keinEinhorn
keinEskapismus, keinRosa, keineLiebe.
Die Kolumne des Teams " keinEinhorn"
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Von Hosen und Zeremonien
von Owald
In einem Ladenlokal, das an meinem Weg zur Arbeit liegt, hat vor einigen Wochen eine Textilreinigung eröffnet. Plakate und auffällige Werbetafeln weisen auf die Neueröffnung hin, und als Sonderangebote zur Feier der Eröffnung werden diverse Dienstleistungen rund um die Hose zu vergünstigten Preisen beworben. Soweit, so gut, ich freue mich immer, wenn ein bodenständiger Handwerksbetrieb in zuvor leerstehenden Geschäftsräumen ansässig wird, und wünsche dem Unternehmen von Herzen viel Erfolg.
Nun bin ich, wenn ich mich morgens mit dem Linienbus zur Arbeit chauffieren lasse, meist noch recht müde und schlaftrunken. Ich weiß nicht, ob es daran lag, oder an einer bestimmten Anordnung der Werbebotschaften, vielleicht lag es auch an gewissen Voreinstellungen meiner Synapsen; jedenfalls nahmen meine Augenwinkel in den ersten Tagen beim Vorbeifahren immer nur wahr: „Neueröffnung Hose“. Dies brachte mich innerlich jedesmal ein bißchen zum Kichern. Hose, Eröffnung. Offene Hose, hihi.
Mit der Zeit kam ich jedoch ins Nachdenken. Wird eine Hose nämlich feierlich neu eröffnet, kann man daraus mit einiger Sicherheit schlußfolgern, daß sie in der Zeit davor länger geschlossen war. Dies ist nun bei Hosen, die verschlossen im Kleiderschrank lagern, nicht weiter problematisch. Allerdings wird man bei diesen Exemplaren wohl kaum eine feierliche Neueröffnung erwägen.. Die Neueröffnung einer am Körper getragenen Hose jedoch – hier handelt es sich naturgemäß in der Regel um eine Wiedereröffnung – stelle ich mir in der praktischen Durchführung äußerst heikel vor. Immerhin wird gemeinhin erwartet, daß man hinter dem neu eröffneten Eingang auf ein interessantes, einladendes und im besten Falle auch frisch renoviertes Gebiet trifft. Dies erfordert verständlicherweise höchst anspruchsvolle und professionelle Vorbereitung und Umsetzung. Ist diese nicht gegeben, kann es im Einzelfall zu sehr unappetitlichen Enttäuschungen kommen.
Vielleicht, so mutmaßten meine nun beinahe wachen Gedanken weiter, könnte so eine Neueröffnung aber auch in einem ganz anderen Kontext stehen: Denken wir einmal an romantische Situationen. (Wenngleich ich persönlich zugeben muß, daß ich auf diesem Gebiet nicht immer ein glückliches Händchen hatte – aber das steht auf einem anderen Blatt.)
Man stelle sich also die folgende Konstellation vor: Man kommt abends von der Arbeit nach Hause und ist noch mit der Partnerin oder dem Partner verabredet. Man schält sich aus den verschwitzten Jeans, macht sich frisch und zieht sich um. In frischen, fluffigen Anzughosen empfängt man wenig später den geliebten Menschen und hat eine kleine Zeremonie zur Eröffnung der Hose vorbereitet, mit stimmungsvoller Musik und intimer Beleuchtung. Dies kann womöglich zu einer insgesamt angeregten Atmosphäre beitragen, die einen gelungenen Abend ermöglicht, auf dessen Details wir hier nicht weiter eingehen müssen.
(Aus Sicherheitsgründen möchte ich in diesem Zusammenhang allerdings von Ritualen, die das feierliche Durchschneiden eines Bandes beinhalten, dringend abraten.)
Ich vermute übrigens, daß besagte Textilreinigung mit Ihrer Werbung tatsächlich ähnliche Zeremonien im Sinn hatte – immerhin steht da, wie ich später feststellte: „Neueröffnung nach Umzug“.
Ein Bekannter von mir wird sich in Kürze hier im Viertel selbständig machen. Ich überlege noch, ob ich ihm beim Marketing zur Eröffnung beratend zur Seite stehen möchte:
Er ist Chirurg.