestotrotz: unschuldiges Studentenmäuschen trifft abgeklärten, erfolgreichen Geschäftsmann, Ex-Waisenkind, dann von reicher Familie adoptiert. Passiert ja ständig, sowas. Mädchen trifft also Junge. Mädchen verliebt sich. Junge praktiziert komischen Sex und versucht, Mädchen einen Sklavinnenvertrag anzudrehen. Mädchen kommt damit nicht klar, Trennung. Film abrupt Ende. Sein Penthouse, sie im Aufzug, sie werfen sich beide einen letzten, vor Wehmut triefenden Blick zu, nennen gegenseitig noch einmal ihre Namen. „Anastasia!“, „Christian!“, begleitet von wehmütigem Aufseufzen der anwesenden Schulmädchen, die sicher am Folgetag die erste Stunde schwänzten, und ich muss dem Impuls widerstehen, mein Shrek-verseuchtes Gehirn ein „Donkey!“ in den Kinosaal rufen zu lassen.
Ich erinnere mich, dass ich nach dem ersten Teil die Dialogregie lobte, da die Dialoge überraschend gut ausfielen, größtenteils richtig Verve hatten, witzig und unvorhersehbar waren. Die Sexszenen, nun. Nun! Erstens hat die Trilogie nicht wirklich irgendetwas mit BDSM zu tun, sondern beschreibt unter diesem Deckmantel nur eine Missbrauchsbeziehung. Und zweitens hat jeder Softporno da mehr zu bieten, aber die ganzen kleinen Mädchen und Hausfrauen, die um mich herum verteilt den Kinosaal bevölkerten, schienen andächtig, sichtlich erhitzt und schwer begeistert. Ein Wunder, dass mich nach dem Abspann und einem laut geäußerten „Was für ein Schwachsinn!“ niemand kreuzigte.
Den zweiten Teil haben wir – bedauerlicherweise – im Kino verpasst. Leider gibt es Video-on-Demand. Die Story war dieses Mal ein bisschen kruder und um ehrlich zu sein, habe ich sie schon längst wieder vergessen, verdrängt, oder was es da noch so an Wörtern gibt, wenn man Dinge ausradieren möchte: Mädchen geht arbeiten, Mädchen trifft Junge wieder. Wieder große Liebe, nachdem er sie plötzlich nicht mehr als Sklavin haben möchte, sondern als ‚echte‘ Freundin (- an dieser Stelle hörte ich einen zu fast hundert Prozent aus Zuschauerinnen bestehenden imaginären Kinosaal romantisch-verklärt aufseufzen). Stalking durch eine seiner Ex-Sklavinnen, dann dreht Mädchens Boss durch, Junge kauft den Laden und feuert den Boss. Sie ziehen zusammen, natürlich in sein Penthouse. Junge möchte heiraten, Mädchen zickt, er stürzt dem Heli ab, sie stellt fest, sie liebt ihn, er lebt doch noch, große Freude, blablabla. Soap-Operas können nicht gehaltvoller sein. Obwohl, wenn man’s genau nimmt, …
Teil drei ereilte mich dann vor einigen Wochen. Ach, dachte ich mir in einem schlimmen Anfall kognitiver Dissonanz, schlimmer und schlechter als Teil zwei wird’s schon nicht. So unterirdisch kann ein Drehbuch nicht sein, dachte ich. Falsch gedacht. Abstrus als Beschreibung wäre noch geschmeichelt. An den Haaren herbeigezogen, ist auch noch sehr euphemistisch. Ana und Christian haben also endlich geheiratet, und geraten danach(!) dann in Streitigkeiten über Kinder und ob sie seinen Namen annimmt oder nicht … Ihr Ex-Chef stalkt Ana hinterher und steht schließlich in ihrer schönen Penthousewohnung, wird aber von ihren Bodyguards (es sind zwei – und on screen ist immer nur der hübsche junge Kerl on duty – immerhin!) überwältigt. Sie wird außerdem schwanger, weil sie ihre Hormonspritzentermine verballert hat (da haben wir das dümmliche Studentenmäuschen wieder). Als Christian davon erfährt, geht er sich besaufen. Bei seiner allerersten Freundin, einer Art Mrs Robinson, die ihn in … die grauen Spielarten der Liebe eingeführt hat. Dummerweise bekommt Ana das mit, als er nach Hause kommt und ergeht sich erst mal in einem Schwall typisch-weiblicher Vorwürfe „Du hast mich allein gelassen!“, „Ich hätte dich gestern gebraucht!“, „So funktioniert das nicht!“ – Drama! In der Zwischenzeit ist ihr Exchef aus der Untersuchungshaft gegen Kaution entlassen worden und hat Christians Schwester, Anas Schwägerin, entführt und möchte natürlich Geld. Sie besorgt mal geschwind so in einer Stunde fünf Millionen Dollar in cash, heult nebenbei ihrem Gatten noch ins Handy des Bankchefs, der, misstrauisch, wie Banker halt so sind, sich zur Recht erst mal absichern möchte. Dass der knallharte Ex-SM-Lover-jetzt-Softie dabei schier losplärrt, weil er denkt, dass die Alte ihn aufgrund seiner Fahnenflucht am Vorabend abserviert – geschenkt. Soll vermutlich zur Charakterentwicklung beitragen, oder irgendwas ähnlich durchdachtes, was man als Normalsterblicher sowieso nicht durchblicken kann. Im Showdown zwischen Ana und Exchef ballert sie ihm eine Pistolenkugel ins Knie. Ohne auch nur eine Stunde Schießen gehabt zu haben, nein, sie muss ein Naturtalent sein, was das angeht, nicht umsonst konnte sie die ungesicherte Pistole mehrere Stunden und Autofahrten lang stumpf unter den Hosenbund gesteckt transportieren. Danach sind übrigens alle glücklich, außer dem Exchef halt, aber der war vorher schon knatschig, denn die unfassbare, total überraschende Schlusspointe ist, dass er in der gleichen Pflegefamilie war wie Christian und seit dessen Adoption neidisch auf ihn ist (Ui. Es ging also gar nicht um die Schnalle!). Den Abspann nach dem Abspann hat die Drechbuchregie übrigens bei den Tributen von Panem geklaut: ein Pärchen mit einem Kleinkind, sie eindeutig schon den nächsten Braten in der Röhre, alle glücklich, trieftriefkitsch.
Die unverfrorene Dreistigkeit, mit der diese Filmreihe mir erklären wollte, wie einerseits romantische, immerwährende, alles besiegende Liebe und andererseits BDSM-Sex aussehen sollte, hat mich mehr als einmal fassungslos den Kopf schütteln lassen. Abgewechselt hat sich das natürlich mit diversen Facepalms, hysterischen Lachanfällen und nicht sonderlich leise geäußerten „So ein Scheiß!“-Ausrufen. Aber damit war ich wenigstens nicht die Einzige.
Dem Kommentar meiner Begleitung nach dem Abspann, ein mit einem Grinsen serviertes „Sieh es mal so – jetzt kommt wenigstens kein Teil mehr!“ begegnete ich mit einem „Das sage ich mir seit einer Stunde. Und es ist der einzige Grund, warum ich nicht weine.“
Falls es unbedingt BDSM-Sex sein musst, gibt’s wahrscheinlich Millionen Pornofilme, die besser geeignet sind. Falls es unbedingt irgendein romantisch verklärter Kitsch sein muss, bin ich keinesfalls die richtige Ansprechpartnerin. Eins kann ich aber mit Gewissheit sagen: Shades of Grey ist schlicht und ergreifend verschwendete Lebenszeit und unter gar keinen Umständen ein Versprechen wert. Echt nicht. Nicht mal ein kleines.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
Ich beantrage die Übernahme der Kolumne durch Dich, dann wird man wenigstens mal mit dem morgendlichen Kaffee vernünftig unterhalten!
Da kannst Du Dir gerne auch jeden Kram aus dem TV zur Brust nehmen. Ich werde sicher auch ne Kolumne von Dir zu »Berlin Tag und Nacht« oder »Sturm der Liebe« feiern.
Vor allem spart man sich auf diese Weise das Ansehen von solchem Kram – in dem Fall halt 3x50=150shades.
Mitgelitten habe ich enormst. Und gelacht auch.
Thumbs up. Mehr davon!
Danke.
(Ich liebäugle aber tatsächlich ein bisschen. Pst!)
Ich bin bester Hoffnung. :-D
@keinB
Isch verrat Disch nisch!
Hä? Ich schreib nächste Woche doch gar keine.
(22.03.18)
Wie, erbettelt? War der Deal nicht, dass du mich danach favorisierst?^^
mir schwante schon ich wäre ein Leben lang dazu verdammt blind, blöd und kulturresistent in den "fifty shades of uneducation" herumzutapern...um überhaupt Gesellschaftsfähigkeit zumindest vorheucheln zu können...
puh...Morph
(22.03.18)
Danke und liebe Grüße
KB