Eine Nacht von vielen ...

Kurzprosa zum Thema Krankheit/ Heilung

von  Mutter

Das Kind ist explodiert. Mitten im Flur.
Alles in Mitleidenschaft gezogen: Mäntel, Jacken, Schuhe und Schals.
Ich stehe dort in der Verwüstung, und bezwinge meinen Würgreiz. Die sauren Dämpfe beißen mir in die Lunge, verätzen mich. Mir ist schlecht.
Aber ich will mich nicht ergeben. Kann das nicht. Nicht auch noch ich.

Das Kind steht neben mir, schlotternd kalt. Nackt.
Ich kleide es neu ein, schicke es ins Wohnzimmer. Schwanke zwischen Wut, Mitleid und Zerzweiflung. Das Kind kann doch nichts dafür. Oder?
Es kommt nicht zurück ins Bett. Nicht, bis ich die gröbsten Schäden beseitigt habe, und die gesperrte Zone mitten im Flur wieder begehbar ist.
Mir ist auch kalt. Meine Hände stinken. Alles stinkt.
Neben mir stehen stolz die leeren Pappzylinder von unzähligen Rollen Küchenpapier, salutieren mir. ‚Gute Arbeit, nur weiter so’, scheinen sie zu sagen.
Ich seziere die Katastrophe: Mittag, Kuchen, Abend.
Mir wird schwindelig. Ich mache weiter.

Irgendwann ist es fast wieder im Griff. Alles in Küchenpapier oder der Badewanne eingedämmt, wartend auf den Müll oder die Dusche und die Waschmaschine. Der Flur riecht nach Desinfektion, so wie früher die Schulklos. Und so wie früher das Duft-Mäntelchen nicht gegen den Ammoniak angekommen ist – genauso vermischt sich jetzt in meinem Flur der Geruch von gewollten und ungewollten Gerüchen.

Ich schicke das Kind wieder ins Bett. Selber gehe ich nicht schlafen – werde ohnehin kein Auge zutun. Zu markant die Bilder und der Geruch, den ich nicht loswerde, trotz Scheuermilch und Dusche, und der mich frohlockend jedes Mal aufs Neue im Flur begrüßt.
Die Schlacht ist vorbei. Für heute Nacht.
Morgen? Keine Ahnung. Neulich hat sich das Kleinste ins Bett ergossen, und alles hat die Matratze aufgesogen. Das Mittlere? War noch nicht dran. Vielleicht morgen Nacht.
Ich schließe müde die Augen.

Anmerkung von Mutter:

Ziemlich roh und unfertig ...

Aus aktuellem Anlaß. ;)

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(01.12.08)
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 Mutter meinte dazu am 01.12.08:
Ach, hinterher ist alles halb so schlimm ... ;)

Und aus Leiden entstehen Geschichten - jedenfalls hat meine Tante Gerda das immer gesagt. Das ist die, die so aus dem Ohr riecht ...
markkkk (28)
(01.12.08)
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 Mutter antwortete darauf am 01.12.08:
Nee-nee, liegst schon ganz richtig. Und scheint in Berlin genauso virulent zu sein ...

Wer Kinder hat, darf sich an sowas mehrmals im Jahr erfreuen - braucht irgendwer zufällig drei Kinder, zwei halb-starke Mädchen und einen aufblühenden Teenager? Günstig abzugeben ... :D
sonnengrau (26)
(02.12.08)
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 Mutter schrieb daraufhin am 02.12.08:
Vielen Dank ... :)
Mit dieser Formulierung hat auch alles angefangen, direkt in der Nacht. Und die wollte einfach nicht mehr weggehen.

Und ja, es scheint, als würde der Morgen langsam dämmern ... ;)
shadowhunter (28)
(04.12.08)
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 Mutter äußerte darauf am 04.12.08:
Danke schön - heißt das, das passiert mir jetzt nie wieder? ;)
Hätte ich wohl nichts dagegen ... :D
shadowhunter (28) ergänzte dazu am 06.12.08:
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 Mutter meinte dazu am 07.12.08:
Och nööööö ... :)
Steinwolke (65)
(05.12.08)
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 Mutter meinte dazu am 05.12.08:
Oh Gott ja, auch eine schöne Vorstellung ... :D

Stimmt, ich erinnere mich an früher, Holunder hat eine prima Farbe, um als Blut substituiert zu werden. :)

Gruß, M.

*edit: Voll fies, jetzt raff' ich's erst ... :D
Du bist diss - herzlich willkommen.

Zur Erklärung: Der kleine rothaarige Junge war ich. An den Vorfall kann ich mich aber - natürlich (mein Anwalt nickt) - nicht mehr erinnern ...
(Antwort korrigiert am 05.12.2008)

 Cassandra (09.12.08)
Oh Mutter,

meine schlimmsten Kindheitserinnerungen sind böse Hunde, böse Geschwister und böse Lehrer...

Fühle dich umarmt...

LG
Cassandra

 Mutter meinte dazu am 09.12.08:
Vielen lieben Dank - das nehme ich gerne an, auch wenn die Schrecken (und Flecken =_=) dieser Nacht schon wieder deutlich verblasst sind ... :)

 Ephemere (07.01.09)
Gefällt mir - wirkt authentisch, ehrlich, direkt...und vor allem gelingt es Dir, das Wegwischen von Kotze noch irgendwie nach Gangstergeschichte / Pulp Fiction klingen zu lassen... Vater sein à la "Snatch"...
(Kommentar korrigiert am 07.01.2009)

 Mutter meinte dazu am 07.01.09:
Wäre mal interessant, ob Brad Pitt in der Rolle im Flur auch noch gut aussehen würde ... :D

Ich vermute mal dass ja ...
Danke schön.
kontext (32)
(03.02.09)
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 Mutter meinte dazu am 09.02.09:
Petzi? Petzi war doch der komische Kerl mit der Strickmütze, oder? Und der roten/gepunkteten Latzhose? Biste der? O.o

Dann iss aber das schöne neue/alte (?) Foto voll geschwindelt ...
kontext (32) meinte dazu am 10.02.09:
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Martha.Himbeere (32)
(23.03.09)
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 Mutter meinte dazu am 24.03.09:
Boah, da war dieser Winter bestimmt auch kein Zuckerschlecken (Mmmh, vielleicht ein weniger passend gewähltes Wort, bedenkt man den Zusammenhang) - bei uns geht irgendwie seid Monaten alles Mögliche um. An manchen Tagen hat's im Kinderhaus kaum gesunde Kinder ... :)

Aber jetzt kommt bald die Sonne. Alles wird gut.
Martha.Himbeere (32) meinte dazu am 24.03.09:
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parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 11.10.12:
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 Mutter meinte dazu am 11.10.12:
"Aber "Zerweiflung"... Ist das Absicht?"
Nö - Tippfehler.

"Und "unzählige Rollen Küchenpapier"... Das ist aber sehr übertrieben. Auf so einer Rolle sind sehr viele Blätter. Und wer hat denn unzählige Rollen im Haus? Und warum werden nirgendwo der gute alte Scheuerlappen und ein Eimer Wasser erwähnt?"
Nö, nicht übertrieben - so war's. Es war sehr viel Mageninhalt. Und ich hab Kinder - wenn ich nicht große Mengen Küchenrolle im Haus habe, werde ich unruhig.
Wasser und Eimer - nein danke, bin froh, wenn ich mich mit dem Zeug nur einmal beschäftigen muss.

Und zu geistreicher Literatur will (hier zumindest) wirklich niemand was adeln - mit oder ohne Raumspray ... :)
Trotzdem danke.
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