keinEinhorn

Über Wölfe und Schafe aber nicht über Einhörner

von  Judas

In einer Welt voller Schafe muss man ein Wolf sein! Wer kennt diesen erheiternden Spruch nicht. Wo der Wolf sich überall herumtreibt! Auf der Wallstreet, als Gegenargument zu den “sheeple” (schönes Wort, gebaut aus “sheep” und “people” aber leider wirklich inflationär benutzt), gibt Leute, die mit ihm tanzen, einsam soll er wohl auch sein und aus irgendeinem Grund möchten die Menschen immer Wolf sein. Sie möchten Wolf statt Schaf sein, jedes Schaf wäre gerne ein Wolf, die meisten Schafe halten sich für Wölfe und bezeichnen alle anderen als Schafe während sie selbst ja Wolf sind, aber...
habt ihr euch mal überlegt, dass die echten Wölfe eigentlich viel lieber Schaf wären?
Wer will denn schon wirklich Wolf sein?
Wölfe wurden dämonisiert schon seit Jahrhunderten, ausgerottet in vielen Ländern. Und kehren sie mal vorsichtig, behutsam und mit einer weißen Friedensflagge in die Wälder zurück, werden sie sofort wieder gehasst, sollen erschossen werden, sind ja gefährlich für Schafe und Kinder und das Rotkäppchen und wen nicht noch alles.
Möchtest du in Deutschland (zum Beispiel) wirklich ein Wolf sein? Willst du jedes Mal die Schnauze hinhalten, wenn irgendein Streuner wieder schlechte Presse macht, willst du grundlos von Omma gehasst werden, die ja “gar nicht mehr unbedenklich mit den Enkelchen im Wald spazieren kann”? Zeigt sich dann nicht, dass alle auf einmal auf der Seite der Schafe stehen?


Nun, wir bewegen uns ja hier aber nicht in der realen Welt, sondern der Welt der Metaphern und dort sowie auf sehr trashigen T-Shirts von sehr trashigen Wochenmärkten findet man eben noch Wölfe.
Das Schaf als Analogie für den Mitläufer, der nicht selber denkt und nur blökt, was die anderen blöken und der Wolf als das Sinnbild für den, der's versteht, der den Durchblick hat, der über den Schafen steht, der eben kein Schaf ist.
Hm.
Und Wölfe sind wohl keine Mitläufer? Wenn sie so im Pack ihrem Alpha-Wolf hinter her trotten?
Nächstes mal, wenn man Wolf sein will, also bitte spezifizieren: man möchte Alpha-Wolf sein.
Wobei du dann aber eben auch einen Haufen Trottel hast, die dir irgendwie am Hintern kleben und auch nur machen, was du heulst äh sagst, statt für sich selbst zu denken.
Also doch einsamer Wolf sein!
Aber die haben's schwer. Also wirklich, wirklich schwer. Wölfe sind ja nicht ohne Grund Rudeltiere, wären sie's nicht, wären sie Tiger geworden oder Honigdachs oder so. Und wer ein einsamer Wolf ist, hat sowieso irgendwie verkackt weil er/sie/es von seinem Rudel offenbar verstoßen wurde und dafür gab's ja bestimmt einen guten Grund, denk da mal drüber nach.


Und Schafe? Habt ihr euch Schafe mal angeschaut? Die chillen den ganzen Tag. Werden geliebt und gemocht und beschützt. Okay vielleicht sind sie nicht unbedingt die schlausten Tiere, die auf diesem schönen Planeten ihre Runden ziehen, aber zumindest werden sie nicht gehasst.


“Lieber ehrlich und gehasst als verlogen und angepasst!” schreist du da mit deiner Wolfsmütze und ich denk mir: ja aber Schafe sind doch weder verlogen noch angepasst und du lügst auf jeden Fall, wenn du so tust, als wärst du ein Wolf und dabei bist du nicht mal ein Schaf, denn Schafe sind nett und machen sich in unserer Gesellschaft nützlich, sagt zumindest mein Wollpulli.


Was ich bin?
Schwer zu sagen.
Molch, vermutlich.
Denn der Molch macht's.




Bild © Katz und Goldt