„Landkreis Kuckuckslohe“ heißt die Gegend, von der die Rede ist. Nach der Gebietsreform hatte sie zunächst das Autokennzeichen „KLO“ erhalten: „K“ für Kuckuck, „LO“ für Lohe. Dagegen hatten die Kuckucksloher heftigst protestiert und ihre Fahrzeuge nicht umgemeldet. Mit diesem Autokennzeichen könne man nirgend wohin fahren, hatten sie argumentiert. Man mache sich doch zum Gespött!
Ausnahmsweise hatte der Bürgerprotest Erfolg. Die Politik sah sich dazu gezwungen, einzulenken. Der Landkreis bekam das Kennzeichewn „KKL“ - „Kreis Kuckuckslohe“. Was ihm für immer blieb, war der Ruf, das Klo der Welt zu sein. Die Jugendlichen witzelten: „Was unterscheidet uns vom Arsch der Welt?“ Antwort: „Wir sind sein Sitzplatz!“
Ein Fabrikant erkannte die Vermarktungsmöglichkeiten des Klos der Welt und fing an, winzige Klohäuschen herzustellen, auf denen stand: „Gruß aus Kuckuckslohe“. Bald waren die kleinen Klohäuschen das beliebteste Andenken aus Kuckuckslohe. Jeder Fremde, der den Landstrich an der Küste besuchte, kaufte so ein Klohäuschen, um seine Lieben daheim damit zu erheitern.
Bald gab es dazu auch kleine Püppchen beiderlei Geschlechts, die man in die Häuschen setzen konnte. Der pfiffige Fabrikant schuf rund einhundert neue Arbeitsplätze im Landkreis Kuckuckslohe.
Freilich schuf er sich auch Feinde: die Hauptakteure des Bürgerprotests gegen das Kfz-Kennzeichen „KLO“ sahen sich angegriffen. Sie diffamierten jene, die in der neuen Andenkenfabrik Arbeit gefunden hatten, als „Verräter“. Mit großem rhethorischen Geschick verstiegen sie sich bis hin zum Landesverrat: Heimatlandverräter seien sie, die dem Landkreis Kuckuckslohe in den Rücken fielen. Und genau damit manövrierten sie sich in eine Ecke, in die sich keinesfalls gehören wollten, nämlich in eine ganz „rechte“ Ecke! Doch sie erkannten ihren strategischen Fehler, wenn überhaupt, zu spät.
Henning Ohlenstetter, der Fabrikant, wäre blöd gewesen – und wohlmöglich arm geworden -, wenn er die Produktion der mittlerweile so beliebten Klohäuschen eingestellt hätte. Statt dessen begrüßte er anlässlich eines Empfangs im Kreishaus den neu gewählten Bürgermeister der Kleinstadt Kuckuckslohe als den „ersten Klomann der Nation“. So eilte dem Politiker ein fragwürdiger Ruf voraus, noch ehe er etwas getan hatte. Die Presse sorgte für Verbreitung.
Ohlenstätter machte mit seinen Produkten bald der „Barbie“ Konkurrenz. Im Unterschied zu der Repräsentantin der Magersuchtkultur waren die Kuckucksloher Püppchen mit ihren heruntergelassenen Hosen kreatürlich. Sie trugen die verschwiegene Seite aller menschlichen Kultur buchstäblich ans Licht der Welt. Ihre einfache, verständliche und sehr wahre Botschaft war ja nur: der Mensch muss sich erleichtern, denn es liegt in seiner Natur.
Sehr bald waren die Kuckucksloher Klopüppchen populärer als die „Barbie“, denn man maß ihnen einen gar nicht so unbeträchtlichen pädagogischen Wert bei. Sie seien ein Beitrag zur natürlichen Erziehung, hieß es. Ohlenstätter verwandelte seine Andenkenproduktion umgehend in eine Spielzeugfabrik Bald roch es in den Kinderzimmern kreatürlich. Die Eltern mussten es eben dulden. Schließlich trugen die Kuckucksloher Püppchen ausschlaggebend zum Abbau falscher Hemmungen bei.
Die Kuckuckloher waren nicht schockiert, als ihre fortschrittliche Kreisverwaltung mitten auf dem Marktplatz ein offenes Klo errichten ließ. Offen! Also mehr als öffentlich! Einsehbar.
Der Bürgermeister persönlich weihte das offene Klo ein, indem er es benutzte. Damit wollte er für den Fortschritt werben, was ihm auch gelang. Das Foto des sich vor Publikum erleichternden Bürgermeisters ging um die Welt. Damit überwand der Bürgermeister seinen Ruf als „erster Klomann der Nation“, um sich fortan als „ersten Scheißer“ betiteln lassen zu müssen.
Tausende folgten seinem Beispiel. Den Tausenden folgten Abertausende. Landauf, landab wurde es Sitte, sich nicht mehr dafür zu genieren, dass man sich erleichtern musste. Man tat es folglich öffentlich. In Städten und Gemeinden waren Straßen, Plätze und Gehsteige bald arg verkotet.
Kuckuckslohe war der erste Landkreis, der konsequenterweise die Exkrementensteuer einführte.
Einst – es war lange her – hatte man den Hundebesitzern vorgerechnet, wie viel Kilo Kot ein Hund auf öffentlichen Wegen hinterlässt. Nun hielt man den Bürgern die Gewichte ihrer Exkremente buchstäblich unter die Nase. Die angeblichen Entsorgungskosten überstiegen jedes Maß, weshalb Gegner auf den Plan traten. Jene zelebrierten öffentlich, dass die Entsorgung menschlicher Exkremente überhaupt nichts kosten muss, indem sie innerhalb gekennzeichneter Areale exkrementierten, die Entsorgung durch das neu geschaffene Entsorgungungsamt boykottierten und sodann nichts weiter taten, als den nächsten Regen abzuwarten.
Der Regen wusch die Straßen sauber, beförderte die Exkremente allerdings in die Kanalisation.
'“Dahin gehören sie!“ argumentierten die politischen Rädeslführer.
Die Politiker nahmen daraufhin das „Gesetz zur Einführung der Exkrementensteuer“ zurück. Bevor das Beispiel weltweit Schule machte, ersetzten sie es es durch das „Gesetz zur Einführung der Regensteuer“, welches denselben Zweck erfüllte:
Pro Liter gefallenen Reges musste danach jeder Bürgen einen Betrag von dreißig Prozent der üblichen Abwassersteuer zahlen, ins Verhältnis zu seinem durchschnittlichen ökologischen Fußabdrucks gesetzt …
Seitdem menschliche Exkremente zum Politikum geworden sind, wird die Materie immer komplizierter. Juristen verzweifeln daran. Ohlenstetters Erben residieren allerdings bis heute sehr zufrieden im Landkreis Kuckuckslohe.