ich ging so vor mich hin. die Welt ein einziges Grau. da traf ich ihn. er saß im Nebel auf einer Bank. verwundert setzte ich mich dazu.
ist es Ihnen nicht zu kalt hier? irgendwie ungemütlich so im Nebel am Morgen zu sitzen, oder?
er schaute mich ernst aber nicht unfreundlich an. nein, ich sitze hier immer.
wie, Sie sitzen hier immer?
ich sitze im Nebel und warte.
auf was warten sie denn?
na auf jemanden wie Sie, jemanden der mich anspricht, der mit mir redet.
müssen Sie dazu hier im Nebel am Morgen auf dieser Bank sitzen? haben sie niemanden mit dem Sie in gemütlicherer Atmosphäre sitzen und plaudern können?
nein, ich sitze im Nebel und warte. manchmal wenn einer kommt und mit mir spricht, lichtet sich der Nebel.
mir war seltsam zumute. ein Mensch sitzt am Morgen auf einer Bank in der Kälte und dichter Nebel wallt um ihn her. dieser Mensch wartet das einer kommt und mit ihm spricht. nachdenklich lehnte ich mich zurück, vergaß den Nebel und die Kälte.
sie sind also immer hier?
ja, ich bin immer hier.
wieso sitzen sie denn im Nebel?
nun, der Nebel kommt und geht. das liegt im Auge des Betrachters.
achso, also eigentlich sind sie gar nicht im Nebel, sondern den Nebel bringt der mit, der Sie hier antrifft, oder verstehe ich Sie komplett falsch?
nein, das haben Sie schon richtig erkannt. eigentlich sitze ich nicht im Nebel und wie ich Ihnen bereits mitteilte, löst sich der Nebel auch oft auf, wenn einer kommt sich zu mir setzt und mit mir spricht.
also, das heißt, wenn ich nun mit Ihnen spreche, lichtet sich irgendwann der Nebel den ich mitgebracht habe?
ja, wenn Sie überhaupt mit mir sprechen wollen. nun, ich weiß eigentlich gar nicht ob ich das will, also, eher ich weiß gar nicht über was.
ich habe Zeit, wir können aber auch schweigen.
ja, wir können schweigen, aber der Nebel lichtet sich doch nur, wenn wir reden.
nicht unbedingt. es kommt darauf an, welche Gedanken Sie innerlich bewegen.
ach jetzt sagen Sie bloß noch, Sie können Gedanken lesen.
ja, ich kann Sie lesen.
Sie können mich lesen?
ja, ich lese in Ihnen, wie in einem Buch.
oh, dann bleibt Ihnen ja nichts von mir verborgen. nein, mir bleibt nichts verborgen.
dann sind Sie wohl der Erste und auch der Einzige, der mich wahrlich erkennen kann. das begreife ich nicht. sie sitzen hier auf einer Bank am Morgen im Nebel und erklären mir, dass Sie in mir lesen können wie in einem Buch. entschuldigung, wo sind Sie denn ausgebrochen. ich musste beinahe lachen, denn das ganze was der Alte mir da erzählte, war doch wirklich zu absurd.
ich bin nirgends ausgebrochen. die meiste Zeit bin ich eher gefangen. gefangen in den Vorstellungen derer die im Nebel sich verirrten. sie sind also ein Gefangener der Vorstellungen jener, die sich von Ihnen ein Bild gemacht haben und Sie deshalb im Nebel nicht finden konnten. aber ich fand Sie doch auch.
ja, Sie haben auch nicht mit mir gerechnet. sie rechnen doch gerade mit gar nichts mehr. sie haben ja nicht einmal mehr Träume. sie leben ihr Leben, tragen an ihrer Verantwortung und erfüllen ihre Pflicht. sie rechnen nicht mehr mit mir.
also, ich bitte sie. wer sind sie denn? ich kenne sie doch gar nicht.
nun, so unbekannt bin ich Ihnen nicht. sie kennen mich schon.
ich erinnere mich aber nicht an Sie. wer sind Sie denn? sagen Sie mir doch ihren Namen. wie heißen Sie?
mein Name ist Gott. ich bin Gott.
da verschlug es mir die Sprache. ich sags ja, ich werde wahnsinnig. jetzt treffe ich schon Gott am Morgen im Nebel sitzend auf einer Bank. das war mir ehrlich gesagt etwas zu viel des Guten.
seien Sie mir nicht böse, aber das kann ich nicht glauben.
sie müssen mir das auch nicht glauben. sie können ja wiederkommen. wer weiß, mit der Zeit werden Sie es wissen.
also, ich geh mal weiter. mal sehen, vielleicht reicht es mir morgen und ich schaue noch einmal nach Ihnen. als ich dies sagte, lichtete sich etwas der Nebel und es wurde freundlicher um uns herum.
ja, kommen Sie wieder. ich bin immer da. sie müssen nur kommen. ich bedankte mich bei Herrn Gott und ging Kopfschüttelnd weiter. ich würde sicher wiederkommen, dazu bin ich doch auch viel zu neugierig, um mir eine Begegnung mit Gott entgehen zu lassen.
Michaela Möller