Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Mittwoch, 10. November 2021, 11:06
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Zum ersten Mal in meinem Leben gestreamt!

von  Dieter_Rotmund


Es gibt ein Phänomen unter Streamern, das offenbar pandemisch, also universal ist: Sie können sich nicht entscheiden, was sie sehen (streamen) wollen.
Kürzlich war ich eingeladen, zum Filmgucken mittels eines Streamingportals. Kühles Bier und selbstgemachtes Popcorn lockten. Dafür nahm ich sogar in kauf, dass wir nur einen mickrigen 12 Zoll-Laptop-Bildschirm nutzten.
Das Angebot auf dem Streaming-Portal (ohne Zusatzkosten) war qualitativ nicht berauschend, aber recht ordentlich. Vor allem freute es mich sehr, dass man viele Filme OmdU (Originalfassung mit deutschen Untertiteln) sehen konnte. Ich stöberte also herum, aber auf alles, was ich vorschlug, kam die Antwort: "Alles, nur gerade sowas nicht!", obwohl ich nur die dort verfügbaren Mainstream-Filme vorschlug. Und so kam es, dass "Alles" schnell auf einen ganz kleinen Kreis zusammenschmolz. Schließlich schlug ich The Mountain Between Us (USA 2017, mit Kate Winslet!) vor, was ihre Zustimmung fand. Doch kaum hatte der Film wenige Sekunden hinter sich, schrie sie auf, den hätte sie schon gesehen! Also das ganze Procedere nochmals und eine ganze Weile später lief dann unausgebremst The Wolf of Wall Street (USA 2013). Nach einer Dreiviertelstunde war der 180-Minutenschinken auserzählt. Alles was dann noch kam, war eine weitere Variation der finanziellen und persönlichen Ausschweifungen der von Hybris gekennzeichneten Hauptfigur. Diese sehr redundante Handlung sahen wir uns noch bis Minute 90 an, dann spulten wir stückchenweise vor, um uns den Absturz der Hauptfigur anzusehen. Dieser war aber leider sehr lahm inszeniert. Insgesamt also ein völlig überflüssiger Film. Sehenswert bestenfalls der Kurzauftritt von Matthew McConaughey als ganz überskurriler Börsenmakler.
Überhaupt sind viele dieser "Broker-Filme" für die Tonne. Lustig anzusehen ist vielleicht noch Trading Places von 1983 und The Company Men (2010) ist ein gelungenes Drama, finde ich, aber dort geht es eher um das Leben-nach-der-Wall-Street der Hauptfigur.
Nun, es war ein schöner Abend mit Bier und Popcorn und dem Austausch des neusten Tratsches und der Gerüchte. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben "gestreamt". Ich hätte ja am liebsten eine Serie "gebingt", irgendwas mir bis dato unbekanntes, weil nur auf Streaming-Portalen verfügbar.
War nett. Aber Kino im echten Saal ist um Lichtjahre besser. Das Phänomen des Sich-Nicht-Entscheiden-Könnens ist mir auch von anderen Streamern bekannt. Sie können sich angesichts des Überangebots nicht entscheiden, erzählen sie, und schauen dann doch nichts oder brechen vorzeitig ab (nun ja, wie auch wir mit The Wolf of Wall Street). Ist das nicht frustrierend? Da freue ich mich doch lieber auf das nächste große Filmfestival, das (Start heute!) in meiner Region kommt. Dort sind alle Filme sehr sorgfältig ausgewählt - Abbrüche oder Enttäuschungen sind so gut wie ausgeschlossen. Der Dezember wird hier leider keine Filmfestivals bieten, aber ich hoffe dennoch auf ein gutes Angebot in den Programmkinos.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Graeculus (11.11.21)
(Mal abgesehen von dem Unterschied zwischen Kino und heimischem Bildschirm, worüber wir nicht derselben Meinung sind:)
Als langjähriger Sammler von Filmen staune ich darüber, daß man heute (fast) alle Filme in Streaming-Portalen bekommt. Da scheint das Sammlen überflüssig. Allerdings zahlt man außer einer Gebühr auch noch mit seinen Daten, was ich persönlich für einen Nachteil halte.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 12.11.21:
Kurios ist, finde ich, dass man als Streamingkunde diese Filme keinesfalls besitzt, sondern fürs Geld bestenfalls eine Art zeitlich beschränktes Zugriffsrecht hat. Und Amazonprimeln berichten mir, dass sie aufgrund ihrer ausgehorchten Sehverhalten allerlei scheinbar passenden Plunder angeboten bekommen. Am schlimmsten ist ja die Stasiröhre "alexa", aber das ist ein ganz anderes Thema.
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