Bruchteile aus dem gestrigen Leben (2006)
Erzählung zum Thema Zeichen
von Anifarap
Die Häuser, die Strassen sehen lackiert aus. Das Grün punktet schon auf den schwarzen Ästen.
Es regnet.
Es wispert.
Es flüstert.
~1999, März~
Am U-Bahnhof Wittenbergplatz hörte sie es zuerst. Im Stillstand der Bahn begann eine langsame, abgleitende Tonfolge in Terzschritten die Stille zu zerschneiden.
Etwas samtiges, melancholisches grub sich in das Licht, das unangenehm über die braune Holzlegierung krabbelte.
Der Tunnel und seine Schatten begannen Waggon um Waggon aufzufressen. Sie saß da, aufgerissene Augen, der Blick nach Fern, untergehend, ertrinkend in der Tiefe der Stimme, in dem Locken darin. Sie erblickte in der Luft vor ihrer Nasenspitze ihn. Und glaubte kurz, eine Erinnerung wie eine Seifenblase aufsteigen zu fühlen, da entfloh die Bahn den Schatten ins Tageslicht und ließ ihr mit dem letzten Klang nur einen Rest grünlich schimmernden Augenschein, den sie unter ihren Lidern einschloss, um wieder aufzuwachen. Aus der Realität in die Realität.
Später fand sie im Internet zu der Stimme das Gesicht, die ganze Gestalt.
Da waren die Augen und sie blieben es zwei Jahre lang, dann verschwand der Blick aus diesem Menschen und die Hoffnung wuchs, dass es nur ein Jetzt gab.
Doch die Zeit malt es oft anders in unser Fühlen.
Die Tropfen. Sie rauschen leise. Bei Regen, bei Regen wage ich manchmal zu denken, dass du gerade bei mir bist.
Mit Geist.
Mit Herz und Seele.
Der Dunst steigt von den Strassen auf. Umfängt das Haar, den Atem.
Darf ich mir diesen Moment 'Eitelkeit' erlauben?
Darf ich sagen, das mein Herz mit den Tropfen aufschlägt?
Es regnet.
Es atmet.
Es flüstert.
~2004, Mai~
Vivantes Klinikum in Neukölln, psychiatrische Abteilung, Krisenintervention.
An diesem Ort treffen sich immer ein Übermaß von Problemen um der Welt 'Gute Nacht' zu sagen.
Sie war leer, ohne Rührung dort angelangt. Abends.
Ihr Freund wurde angerufen und er verließ sie am nächsten Tag. Es war die Gleichgültigkeit, die ihren
endgültigen Einbruch verhinderte.
Am Morgen darauf war sie schon vor der Weckzeit auf den Beinen. Im Gemeinschaftsraum starrte sie aus dem Fenster auf die nassen Blätter der Bäume.
Ein leises "Hallo." in ihrem Rücken zeigte Wirkung.
Dort stand Frank.
Mit diesem grünlich schimmernden Blick von damals und lächelte sie warm an.
Ihr jedoch, wurde erst kalt. Und dann durchfuhr es sie heiß.
Langsam wuchs ein Lächeln über ihre Wangen.
In den darauffolgenden zwei Wochen sah man sie oft beisammen stehen, aber man hörte kaum ein Wort.
Sie redeten mit den Blicken, auch in den Gruppensitzungen, die morgens und abends stattfanden.
Einigen Mitpatienten war dies nicht geheuer, und auf mehrfache Beschwerde, wurden sie in unterschiedliche Gruppen und Aktivitäten eingeteilt.
Als der Tag kam an dem ihn seine Frau und seine Kinder besuchten, das einzige Mal, trafen sie sich
danach abends vor dem Gebäude, ohne das ein Wort gefallen wäre.
Er rauchte. Der Rauch kletterte langsam in die Nacht.
Da nahm sie seine Hand und beide badeten ihre Blicke ineinander, bis der diensthabende Pfleger sie
auseinander scheuchte.
Am nächsten Morgen wurde sie entlassen. In eine Welt, in der keiner auf sie wartete.
Der Regen. Meine Wünsche sind absurd, kann ich dir doch nichts zu Füssen legen, als Tränengut aus anderen Ebenen meines Empfindens.
So braust der Wind mir die letzten Tropfen, die mich streicheln von der Haut und hinterlässt ein stilles
Brennen in der Brust.
Doch in den nächsten Wolken rumort diese Schwere, diese Grautöne, und lächeln dein Lächeln.
Es fängt wieder an mit leisem Tröpfeln auf allen Dächern und der Atem streichelt meine Lippen, fährt über die schwarzen Äste, und wiegt sie, wie eine Mutter ihr Kind.
Es regnet.
Es streichelt.
Es flüstert.
~2006, März~
Die Heimat.
Befreiung.
Erlösung.
Hoffnung.
Grün. Grün ist die Hoffnung. Grün ist auch der Mantel und die Mütze. Es ist anderes geworden.
Sie klettern begeistert die Stufen hoch. Sie sind zu viert gekommen, bestaunen das unperfekte Haus.
Alles ist noch leicht fremd.
Sie, im Mantel, ist voller Farben. Auf der letzten Stufe schwankt sie leise, wendet nach rechts und stockt.
Dort stehen vier, fünf Menschen. Leicht lächelnd ragt einer hervor.
Und die Augen, diese Augen.
In ihr beginnt es zu schwingen. Sie fühlt das Blut hochsteigen, als sie die Hand drückt.
Dieser Abend wirkt sich intensiv in ihrem Inneren aus. Noch mehrmals sucht sie ein ruhiges Fenster auf, das ihr die Sterne ausschneidet. Und damit keiner ihr Zittern sieht, das sie nicht versteht, weil sie alles und nichts ahnt und sich noch dagegen stemmt.
Wieder diese Augen. Es ist so stark, wie noch nie.
Sie hält sich stark im Zaum, sagt nur wenige Worte, obwohl sie alles sagen will. Alles und nichts.
Wie ein Magnet zieht er sie an.
Verwirrung.
Verwirrung.
Verwirrung.
Zum Abschied eine feste Umarmung.
Befreiung.
Erlösung.
Hoffnung.
Schmetterlingsbeben. Der selbe Blick.
Die Dämmerung fällt. Das Wasser, wie eine tröstende Hand auf dem Haar. Es flüstert. Deine Gedanken.
Offenbarung eines Moments. So viel zu sagen, flieht ein Kuss auf dem nächsten Wind fort und leuchtet dir im Licht eines Sterns.
Die Häuser werden stufenhaft dunkel. Die Laternen flackern auf. Noch immer sieht man in ihren Kegeln die lackierten Strassen. Die Luft ist klar, nüchtern.
Es regnet.
Es stillt.
Es sternt.
Es regnet.
Es wispert.
Es flüstert.
~1999, März~
Am U-Bahnhof Wittenbergplatz hörte sie es zuerst. Im Stillstand der Bahn begann eine langsame, abgleitende Tonfolge in Terzschritten die Stille zu zerschneiden.
Etwas samtiges, melancholisches grub sich in das Licht, das unangenehm über die braune Holzlegierung krabbelte.
Der Tunnel und seine Schatten begannen Waggon um Waggon aufzufressen. Sie saß da, aufgerissene Augen, der Blick nach Fern, untergehend, ertrinkend in der Tiefe der Stimme, in dem Locken darin. Sie erblickte in der Luft vor ihrer Nasenspitze ihn. Und glaubte kurz, eine Erinnerung wie eine Seifenblase aufsteigen zu fühlen, da entfloh die Bahn den Schatten ins Tageslicht und ließ ihr mit dem letzten Klang nur einen Rest grünlich schimmernden Augenschein, den sie unter ihren Lidern einschloss, um wieder aufzuwachen. Aus der Realität in die Realität.
Später fand sie im Internet zu der Stimme das Gesicht, die ganze Gestalt.
Da waren die Augen und sie blieben es zwei Jahre lang, dann verschwand der Blick aus diesem Menschen und die Hoffnung wuchs, dass es nur ein Jetzt gab.
Doch die Zeit malt es oft anders in unser Fühlen.
Die Tropfen. Sie rauschen leise. Bei Regen, bei Regen wage ich manchmal zu denken, dass du gerade bei mir bist.
Mit Geist.
Mit Herz und Seele.
Der Dunst steigt von den Strassen auf. Umfängt das Haar, den Atem.
Darf ich mir diesen Moment 'Eitelkeit' erlauben?
Darf ich sagen, das mein Herz mit den Tropfen aufschlägt?
Es regnet.
Es atmet.
Es flüstert.
~2004, Mai~
Vivantes Klinikum in Neukölln, psychiatrische Abteilung, Krisenintervention.
An diesem Ort treffen sich immer ein Übermaß von Problemen um der Welt 'Gute Nacht' zu sagen.
Sie war leer, ohne Rührung dort angelangt. Abends.
Ihr Freund wurde angerufen und er verließ sie am nächsten Tag. Es war die Gleichgültigkeit, die ihren
endgültigen Einbruch verhinderte.
Am Morgen darauf war sie schon vor der Weckzeit auf den Beinen. Im Gemeinschaftsraum starrte sie aus dem Fenster auf die nassen Blätter der Bäume.
Ein leises "Hallo." in ihrem Rücken zeigte Wirkung.
Dort stand Frank.
Mit diesem grünlich schimmernden Blick von damals und lächelte sie warm an.
Ihr jedoch, wurde erst kalt. Und dann durchfuhr es sie heiß.
Langsam wuchs ein Lächeln über ihre Wangen.
In den darauffolgenden zwei Wochen sah man sie oft beisammen stehen, aber man hörte kaum ein Wort.
Sie redeten mit den Blicken, auch in den Gruppensitzungen, die morgens und abends stattfanden.
Einigen Mitpatienten war dies nicht geheuer, und auf mehrfache Beschwerde, wurden sie in unterschiedliche Gruppen und Aktivitäten eingeteilt.
Als der Tag kam an dem ihn seine Frau und seine Kinder besuchten, das einzige Mal, trafen sie sich
danach abends vor dem Gebäude, ohne das ein Wort gefallen wäre.
Er rauchte. Der Rauch kletterte langsam in die Nacht.
Da nahm sie seine Hand und beide badeten ihre Blicke ineinander, bis der diensthabende Pfleger sie
auseinander scheuchte.
Am nächsten Morgen wurde sie entlassen. In eine Welt, in der keiner auf sie wartete.
Der Regen. Meine Wünsche sind absurd, kann ich dir doch nichts zu Füssen legen, als Tränengut aus anderen Ebenen meines Empfindens.
So braust der Wind mir die letzten Tropfen, die mich streicheln von der Haut und hinterlässt ein stilles
Brennen in der Brust.
Doch in den nächsten Wolken rumort diese Schwere, diese Grautöne, und lächeln dein Lächeln.
Es fängt wieder an mit leisem Tröpfeln auf allen Dächern und der Atem streichelt meine Lippen, fährt über die schwarzen Äste, und wiegt sie, wie eine Mutter ihr Kind.
Es regnet.
Es streichelt.
Es flüstert.
~2006, März~
Die Heimat.
Befreiung.
Erlösung.
Hoffnung.
Grün. Grün ist die Hoffnung. Grün ist auch der Mantel und die Mütze. Es ist anderes geworden.
Sie klettern begeistert die Stufen hoch. Sie sind zu viert gekommen, bestaunen das unperfekte Haus.
Alles ist noch leicht fremd.
Sie, im Mantel, ist voller Farben. Auf der letzten Stufe schwankt sie leise, wendet nach rechts und stockt.
Dort stehen vier, fünf Menschen. Leicht lächelnd ragt einer hervor.
Und die Augen, diese Augen.
In ihr beginnt es zu schwingen. Sie fühlt das Blut hochsteigen, als sie die Hand drückt.
Dieser Abend wirkt sich intensiv in ihrem Inneren aus. Noch mehrmals sucht sie ein ruhiges Fenster auf, das ihr die Sterne ausschneidet. Und damit keiner ihr Zittern sieht, das sie nicht versteht, weil sie alles und nichts ahnt und sich noch dagegen stemmt.
Wieder diese Augen. Es ist so stark, wie noch nie.
Sie hält sich stark im Zaum, sagt nur wenige Worte, obwohl sie alles sagen will. Alles und nichts.
Wie ein Magnet zieht er sie an.
Verwirrung.
Verwirrung.
Verwirrung.
Zum Abschied eine feste Umarmung.
Befreiung.
Erlösung.
Hoffnung.
Schmetterlingsbeben. Der selbe Blick.
Die Dämmerung fällt. Das Wasser, wie eine tröstende Hand auf dem Haar. Es flüstert. Deine Gedanken.
Offenbarung eines Moments. So viel zu sagen, flieht ein Kuss auf dem nächsten Wind fort und leuchtet dir im Licht eines Sterns.
Die Häuser werden stufenhaft dunkel. Die Laternen flackern auf. Noch immer sieht man in ihren Kegeln die lackierten Strassen. Die Luft ist klar, nüchtern.
Es regnet.
Es stillt.
Es sternt.
Anmerkung von Anifarap:
Anmerkung von Esther_Pollok:
22.April 2006