Getting Hit

Erzählung zum Thema Abhängigkeit

von  Mutter

'Was treibst du in Belfast? Hast du einen Krieg angefangen?'
Ich muss grinsen. Genehmige mir ebenfalls noch einen Schluck. Schüttele dann den Kopf. Nicht ganz.
'Hattet ihr beiden was mit dem Cottage zu tun? Mit den Brüdern?', will ich im Gegenzug wissen.
Sie zieht die geschminkte Augenbraue nach oben. Kenne ich gut, die Geste. Hält es nicht für nötig, mir zu antworten. Bis ich mich erkläre.
'Vier tote Brüder. Zwei mal zwei. In einem kleinen weißgekalkten Cottage. Da, wo's mich erwischt hat.'
Molly verneint mit einer Kopfbewegung, sieht mich unverwandt an. Mach weiter, will sie sagen.
'Das da oben war ein professioneller Hit. Zwei Leute, ein Distanzschütze, dazu Close Quarter - Pistole.'
'Und?'
'Anne und du? Habt ihr zufällig einen kleinen Urlaub gemacht? Irgendwen auf dem Weg umgelegt?'
Sie scheint verwirrt. 'Um wen geht's? Wen hätten wir umlegen sollen? Was redest du da für einen Schwachsinn, Corker?'
Ich glaube ihr. Sie hat keine Ahnung, wovon ich quatsche. Einerseits sollte mich das zufrieden machen. Ist sie raus aus dem verwirrenden Escher-Bild, in dem ich mich rumtaste. Auf der anderen Seite habe ich noch weniger eine Idee, worum es geht. Wer mir im Nacken sitzt.
'Wer ist dort oben umgelegt worden, Corker?', will sie wissen.
Jetzt muss ich mich entscheiden. Wie viel erzähle ich ihr, wie weit lasse ich die Hosen runter? Ich entscheide mich, den Offenbarungseid zu leisten. Konnte mir früher schon nicht vorstellen, dass sie da drinhängt. Hätte Collie niemals glauben sollen. Mich mehr auf meinen Schwanz verlassen sollen - wenn die Kleine mich hätte umlegen wollen, hätte sie das längst getan.
Kurz umreiße ich, was seit meiner Ankunft in Belfast passiert ist - gegen welche Bäume ich getreten habe, wie der Scheiß mit dem Albaner angefangen hat. Und erzähle ihr von Collies Info.
Diesmal zieht sie die Augenbrauen noch ein Stück höher.
'Dieser kleine Pisser. Woher hat er diese Info?'
Abgeklärt zucke ich mit den Schultern. 'Irgendein Kontakt aus Wales, glaube ich.'
'Du hast ihm nicht geglaubt, oder?'
Ich sehe ihr fest in die Augen, grinse. 'Quatsch. Natürlich nicht. Kein bisschen.'
Sie glaubt mir nicht. 'Was hast du jetzt vor? Was sind deine Optionen?'
Nicht vorhanden?
Ich antworte nicht sofort. Will noch einen Schluck nehmen, das Glas ist alle. Molly schenkt mir nach.
'Danke.' Während ich trinke, denke ich nach. Fieberhaft. Meine Gedanken jagen durch das gutbekannte Labyrinth.
'Was denkst du über Metriç?'
'Ob der mit drinsteckt?'
Sie nickt, beobachtet mich aufmerksam.
Noch ein Schulterzucken. 'Kann ich nicht sagen. Die Sache stinkt zum Himmel - wäre der so unsubtil? Gilt als straight.'
'Was ist mit deinem zweiten Hit? Willst du das durchziehen?'
Ich lächele schief um mein Glas herum. 'Muss ich wohl. Es sei denn, ich will mich gleich mit den Albanern anlegen.'
Mit einem Grinsen sagt sie: 'Du hast keine Ahnung. Corker. Bist vom Fach, hast was drauf, aber was Wetwork angeht - bist du ein verdammter Amateur.'
Während ich zur Seite sehe, reibe ich mir mit der Hand über den Schädel. Wo sie Recht hat, hat sie Recht.
'Das war eine echt beschissene Aktion, da im Klo. Du hast es voll versaut!' Sie lacht ihr aufregendes Lachen.
'Hey, der Kerl ist tot, oder nicht?' Grinse fett zurück. Dann kommt mir ein Gedanke. Misstrauisch sehe ich sie an. 'Was hatte Anne da zu suchen? Shopping?'
Molly ist ebenfalls ernst. 'Vor ein paar Tagen habe ich sie losgeschickt, um ein Auge auf dich zu werfen. Ich habe mir Sorgen um Dich gemacht', fügt sie entschuldigend hinzu.
'Schon gut. Ist ja nicht so, als sei das nicht notwendig gewesen', sage ich mit sarkastischem Unterton. Wie ein dämlicher Anfänger hatte ich mich verhalten, war sprichwörtlich ins offene Messer gerannt.

'Anne!', ruft Molly nach hinten. Ihre kleine Gespielin ist irgendwo in der offenen Wohnküche verschwunden. Taucht kurz darauf mit einem asiatischen Fischmesser in der Hand wieder auf.
'Ja?'
'Ich glaube, der kleine Corker braucht Hilfe.'
Mühsam unterdrücke ich ein Stöhnen. Wenn du wüsstest! Das Condo und die beiden Frauen würden nahtlos in jeden Hochglanz-Porno passen. Vivid-Girls, mit mir mittendrin. Mein Mund ist trocken.
Anne lächelt, als könne sie meine Gedanken lesen. 'Okay.'
Das ist alles, was sie sagt. Verschwindet zurück in die Küche.
Molly lehnt sich nach vorne, lächelt. Beobachtet, wie ich meine Augen nur schwer von der Kleinen lösen kann. 'Sie ist lecker, oder?'
Ich lege den Kopf schief. Kann man als Zustimmung auffassen. Ihr Grinsen wird breiter. 'Normalerweise laufen wir beide hier den ganzen Tag nackt rum.'
Diesmal entweicht ein leiser Seufzer meinen Lippen. Noch ein Wort, und wir müssen austesten, wer von uns die bessere Nahkampfausbildung genossen hat.
'Gib uns die Details. Ich lasse Anne da noch mal drüber gehen, und dann machen wir das gemeinsam.'
'No way. Meine eigene Scheiße - die Löffel ich selber aus', protestiere ich.
Erst jetzt wird mir klar, worüber wir die ganze Zeit reden. 'Kommt nicht in Frage. Ihr haltet euch da raus!'
Sie lehnt sich zurück, seufzt. 'Lass den Testosteron-Shit, Corker. Du hast das erste Ding bereits voll gegen die Wand gefahren. Lass uns dafür sorgen, dass es wenigstens das zweite Mal mit einem Minimum an Wirbel von der Bühne geht, okay?'
'Vergiss es, Molly. Auf keinen Fall.'
'Du sturer Macho!'
Ihre wütende Art lässt mich lächeln - das macht es nicht besser. Sie sieht aus, als würde sie mir am liebsten eine reinhauen. Wie war das mit dem Nahkampf?
Nachdem sie kurz durchgeatmet hat, probiert sie eine andere Taktik. 'Warum bist du hier?' Mit einem süßlichen Lächeln schiebt sie hinterher: 'Irgendwer fummelt an dir rum, oder? Geht dir das nicht auf die Eier? Wenn du jetzt bei einem weiteren dämlichen Versuch draufgehst - wer bringt das dann zu Ende? Hätten sie dich auch gleich in Hamburg aufs Pflaster schmieren können, oder nicht?'
Hätten sie. Und Molly weiß genau, dass sie mich hat. Könnte ich nicht ertragen, dass dieses Arschloch hinter den Kulissen den alten Corker einfach so aus dem Verkehr zieht. Durch seinen eigenen Stolz Totalschaden verursacht.
'In Ordnung.' Ein Nicken besiegelt meine Niederlage.
‚Okay, lass uns essen. Magst du Fisch?‘

Am nächsten Morgen sehe ich Anne zu, die auf der anderen Seite des Tisches zwei mattschwarze Makarovs auseinander nimmt und reinigt. Ich habe von Kerlen gehört, die auf eine Kombination aus Weibern und Kanonen stehen. Während ich die niedliche Kleine betrachte, wie sie mit geübten Griffen arbeitet, kann ich die Faszination teilweise nachvollziehen. Aber ich will die spröde Anne ohnehin, seit ich sie das erste Mal gesehen habe, insofern zählt das eigentlich nicht. Wären mir die Knarren auch egal.
Sie ignoriert, dass ich sie wie bei einem Lapdance anstarre und macht unbeirrt weiter. Molly tritt zu uns an den Tisch. Berührt mich kurz an der Schulter und sagt: 'Ich nehme nicht an, dass du mich das aus der Entfernung machen lassen würdest, oder?'
Ich sehe zu ihr auf. 'Mit der Warfare?'
Sie nickt. Nachdenklich schüttele ich den Kopf. Ich wusste, dass sie das fragen würde. Wäre alles viel einfacher. Molly macht den Schritt zu Anne rüber, und berührt sie ebenfalls an der Schulter. Streichelt ihr den Nacken, und als die andere Frauen mit einem Laut des Wohlbehagens reagiert, massiert sie ihr die Schultern.
'Das wäre nicht richtig.'
Hat sie bereits vermutet, nehme ich an, und drängt mich nicht weiter.
'Das ist der Kerl?' fragt sie und lehnt sich leicht nach vorne. Späht auf die Unterlagen mit der Fotografie, die ich auf dem Tisch liegen habe. Anne und ich nicken gleichzeitig.
'Hast Du einen Plan?'
'Ich will den Kerl vorm Haus erwischen. Bevor der Wagen sich bewegt.'
Die beiden nicken. IRA-Style. Eine beliebte Art, in Norn Iron zu sterben. Klassischer Weise durchgezogen von zwei Punks auf einem lauten Motorrad. In der Hinsicht habe ich eher andere Pläne.
'Eine Waffe hast du?'
Die beiden Glocks sind in Ordnung für den Job - muss ich mich nicht aus dem Arsenal der beiden bedienen.
'Wann?'
'Gleich morgen früh.' Viel Zeit habe ich eh nicht mehr. Vom Quasi-Erfolg meiner ersten Mission musste ich den Albaner nicht in Kenntnis setzen. Die Details konnte er sich direkt aus den Acht-Uhr-Nachrichten ziehen. Aber wenn meine Zeit um ist, kommt er mich holen, dessen bin ich mir sicher.
'Musst du vorher noch was erledigen? Oder können wir uns den Abend frei nehmen?', will Molly mit einem Grinsen wissen.
Eine letzte Aufgabe steht mir noch bevor. 'Ich muss telefonieren.'

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(25.09.09)
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 Mutter meinte dazu am 25.09.09:
Ja, dem iss auch schon ganz anders ... :D

Danke.
Alegra (41)
(18.11.09)
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 Mutter antwortete darauf am 18.11.09:
:)

Danke ...
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