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Spaziergang des Grauens

Roman zum Thema Angst

von  Omnahmashivaya

Harm saß im wohnzimmer. Es war kurz nach Zehn Uhr Abends und durch die Jahreszeit schon sehr düster draußen. Das Ticken der Uhr in der Stille machte Harm rasend und nervös. Im Zwischentakt klopfte es hin und wieder metallen in der Spüle, nebenan, in der Küche. Der Wasserhahn war nicht ganz dicht. Harm sah, wie sich das Wasser aus dem Hahn langsam am Ausgang dieses sammelte. Gleich würde ein Tropfen enstehen, der durch die Schwerkraft langsam zum Boden der Spüle fallen würde. Tick tack plopp tick tack plopp tick tack tick tack plopp. Harm knackte mit den FIngern, rieb sich die Handoberflächen und wusste, dass er raus gehen musste. Er hielt es in der erdrückenden Stille nicht mehr aus. Just in dem Moment klingelte das Telefon. Erstarrt vor Schreck rutschte Harm nervös mit seinem Stuhl auf dem Parket nach hinten, so dass ein quietschend knarzendes Geräusch enstand. Wer konnte das bloß sein? Um diese Uhrzeit? Sein Chef, der ihm Einen husten würde, weil er vielleicht das Büro nicht abgeschlossen hatte? Die Polizei, weil vielleicht Jemand mitbekommen hat, dass er manchmal heimlich in das dritte Fenster rechts oben von der Mitpartei mit der rosafarbenen Fassade, späht? Immer dann, wenn er es dunkel macht, damit er besser schauen kann, wenn gegen 23:45 Uhr die junge Studentin nach Hause kommt und sich umzieht. Diese Silouette. Einfach der Wahnsinn. Vielleicht war es auch bloß die GEZ, Vorwerk oder die Fitness Company, die wieder irgendetwas andrehen wollen würde. Auf jeden Fall hielt es Harm für besser, nicht an das Telefon zu gehen. Irgendetwas unangenehmes könnte es ja schließlich sein. Das Klingeln verstummte asbald und schon machte sich Harm Gedanken, ob es vielleicht ein Anruf vom Krankenhaus gewesen sein könnte, weil etwas mit der Familie oder einem Freund nicht in Ordnung war. Gewissensbisse plagten Harm und er beschloss am nächsten Tag einen Anrufbeantworter für den Fall der Fälle zu besorgen. Dann hätte diese ständige Angst vor unangenehmen und unpassenden Anrufen vielleicht einmal ein Ende. Doch das war nicht Alles. Seit längerer Zeit meinte Harm regelmäßig bei Telefonaten ein Knacken zu vernehmen. Das machte ihn unsicher. Am Telefon konnte es nicht liegen. Es war noch relativ neu. Harm beschloss nun endlich ein wenig frische Luft zu schnappen. Er ging nicht gern raus um diese Uhrzeit, aber er musste raus aus dieser Stille. Vielleicht würde er den kleinen Spaziergang um den Block mit einem Tabakkauf beim Leo, dem Kiosk an der Heidbrunnstrasse verbinden. Bevor Harm die Wohnung verließ, vollendete er erst sein Ritual. Er schaltete den Fernseher ein, ließ das Licht an und steckte einen schmalen Papierstreifen in zwischen Tür und Angel, als er abschloss. Das war eine kleine Markierung und ein Zeichen. Die kleine schwarze Lasche am Tüschloss drehte er auch auf halb Acht. So konnte er beim Zurückkommen bemerken, wenn vielleicht ein ungebetener Gast eingedrungen war, in seine Wohnung. Langsam begab Harm sich in die Dunkelheit. Er bog den schmalen Spazierweg hinter dem Baumarkt ein. Dort waren ein paar grüne Flecken. das würde ihm sicherlich gut tun. In den Büschen raschelte es. Harm zuckte zusammen. Sicherlich war es nur eine Ratte oder ein Vogel. Irgendwie fühle Harm sich nicht wohl in seiner Haut. Etwas in ihm drin schrie. Da kochte etwas. Er konnte sich das nicht erklären. Langsam kroch sie wieder hoch, diese Angst. Zuerst in den Fuß- und Fingerspitzen und dann, Gänsehaut hinterlassend, bis hoch in den Kopf. Der Kiefer kribbelte argwöhnisch, Harm fror. Von weitem sah' er nun schon den kleinen Kisok. Nach einer Zigarette würde er sich sicherlich wohl fühlen. Verstohlen blickte er sich noch einmal um, ob ihm auch Niemand folgte. Dieses Gefühl war schlimm geworden in der letzten Zeit. Er träumte viel, schlief schlecht und ins Internet ging er gar nicht mehr. Die Gefahr war zu groß. Überall lauerten Gefahren. Endlich erreichte er den Kisok, holte sich zwei Packungen Samson und beschloss einen belebteren Weg nach Hause einzuschlagen. An der Helgastrasse machte sich ein Mann an einem Papiercontainer zu schaffen. Harm hielt kurze Zeit inne. Der Mann, wohl eher ein Jugendlicher, schwang sich auf sein Skateboard und raste von dannen. Das war noch einmal gut gegangen. Bei den Gestalten wusste man ja heutzutage nie. Doch plötzlich höre Harm wieder da Scheppern. Da war der junge Mann mit dem Skateboard wieder. Ob er wohl etwas im Schilde führte? Harm ging ein wenig hastiger den Weg entlang und drehte sich immer wieder nervös um. Die Gestalt auf dem Skateboard stand nun und wirkte im Licht der Straßenbeleuchtung ein wenig schaurig. Ob er ihm folgen würde? Er hatte sein Portomonnai dabei. Vielleicht wollte man ihm etwas stehlen?! Harm ging immer schneller und begann schließlich zu rennen, als er merkte, dass der Skateboardfahrer ihm folgte. Keuchend, nach Luft schnappend, hielt Harm irgendwann an und bemerkte, dass er den Skateboarder wohl abgehängt hatte. Das ist noch einmal gut gegangen. Aber was wäre, wenn er ihn bloß aus den Augen verloren hätte, er aus der nächsten Seitenstraße herangebrettert kommen würde oder einen Frontalangriff starten würde. Vielleicht war er auch immer noch hinter ihm, ganz dicht auf seinen Fersen, das Skateboard unter dem Arm. Es war nicht mehr weit bis zu Harms Wohnung und erleichtert drehte er den Haustürschlüssel zum Flur des Miethauses auf. Nachdem er seine Zeichen an der Tür sorgfältig kontrolliert hatte, setzte er sich ins Wohnzimmer, legte die Beine hoch und drehte sich eine Zigarette. Doch gerade, als er den ersten Zug geniessen wollte, hörte er ein knacken aus der Küche. Der Boiler war doch aus und Mäuse gab es bei ihm nicht. Was war das bloß gewesen? Die Küchentür stand offen. Vielleicht war Jemand durch das Fenster eingedrungen? Gespenstisch wirkte es, wie ein großes unbekanntes Loch. Leider war ihm noch heute die Glühbirne in der Küche kaputt gegangen und somit hatte er keine Chance, Licht zu machen. Harm bangte. Vorsichtig schlich er zur Tür und drückte sie dann mit Karacho nach innen, bis zum Anschlag. Irgendetwas stoppte. War es ein Eindringling? Oder bloß die Papiertüte mit dem Abfall, den er seit Tagen nicht rausgebracht hatte? Er holte den Besen aus der Kammer, versuchte durch den schmalen Spalt der Türe hindurchzustochern. Nichts regte sich. Sollte er etwas hinter die Tür werfen? Vielleicht würde sich dann etwas bewegen. Doch nichts passierte. Harm blieb nichts anderes übrig, als den Mut zu fassen, hinter die Tür zu schauen. Der Herzschlag schlug ihm bis zum Hals. Vorsichtig lugte er hinter die Tür. Dort strand nur eine Papiertüte mit Müll. Und der Wasserhahn tropfte noch hin und wieder. Sicherlich war Harm zu übermüdet vom Tag. Das würde es wohl sein ...

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Kommentare zu diesem Text


 NormanM. (10.11.09)
Richtig spannend geschrieben und sehr lebending. Hat er es sich wirklich nur eingebildet oder ist dort jemand? Also diese geschichte muss unbedingt weitergehen.
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