keinEinhorn
keinEskapismus, keinRosa, keineLiebe.
Die Kolumne des Teams " keinEinhorn"
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Kein Einhorn, aber. Evolution auf Abwegen, Teil 1
von Owald
Liebe Leserin, lieber Leser,
in unserer neuen Reihe beschäftigen wir uns ganz bestimmt nicht mit Einhörnern, dies wäre thematisch schon aufgrund des Titels dieser Kolumne höchst problematisch, dafür jedoch mit anderen Geschöpfen, die ihr Dasein am Rande der Evolution verbringen oder -brachten, und die – dies ist dann wieder ein Berührungspunkt zum Einhorn – mit dem Begriff „Fabelwesen“ nicht gänzlich unzutreffend bezeichnet sind.
Im ersten Teil wollen wir uns heute der Gemeinen Pralldrossel widmen. Die genaue Herkunft und Abstammung dieser erstaunlich unbekannten Vertreterin der Gattung der Echten Drosseln ist noch ungeklärt. Zuerst beschrieben wurde dieser optisch betont unauffällige Vogel um 1340 von dem Rüdesheimer Universalgelehrten Ioannes Gregorivs Avspicivs Pech, der den Namen Gemeine Pralldrossel (Turdus Calamitatis) prägte und in die ornithologische Systematik einfügte.
Der Lebensraum von Turdus Calamitatis erstreckte sich seinerzeit über Mittel- und Nordosteuropa sowie die britischen Inseln. Vereinzelt wird von Sichtungen auf offener See, bis zu 300 Meilen vom nächsten Ufer entfernt, berichtet. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde die Gemeine Pralldrossel zunehmend seltener beobachtet. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gilt sie schließlich als ausgestorben. Das letzte gesichtete Exemplar verendete im März 1902 südlich von Kiel bei einem Zusammenstoß mit einer Windmühle.
Optisch wird die Gemeine Pralldrossel im Allgemeinen als auffällig unauffällig beschrieben. Mit einer Länge von etwa 12 Zentimetern inklusive Schwanzfeder und einer Flügelspannweite von 15 bis 18 Zentimetern fiel sie zwischen anderen heimischen Vögeln und selbst zwischen Kaninchen und Mardern kaum auf. Ihr Federkleid hatte eine mausgraue Farbe und wirkte offenbar oft recht ungepflegt. Auffällig waren allenfalls ihre meist brüchigen Schnäbel und vereinzelte asymmetrische Beulen am Oberkopf.
Dennoch gilt Turdus Calamitatis als eines der interessantesten Objekte der neueren archäologischen Vogelforschung, handelt es sich doch um den bis heute einzigen bekannten Vertreter der sogenannten Lauerbrüter.
Nachdem das Pralldrossel-Pärchen die Paarung vollzogen hatte, begann es unverzüglich mit dem Nestbau, zumeist auf niedrigen, stabilen Ästen flußnaher Laubbäume. Nach der Fertigstellung des Nestes verschwand die männliche Drossel dann in unbekannte Richtung und ließ die Drosselhenne alleine zurück. Diese versorgte sich fortan selbst mit Nahrung und Wasser, bis die Eiablage kurz bevorstand. Wenn es soweit war, zog sich die Henne schließlich gurrend und glucksend in das Nest zurück und legte 4 bis 8 befruchtete Eier.
Das dann folgende charakteristische Verhalten wurde über Jahrhunderte immer wieder beobachtet und wird von Fachleuten heute als Lauerbrut bezeichnet: Die Henne verläßt das Nest und ihr frisches Gelege und versteckt sich in 2 bis 5 Metern Entfernung im Schilf oder im hohen Gras. Das Gelege verliert sie dabei nie aus den Augen. So vergehen mitunter Stunden oder Tage.
Der dann folgende plötzliche Angriffsschrei der Pralldrosselhenne hat, den einschlägigen Berichten zufolge, die berichtenden Beobachter mindestens genauso erschreckt wie die Flora und Fauna im Umkreis von etwa zwanzig Metern und ganz offenbar auch die Henne selbst, die sich brüllend und bölkend aus dem Gras (oder Schilf) erhob und sich krachend auf ihr Gelege stürzte, um schließlich, als sei nichts gewesen, ihre Eier seelenruhig auszubrüten. Die Küken schlüpften nach drei bis fünf Tagen und wirkten in der Schilderung der meisten Beobachter recht gestreßt.
Das Aussterben der Gemeinen Pralldrossel beschäftigt die Wissenschaft bis heute. Wenn man die vorliegenden experimentellen Studien und empirischen Spekulationen etwas ordnet, laufen sie auf insgesamt drei mögliche Lesarten hinaus:
Die klassische Annahme besagt, daß die Lauerbrüter nicht genug Nachkommen hervorbringen konnten, weil in den Phasen des Lauerns die Gelege von Nesträubern ausgeräumt wurden, so daß sich die Hennen allzu oft schreiend in leere Nester stürzten. Alternativ existiert seit Langem die Theorie, daß beim Aufprall der brutwilligen Hennen ein großer Teil des Geleges zerstört wurde, so daß nur die wenigsten Küken die Brut überlebten.
Die neuesten Forschungen deuten freilich darauf hin, daß Nesträuber nie eine große Rolle gespielt haben, und daß auch der Verlust beim Brut-Aufprall in der Regel nicht nennenswert war. Dennoch war es wohl die Lauerbrut, die am Ende für das Aussterben von Turdus Calamitatis verantwortlich war: Neuesten archäo-neurologischen Forschungsergebnissen zufolge litten die meisten Pralldrosseln unter den Folgen frühkindlicher Schädel-Hirn-Traumata, die sie nur unzureichend kompensieren konnten. Immer wieder wurde von Pralldrossel-Hennen berichtet, die, ohrenbetäubend kreischend, beim Sprung das Nest verfehlten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es auch zunehmend Sichtungen von Pralldrossel-Pärchen, die mit dem Paarungsakt überfordert waren.
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir hoffen, wir konnten Ihnen die Gemeine Pralldrossel etwas näherbringen. Ihre Geschichte ist ebenso aufschlußreich wie tragisch. Können wir, die siegreichen Überlebenden der letzten Jahrhunderte, die aktuellen stolzen Anführer der Evolution, etwas für uns daraus mitnehmen? – Diese Frage möchten wir an Sie weitergeben und Ihnen die Antwort überlassen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören
und verbleiben mit
(Moment)
(Moment ...)
(Moment ... ... )
(Moment ... ... ... )
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gggnAAAAAAARAÄÄÄÄÄÄÄHHHIIIÄÄÄÄÄÄÄ!
- *fump*
(Enthält Ideenmaterial von Marla )
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
Du hattest vollkommen recht, Owald, dieses wunderbare und einzigartige Tierchen verdient besondere Aufmerksamkeit. Um ihr, der Pralldrossel, einen (selbst virtuellen) Lebensraum zu geben, fehlt mir, resp. meinem (Grund-)Besitz, allerdings die Flussnähe.
Aber.
*fump*
*fump.
Eine der ersten.
"Joa und dann is die Drossel in d'Winmühl' nei und da hots sie terschlogn als wie am Schlachthof unterm Beil und d'Leit hom gschaut und gschrien und die Katz hot si gfreit und s'Blut von der Stroßn gleckt - ja mei, des war a Gaudi. Und am End homs si oil beim Stößlerwirt gtroffn und bsoffn und da goabs a pfundige Keilerei."
Wobei ich mich auf diesem Gebiet auch nur rudimentär auskenne.
Der Verbleib von Teil 2 (freut mich, daß Du Dich interessierst!) ist momentan noch ungeklärt. Man munkelt, er sei ausgestorben.
Wenn das stimmt, erscheint er in den nächsten Wochen an dieser Stelle.
:-)