Sie erhob sich vom Sofa und näherte sich ihm von hinten. Er saß am Tisch in irgendwelche Akten vertieft. Ihre Sehnsucht ihn zu berühren und zu verführen war tief. In der letzten Zeit schien zwischen ihnen Ebbe zu herrschen. Er berührte sie nicht mehr. Leider war sie dadurch dazu verurteilt sich alleine Lust zu verschaffen, was sie aber jedesmal einsam und traurig zurückließ.
Sie küsste ihn auf seine Ohren und glitt mit ihren Lippen am Hals abwärts.
Bitte nicht, sagte er, du siehst doch das ich beschäftigt bin. Ich bin einfach nicht in Stimmung.
Sie streichelte seinen Rücken unbeiirrbar und küsste ihn weiterhin auf den Hals, flüsterte ihm Liebesworte ins Ohr. Sie gurrte wie ein Täubchen, doch er entzog sich ihren Zärtlichkeiten, stand auf und ging genervt in die Küche.
Willst du auch einen Kaffee, fragte er. Sie ging ihm hinterher, nein, ich bin schon munter genug, ich will eigentlich nur dich. Während sie dies sagte, legte sie ihm ihre Arme um den Hals und presste ihre Lippen auf die seinen. Lass das doch, er wand sich aus ihren Armen und füllte den Wasserkoche. Nachdem er den Kocher angestellt hatte, griff sie nach seiner Hand und führte diese zwischen ihre Schenkel. Dort erwartete ihn eine feuchte Hitze und seine kurze Berührung entlockte ihr ein sanftes Stöhnen. Ruckartig zog er seine Hand aus ihrem Slip und drehte sich wortlos um. Sie stand da wie ein begossener Pudel. Ein tiefer Schmerz durchzuckte sie und gedemütigt verließ sie die Küche. Sie zog sich ins Schlafzimmer zurück, getroffen von seiner Ablehnung legte sie sich aufs Bett und weinte. Was ist denn nur los? Hat er etwa eine Andere? Fand er sie nicht mehr begehrenswert? Sicher, sie waren nun schon 26 Jahre zusammen, aber bis vor kurzem erlebten sie beide ihre Sexualität mit Freuden, nach wie vor auch leidenschaftlich und erfüllend. Was war nur geschehen? Natürlich nagten die Jahre an ihnen. Ihre beiden Körper hatten sicher an Attraktivität verloren. Doch sie waren miteinander älter geworden und das ganz bewusst. Sie verstand nicht mehr was in ihm in der letzten Zeit vorging. Er entzog sich ihr immermehr.
Während sie schluchzend auf dem Bett lag, stand er erstarrt in der Küche und blickte traurig aus dem Fenster. Er liebte sie nach wie vor, aber er war ncht mehr derselbe seit Wochen schon. Es fing alles mit diesen Schmerzen an beim Wasserlassen und das er Probleme hatte seine Erektion zu halten. Da er sie natürlich weiterhin glücklich machen wollte, besorgte er sich erst einmal solche Tabletten zur Luststeigerung. Dies behielt er für sich, denn er wollte sie nicht beunruhigen oder ihre Freude trüben. Doch die Schmerzen ließen nicht nach, vorallem schmerzte es ihn während er sie glücklich machte. Schließlich ging er dann doch zum Arzt, der besorgt weitere Untersuchungen anordnete, die leider die negative Vermutung bestätigten, Prostatakrebs. In den letzten Tagen entdeckte er auch Blut im Urin. Die Angst war seitdem sein ständiger Begleiter. Wie nur sollte er es ihr erklären? Außerdem rückten OP-Termin und eine eventuelle Chemo immer näher.
Er hörte sie weinen und die Schuld in ihm wuchs, sowie auch das schlechte Gewissen, ihr die Wahrheit bis heute verweigert zu haben. Langsam durchschritt er den Flur Richtung Schlafzimmer. Vor der Tür hielt er inne und lauschte ihrem Schmerz. Er fühlte Tränen hinter seinen Augenlidern. Würde es jemals wieder so wie früher zwischen ihnen sein? So leidenschaftlich, so erfüllend? Was wird nach der OP sein? Der Arzt hatte ihm mitgeteilt, dass nur etwas ein fünftel an dieser Form des Krebses starben. Da der Tumor relativ früh entdeckt wurde, stünden die Chancen bei ihm sehr gut. Selbst das Liebesleben könnte nachher, mit vielerlei Hilfsmöglichkeiten, weiterhin für beide erfüllend bleiben. Doch wie würde Inge das nur auffassen? Würde sie das mit ihm durchstehen?
Er wollte ja noch vor Weihnachten in die Klinik, damit er am Fest wieder daheim sein könnte?
Zaghaft klopft er an die Tür. Sie erhob sich, saß auf dem Bettrand, wischte sich die Tränen aus den Augen und bat ihn herein. Er setzte sich neben sie, und legte seinen Arm um ihre zitternden Schultern. Inge, ich muss mit dir reden.
Sie schaute ihn fragend und ängstlich an. Ja, ich kann mir schon denken was kommt, sagte sie. Du hast jemanden kennengelernt, nicht wahr?
Ach Inge, er musste fast ein bisschen lachen, wenn es nur das wäre. Nein, das ist es nicht. Er schwieg, denn die aufkommenden Worte schnürten ihm die Kehle zu. Sie schaute ihn an und sagte, was ist denn nur los? Liebst oder begehrst du mich nicht mehr? Werde ich dir langsam zu alt und zu faltig?
Er rang nach Worten. Was ich dir zu sagen habe ist nicht einfach. Bitte, versuche ruhig zu bleiben. Ich möchte nicht, dass du dich aufregst. Ich begehre dich noch immer, glaube mir, du bist für mich die schönste Frau die ich kenne. Du bist der Mensch, dem ich mich sehr nahe fühle. Ich will das du glücklich bist, aber genau das macht es mir auch so schwer dir die Wahrheit, die ich ja auch erst seit kurzem kenne, mitzuteilen. Ich bin krank, Inge. Weiter konnte er nicht sprechen. Ihm versagte die Stimme und ein Schluchzen schüttelte seinen Körper. Sie war verwirrt über dieses Geständnis und den Gefühlsausbruch. Damit hatte sie nicht gerechnet.
Bitte beruhige dich, und erzähle mir was mit dir ist. Nachdem er sich beruhigt hatte, begann er von Neuem zu erzählen. Er schilderte ihr die ganze Geschichte, und das was diese Erkrankung mit ihm als Mann angerichtet hatte. Da spürte er auch die Scham die in ihm hochkam, die Scham nicht mehr zu genügen, nicht mehr seinen Mann stehen zu können. Er bemerkte auch die Angst von ihr verlassen zu werden, wenn er sie nie wieder würde so befriedigen können, wie er es all die Jahre mit Lust und Freude getan hatte. Er brach förmlich vor ihr zusammen, und sie hielt ihn im Arm, traurig über die Wahrheit die sich nun für sie erschloss.
Nachdem er geendet hatte, waren sie lange Zeit im Schweigen miteinander verbunden. Dann küsste sie ihn und sagte lächelnd mit Tränen in den Augen, es gibt so viele Arten einander zu lieben. Ich möchte, dass du wieder gesund wirst und nun bin ich froh, dass du dich mir anvertraut hast. Ich fühlte mich so unattraktiv und alt, da ich dachte du willst mich nicht mehr. Ich blöde Kuh dachte, du hast dich in eine andere verliebt.
Sie umarmten einander und sanken rückwärts ins Bett. Zaghaft streichelten sie sich, schüchtern erst, so als würden sie einander zum ersten Mal berühren. Sie entdeckten sich neu, langsam, behutsam entkleideten sie sich, benetzten ihren Körper mit sanften Küssen. Ihre Fingerspitzen tanzten federleicht über ihre sehnsuchtsvolle Haut. Für Sekunden vergaßen sie das was vor ihnen lag und tauchten ein in ein letztes leidenschaftliches Begehren. Es war nicht wichtig ob sie sich zur Erlösung treiben würden. Es war wichtig das sie sich neu fanden, neu erfanden. Sie entdeckten die Potenz ihres Herzens und das er Schwierigkeiten hatte alles zu geben, spielte in diesen Minuten keine Rolle mehr. Endlich waren sie sich wieder nah, die Wahrheit trennte sie nicht mehr, diesmal wirkte sie verbindend. Irgendwann senkte er seine Lippen liebevoll in ihren Schoß und entlockte ihr den befreienden Schrei er Liebe.
Sie wurden miteinander älter und sie veränderten sich. Krankheit und Schmerz blieben da eben nicht aus.
Doch ist ein Mann nur "deshalb" ein Mann, wenn er das so unter Beweis stellen kann. Sie entdeckten für sich, Liebe findet auch neue Wege.
Ela