Schmuckstück

Roman zum Thema Rache

von  Mutter

Sie suchte sich ihren Weg durch die Stadt, bis sie südlichen Ausläufer der Metropole erreicht hatte. Dort, wo sich die Tavernen und Herbergen der Fremden befanden. Anhand der Menschen auf den Straßen ließ sich kaum ein Unterschied zu den anderen Vierteln feststellen. Zu viele Menschen aus allen Teilen der Fünf Marken, und auch von außerhalb, hatten sich in Purassur niedergelassen, als dass die Stadt jemals ein einheitliches Gesicht besessen hätte. Aber im Fremdenviertel fehlten die großen Häuser, die eleganten Treppen und nur wenige Straßen und Gassen waren, im Gegensatz zu den reichen Bezirken der Stadt,  noch gepflastert. Es hatte in der vergangenen Farbe nicht geregnet, so dass sich der Boden in angenehm trockenen Zustand befand. Anya hatte schon Zeiten erlebt, in denen man bis zu den Schultern im Schlamm versinken konnte.

Sie erreichte den 'Hufnagel', eine geduckte, heruntergekommene Taverne, und öffnete die vom Wetter verzogene Tür, um in den dunklen Innenraum zu schlüpfen.
Die Wirtin sah kurz auf, und nickte, als sie Anya erkannte.
Das Mädchen ließ den Blick kurz durch den Raum schweifen, während sie auf die Theke zuging. An einem Tisch in der Ecke hockten vier Tagelöhner, die den Tag ohne Arbeit und mit einigen Krügen Bier begonnen hatten.
Nahe der Feuerstelle saßen die beiden Männer, die sie suchte. Mit ihrer abgewetzten, aber sauberen Kleidung sahen sie aus, als ob sie auf die Stadt einen guten Eindruck machen wollten. Beide waren von gedrungener, kräftiger Gestalt, kaum größer als Zwerge. Während die dunkleren Hautfarben aus dem Süden, vor allem der Thuré und der Braganer, eine Art bronzene Qualität besaßen, fand sich im Teint der Hochländer ein viel dunklerer Ton, der schwarzen Hautfarbe der Zwerge entsprechend, wieder.

Einer von ihnen strich sich mit der Hand durch die halblangen Haare, und lehnte sich in seinem Korbstuhl zurück. Der andere hatte gerade sein Mahl beendet, und begonnen, sich eine Pfeife anzuzünden. Sein Blick fiel auf Anya, aber obwohl sie heute Morgen schon einmal in der Herberge aufgetaucht war, und ihn dabei sogar berührt hatte, erinnerte er sich nicht an sie. Die Berührung eines Schmetterlings.

Anya beobachtete, wie die Wirtin zu den Tagelöhnern ging, und sich zu ihnen hinunterbeugte. Nach einem kurzen Gespräch nickten die Männer, und sie entfernte sich wieder.
Sich mit einer Bewegung vom Tresen abstoßend, ging Anya an der schlanken Frau vorbei, und trat nach draußen auf die Straße.
Von einer gegenüberliegenden Häuserwand lösten sich drei Männer, und überquerten kurz darauf die Straße.
‚Sind sie dort drin?‘ fragte der erste Mann mit heiserer Stimme. Er starrte sie mit blutunterlaufenen Augen an, und Anya zögerte einen Augenblick, bevor sie nickte. Dies stellte das zweite Todesurteil dar, welches sie heute aussprach, und obwohl es die Hochländer ohne Zweifel verdient hatten, musste sie plötzlich mit sich ringen, die beiden dem Mann vor sich auszuliefern.

Der Bruder des toten Mädchens starrte sie unter zusammengezogenen Augenbrauen an, und sie konnte seine Kiefermuskeln arbeiten sehen. Sie machte einen Schritt zur Seite, und die Männer gingen an ihr vorbei in die Herberge. Einen Augenblick später erschienen die Tagelöhner, und zerstreuten sich mit einem wortlosen Gruß.
Anya entfernte sich ebenfalls, aber bevor sie die nächste Ecke erreicht hatte, bildete sie sich ein, einen spitzen Schrei hören zu können.

Die ersten Wolken hatten begonnen, den makellosen Himmel zu bedecken, und sie warf einen misstrauischen Blick nach oben. Vermutlich würden sich die Straßenverhältnisse im Fremdenviertel bald zum Schlechteren wenden, wenn die angekündigten Regengüsse die Straßen dort in Morast verwandeln würden. Sie sollte in der nächsten Zeit versuchen, das Viertel zu meiden.
Ihre Schritte wieder nach Norden, auf den Hafen zu lenkend, versuchte sie, nicht weiter an Halipp zu denken. Und daran, was passieren würde, wenn Uyanté irgendwie herausbekam, dass der Mann, den er getötet hatte, nicht der Mörder seiner Verlobten war. Das dem Schläger jemand das Medaillon nur zugesteckt hatte.

Sie vermutete, dass ihm der Tod von Halipp nicht besonders viel ausmachen würde. Die Tatsache, benutzt worden zu sein, schon eher. Auf einmal kam ihr der Plan nicht mehr so simpel, nicht mehr so narrensicher vor. Vielleicht hätte sie sich etwas mehr Zeit mit ihrer Rache lassen sollen.

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (14.12.08)
Es geht spannend weiter.

Vielleicht passiert ein wenig zu viel und ohne ausreichende Erklärung - aber es ist ja ein Roman und da wartet man als Leser gern auf die Aufklärung im nächsten Kapitel. Zu oft und zu lange sollte ein Text allerdings so nicht gehandhabt werden, sonst lässt das Leserinteresse leicht nach, weil der Lesende das Gefühl bekommt, das einen beschleicht, wenn man versehentlich in Teil 527 einer Soap-Opera anschaltet und die 526 Teile vorher nicht gesehen hat. Das Ich-blick-da-absolut-nicht-durch-klärt-mich-mal-einer-auf-Gefühl.

In diesem Text sind ein paar kleine Stellen etwas zu kompliziert ausgedrückt, könnten durch die Anwendung kürzerer Sätze optimiert werden. Schau auch noch mal nach den Adjektiven und nach den Satzanfängen. Das Wörtchen "Sie" kommt da etwas zu häufig vor.

Ein paar winzige Meckerstellen:

Aber im Fremdenviertel fehlten die großen Häuser, die eleganten Treppen und nur wenige Straßen und Gassen waren noch gepflastert

(Warum "noch"?)


Es hatte in der vergangenen Farbe nicht geregnet, so dass sich der Boden in angenehm trockenen Zustand befand. Anya hatte schon Zeiten erlebt, in denen man bis zu den Schultern im Schlamm versinken konnte. Allerdings nur, wenn man eine so geringe Körpergröße besaß wie sie.

(Ist das später für die Romanhandlung relevant, oder wird hier nur ein blinder Faden angelegt?)


Mit ihrer abgewetzten, aber sauberen Kleidung und glatt rasiert, sahen sie so aus, als ob sie auf die Stadt einen guten Eindruck machen wollten.

(Das "glattrasiert" hupft hier eigentlich aus dem Satzzusammenhang. Möglichkeit, das zu beheben wäre z.B. Sie waren glattrasiert. Mit ihrer abgewetzten, aber... - oder indem man das "glattrasiert" schon vorher in einem Satz diesen Männern zuordnet. )


Dies stellte das zweite Todesurteil dar, welches sie heute aussprach, und obwohl es die beiden Hochländer ohne Zweifel verdient hatten, musste sie plötzlich mit sich ringen, die beiden dem Mann vor sich auszuliefern.

(2 x "die beiden")


Dann machte sie einen Schritt zur Seite, und die Männer gingen an ihr vorbei in die Herberge.

(Wieso "dann"? )


Auf einmal kam ihr ihr Plan nicht mehr so simpel

(eventuell "der"?)



Nicht, dass mein Genörmel falsch rüberkommt: Ich habe auch diesen Teil mit Spannung und Vergnügen gelesen und freue mich schon auf den nächsten.

Liebe Grüße,

Sabine
(Kommentar korrigiert am 14.12.2008)

 Mutter meinte dazu am 15.12.08:
So, jetzt habe ich die Zeit, mich mit Deinem ausführlichen Kommentar intensiver zu befassen. Vorweg: Vielen Dank, wie immer, und nein, als 'Genörgel' kommt das keinesfalls bei mir an.

Ganz ehrlich: Sich einen Text komplett durchzulesen, so dass man überhaupt solche Aussagen treffen kann, und sich dann auch noch die Mühe machen, diese Stellen heraus zu suchen UND zu kommentieren - das zeigt mir doch schon, dass da echtes Interesse vorhanden ist. Da darf dann die Kritik auch gerne so detailliert/umfassend/harsch ausfallen, wie ein Leser gerne möchte. :)

Das mit dem Verdichten, Kürzen und den Adjektiven nehme ich mal mit - vor allem auch in Hiblick auf neu einsteigende Leser.

Zu den einzelnen Textstellen - leider keine gefunden, zu der ich hätte widersprechen könne ... ;) und ich schau mal, dass ich demnächst ein wenig Zeit für eine Überarbeitung habe. Und vielleicht schaffe ich es gleich, den nächsten Part mit zu überarbeiten - dann haste nich so viel Arbeit mit mir ... :D

Lieben Dank und Gruß, M.

 Mutter antwortete darauf am 16.12.08:
So, fixed ... :)
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