Racheengel

Kurzprosa zum Thema Idee(n)

von  souldeep

Illustration zum Text
Red Face
(von souldeep)
lll

Während andere Kinder kleine Vögel, Insekten und Frösche quälten,
hatte Angelina kein Vergnügen daran gefunden. Noch nie.
Sie kannte selbst den Schmerz und diese Ohnmacht nur zu gut.
Sie wollte lieber die Grossen ärgern.
In ihren Augen waren die alle Monster. Mit ihren oft unförmigen Körpern
verströmten sie Schatten und Düfte, die ihr Schwindel und Angstschweiß
verursachten – gerade die Männer fand sie besonders ätzend.
Die Frauen – die waren vordergründig entweder schön oder eingebildet.
Einige einfach nur hässlich und sicher auch bösartig…ähnlich wie Männer eben.
Viele der eher schöneren Sorte taxierte Angelina trotzdem
als gefährlich ein, denn wie sonst konnte sie sich erklären,
dass Kinder von Männern misshandelt wurden, während Mütter
nebenan nicht ihre Münder auftaten?
Dann gab es auch Frauen, die sich von Männern täglich schlecht behandeln
ließen, und jene, die keine Kinder hatten, waren ihr auch nicht geheuer.
Irgendwie wollte sie sowieso nie erwachsen werden – wozu denn diese Weiber verstehen?

Einmal, als sie den Nachbarn in der Nacht zuvor wieder hatte schreien und
poltern hören, als die kleine Stimme des Mädchens zittrig flehte, er möge
sie nicht schlagen, da konnte Angelina für den Rest der Nacht an nichts
anderes mehr denken, als an Rache. Im Keller ihres
Wohnblocks tüftelte
sie an einer Falle für den bösen Mann.
Sie hatte seit langem eine Batterie, etwas kleiner als die in den Autos und
diverse Kabel und Klammern gesammelt.
Davon baute sie einen kleinen Zaun, den sie an ein paar Latten im
Zickzack festmachte. Dann grub sie einige Sträucher in der Umgebung aus,
pflanzte sie in kleine Töpfe aus Plastik, die sie im Müll gefunden hatte,
und stellte alles in den Hinterhof…dort, wo nur Ratten und verlorene Kinder
sich manchmal verirrten.

Früher, als sie mal von zu Hause ausgerissen war, und auf dem Land für kurze
Zeit in einer Scheune Unterschlupf gefunden hatte, lernte sie durch Beobachtung,
wie man eine Batterie pflegt und einsetzt.

Noch heute erinnert sie den warmen Geruch der Kühe und Schafe, wenn sie
an ihre Nächte neben dem Stall dachte. Es war das einzige Mal in ihrem Leben
gewesen, wo sie eine gewisse Wärme empfangen hatte…

Der Bauer war ein mürrischer Kerl, dem sie lieber nicht begegnen wollte –
aber seine Frau, die klein und etwas fahrig wirkte, im Herzen aber eine zarte
und liebevolle Person, wurde für kurze Zeit ihre einzige stille Freundin…
Der Bauer war handwerklich sehr geschickt und reparierte fast alles
auf dem Hof selbst. So beobachtete Angelina ihn heimlich, wenn er die
Umzäunung für die Tiere wieder funktionstüchtig machte.
Bevor sie den Bauernhof verlassen musste, nahm sie dann heimlich
eine der guten Batterien samt Zubehör mit.

In einer lauen Sommernacht schlich sich Angelina zum Nachbarshaus
mit ihrem Gepäck. Sie kannte den Tagesablauf des Säufers bereits und wusste,
er würde nicht vor Mitternacht zurückkehren heute.
Still grub sie die Pflanzen in die Erde, ins wirre Durcheinander des ungepflegten
Gartens. Dahinter stiess sie die Holzlatten in den Boden und zog die Pflanzenarme
geschickt über den Draht, sodass er nicht mehr zu erkennen war.Das Kabel
zur Batterie hatte sie absichtlich lang gehalten, damit diese weit weg vom
kleinen Zaun platziert werden konnte, denn sie tickte ja ziemlich laut.

Als der Nachbar sturzbetrunken und johlend heimkehrte und wie immer
noch einmal seinen Alkoholpegel ausglich, indem er in den Garten pinkelte,
stand Angelina, schwarz wie die Nacht, mit hämischem Grinsen hinter dem
Buchsgestrüpp.Es dauerte nicht lange, bis der Kerl einen Stromschlag abkriegte,
den er bis ans baldige Ende seines Lebens nicht mehr vergessen sollte.

Bevor jemand sein Gejammer ernst nahm, war die ganze Installation
bereits wieder verschwunden und nur ein Mensch tanzte in dieser Nacht
beinahe hysterisch lachend durch die dunklen Gässchen der kleinen Stadt…

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Balu (57)
(19.06.07)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 souldeep meinte dazu am 21.06.07:
die blechtrommel hab ich noch gar nie gesehen - auch nicht
gelesen...
aber ich vermute, dass da ähnlichkeiten sind.

dein blicken ins wesen und bis in die zukunft lässt angelina ganz
lebendig werden, lieber balu, und ich freue mich, dass einer da
ist, der versteht, wovon ich schreibe!

hab ganz lieben dank dafür,
kirsten

 rela (22.06.07)
In dieseer Episode stelle ich mir die Frage wie alt Angelina wohl
ist. Ein Kind, eine Jugendliche. Aber wie dem auch sei, sie hat schon einen klaren Blick für Ungerechtigkeiten. Sicher auch eine Menge bitterer Erfahrungen selbst erlebt. Wie schlimm,
in zartem Alter, die Wärme von Tieren als erste positive Erfahrung im Leben zu empfinden. Sie hat Respekt vor den
Tieren und kann deren Qualen nachempfinden. Warum wohl?
So, nun lese ich gespannt den nächsten Teil. Liebe Grüsse
an die wunderbare Erzählerin von Rela

 souldeep antwortete darauf am 22.06.07:
Liebe Rela,
dass du so treu mich begleitest mit Angelina, das tut mir gut.
Ja, sie ist bereits eine Jugendliche...
Ja, wer von Menschen sehr enttäuscht wird, von Anfang an,
der wendet sich oft auf verbündende Weise den Tieren zu.
Hab Dank für deine Gedanken dazu und sei ganz lieb gegrüsst,

Kirsten :)
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram