Aufgespießt
Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag
Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"
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Masse statt Klasse?
von AlmaMarieSchneider
Nach dem auch Frau Dr. Silvana Koch-Mehrin, Mitglied des Europäischen Parlaments, der Doktortitel durch die Universität Heidelberg entzogen wurde, fragt man sich, wie es möglich ist, daß so viele abgeschriebene Texte von den Gutachtern übersehen werden konnten.
Frau Koch-Mehrin gab an, dass der Universität die Mängel ihrer Doktorarbeit durchaus bekannt waren. Nun erfährt man von den Universitäten, dass sie ihre Wertung nach der Quantität der verliehenen Doktortitel erhalten. Die Qualität der Arbeiten werde bei dieser Wertung, an der auch die Vergabe der staatlichen Zuschüsse hinge, nicht berücksichtigt.
Es stellt sich nun die Frage, ob bei der Vergabe der Doktortitel die Gutachter ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben um den Anspruch der verlangten Menge zu erfüllen. Daraus könnte sich so etwas wie eine betriebliche Übung entwickelt haben aus der Doktorranden Rechte ableiteten dass bestimmte Mängel geduldet werden.
Könnte Frau Koch-Mehrin nachweisen, dass bisher nur die Spitze eines Eisberges aufgedeckt wurde und „abschreiben“ zur geduldeten Praxis wurde, könnte ihre Klage erfolgreich sein. Für unsere höchste Bildungsschicht könnte sich daraus ein unerfreulicher Skandal entwickeln. Frau Koch-Mehrin und auch andere vom Entzug ihres Titels betroffene Politiker wären gegenüber ungeprüften Arbeiten dann benachteiligt. Natürlich stelle ich hier eine an den Haaren herangezogene Vermutung auf, doch was wenn Doktorväter sich vom Leistungsdruck jagen lassen müssen und die Zeit für sorgfältige Gutachten gar nicht vorhanden ist, sonder nach Treu und Glauben durchgewunken wird? Fragt sich dann nur, was so ein Doktortitel eigentlich noch Wert ist.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
Frau Koch- Mehrin kann gar nichts "nachweisen" - sie kann nur kopieren. (Und vielleicht auch noch in die Kameras lächeln.)
Die "höchste Bildungsschicht" reproduziert und stabilisiert sich höchstens zweitrangig über kulturelle bzw. "bildungsträchtige" Leistungen. Das geht in diesem kohlympischen "Rohstoff Wissen"- Ländchen damit richtig los, dass beim nachwachsenden Humankapital schon in der Grundschule der sozioökonomische Status der Eltern mitbenotet wird, und hört mit dem separatistischen "(Doktor)doktorville" der "Eliten" auf (bzw. stagniert in diesem Förmchen für den Glanzkasten).
Inhaltlich: Ich frage mich das nicht. Viele Professoren sind, um es glasklar zu sagen, faule Säcke, die oft die Arbeiten ihrer Doktoranden nicht oder nur teilweise lesen. Das soll nicht die Schuld von den Kopierern und Titelerschleichern abwälzen, die dem deutschen Bildungssystem einen Bärendienst erwiesen haben!
Deine Aussage (und auch reale Aussagen aus diesen Kreisen) bestärken meine Fiktion.
Wenn ein Kind aus einem Akademikerhaushalt mäßige bis durchschnittliche Leistungen erzielt, liege es eher an fehlender Anstrengung, da die Eltern jenem eigentlich genügend "Anregungspotenzial" durch kulturelles Kapital bieten können - Gymnasialkarriere? Möglich, besonders auch, wenn es ein (fleißiges) Mädchen ist (aktuelles Problem: verschwommene Differenzierung zwischen Hochbegabten und "Hochleistenden").
Wenn ein Kind aus einem "Unterschichten"-/Arbeiterhaushalt mäßige bis durchschnittliche Leistungen erzielt, liege es eher an fehlender Begabung (den Eltern wird dazu noch wenig an Hilfestellung zugetraut) - Gymnasialkarriere? Eher nicht, besonders bei männlichen Kandidaten mit Migrationshintergrund. (klassische soziologische Wortschöpfungen: "vom katholischen Arbeitermädel vom Lande [=die vier Gruppen, die hinsichtlich der Bildungsmöglichkeiten strukturell benachteiligt wurden] zum Migrantensohn aus einer bildungsfernen Familie [=die drei Gruppen mit aktueller Benachteiligung hinsichtlich Bildungszugängen und -abschlüssen]".)
Deswegen argumentiert man, dass LehrerInnenempfehlungen - besonders zum Übertritt - schichtspezifisch "eingefärbt" sein könnten.
Speziell zum Thema: Es heißt, die Unis hätten bis dato noch keine wirksame Plagiatssoftware großflächig einsetzen können - und kann sich ein/e Professor/in an des Wortlaut jedes relevanten (nicht angegebenen) Buches unter den tausenden pro Fach in der Unibib erinnern? Das macht es "TrickserInnen" wie Koch- Mehrin leichter, wenngleich es auch einen "p-Schwergewichtsbonus" gegeben haben könnte.
Wenn das Ganze - auch der dt. "Titelf*tischismus" - jetzt geerdet werden könne - umso besser, wobei das personifizierte "ständegesellschaftliche" Denken mit dem Bildungsgrad als Selektionsfaktor wohl nur schwerlich auf seinen "Patchworkwissensteppich", der heutzutage ausführlich, beredt und fleißig geknüpft wird, kommen wird.