Der Ratze hatte mir schon endlos lange die Ohren voll genölt, er wolle endlich ein eigenes Fahrrad haben, und so hatte ich an einem der ersten Frühlings-Samstage beschlossen, ihm endlich seinen Wunsch zu erfüllen.
Der Bud Spencer wollte auch mit, obwohl er eigentlich gar kein Fahrrad fährt. Aber der wollte immer überall hin mit, außer, wir gingen ins Kulturkaufhaus Dussmann.
Aber der Ratzinger meinte, der dicke Bud könne mit einem Fahrrad gar nichts anfangen, würde doch zusammenbrechen, und überhaupt sei er viel zu unfit.
Da hat ihm der Bud eine geklebt.
Muss man immer ein bisschen aufpassen, wenn die zwei sich streiten, der Bud langt da schnell man zu doll zu, und wenn ich den Ratze wieder abgebe, abends, im Konvent, gucken die schon, ob bei dem alles in Ordnung ist.
Ich nehme an, die Kirche ist da besonders wachsam, hat ja genug Erfahrung mit Missbrauch von Schützlingen. Aber meistens sieht man nichts, der Ratze hat eh immer so dunkle Augenringe, da fällt ein Veilchen mehr oder weniger oft nicht auf.
Ich schritt jedenfalls ein, trennte die beiden, und entschied, der Bud solle in der Wohnung bleiben, ich würde mit dem Ratze alleine losziehen.
Haben wir dann auch gemacht, und eigentlich hätten wir zum Fahrradladen locker zu Fuß gehen können, aber der Herr Kardinal hat darauf bestanden, mit dem Fahrrad zu fahren.
Meinte, man würde ja auch nicht barfuss losgehen, um Schuhe zu kaufen. Das musste ich einsehen.
Also habe ich mir flugs das Rad von meiner Nachbarin ausgeliehen. Meins ist ein Herrenrad, und ohnehin hat es keinen Gepäckträger, während die junge Frau nebenan ein Hollandrad mit Speichenschutz fährt. So ein Plastikteil, damit sich der Rock nicht im Rad verfängt. Dabei trägt die nie Rock, jedenfalls nicht, soweit ich wüsste, aber das war Klasse, da konnte der Ratze seine Soutane anbehalten.
Wir sind dann zum Radmann runtergeradelt, durch die Sonne, und haben lustige Lieder gepfiffen. Uns schon auf die erste Fahrradtour gefreut, und ich habe darüber nachgedacht, ob man wohl so einen Anhänger mieten könne, um den Bud Spencer da rein zu tun.
Beim Radmann waren wir nicht lange. Der hat uns erst die normalen Räder gezeigt, ein Trekkingrad hat er uns empfohlen. Der Ratze wollte ursprünglich ein voll gefedertes Mountainbike, um damit in den Dolomiten rum zu fahren und auf dem Petersplatz gewagte Stunts zu machen, ist dann aber auf ein Bonanzarad gestoßen. Da hat er große Augen gemacht. Das war so eins in Metallic-Grün, mit einem Bananensattel, und man hat gleich gesehen: Der Ratze ist verliebt.
Das haben wir dann mitgenommen, einpacken mussten sie’s nicht.
Gefahren sind wir aber nicht, weil der Ratze noch kein Rad fahren kann. Aber ich habe gesagt, dass ist kein Problem. Wir schauen uns einfach noch ein paar Mal ‚Butch Cassidy and the Sundance Kid’ an, und wie die beiden der Etta Place das beibringen, und dann klappt das schon.
War der Ratze auch erst zuversichtlich.
Wir sind dann bei uns in den Hof, da kann man schön üben. Aber irgendwann bin ich in den Keller, um einen Satz Schraubschlüssel zu holen. Wollte den Sattel etwas höher machen, das sah so ungelenk aus, beim Ratze.
Und als ich wieder hoch kam, war der Kardinal weg, und das Bonanzarad lag ihm Hof, ein silbernes Rad tickerte noch langsam in der Sonne aus.
Oben in der Wohnung saß nur der Bud, spielte Fifa 99 auf meiner alten Playstation Eins. Er versuchte verzweifelt, mit dem Juventus Turin die italienische ‚Serie A’ zu gewinnen.
Als ich wissen wollte, wo der Katholik sei, zeigte er nur nach hinten. Mit einem dicken Daumen. Obwohl der Bud natürlich eigentlich auch Katholik ist, aber wir wissen beide immer, wer gemeint ist.
Er zeigte zum Klo. Der Ratze hat oft Verdauungsprobleme, sitzt dann ewig lange auf dem Pott rum, und es gibt immer Streit mit Bud. Der verbringt auch gerne Zeit auf dem Klo.
Aber oft schließt sich der Ratzinger auch nur so ein, im Bad, und schmollt. Ist dann sauer mit uns, und droht uns durch die Tür mit Exkommunikation.
Habe ich beim ersten Mal nicht für voll genommen, dachte, er meint, er redet einfach eine Weile nicht mit uns.
Das wäre ja nicht so dramatisch gewesen, außer vielleicht, dass ich nicht wusste, was passiert, wenn der Bud eine Weile das Klo nicht benutzen konnte. Aber der Bud war gar nicht glücklich darüber, aus der Kirche ausgeschlossen zu werden.
Wurde dann immer ganz fuchsig, und ich musste den Ratze überreden, seine Drohung nicht wahr zu machen, aus Angst um meine Wohnung.
Meine Versuche, den Ratze zu beschwichtigen, fruchteten nichts. Er war unglücklich, heulte zwischendurch, und fand das Bonanzarad und den Bananensattel doof. ‚Butch Cassidy and the Sundance Kid’ wollte er auch nicht gucken. Taufte sich lieber ein bisschen im Waschbecken – das machte er oft, wenn er unglücklich war.
Nach einer Weile gab ich resigniert auf. Der Tag war wohl im Eimer. Ratze kam nicht mehr aus dem Klo, Bud würde irgendwann sauer werden, weil er pinkeln musste, und wir beide kamen in die Hölle.
Mit einem Seufzer schnappte ich mir den zweiten Controller und übernahm die Steuerung von Alessandro Del Piero – so konnten wir wenigstens die Serie A noch gewinnen.