Kein Ort für Hellsein.

Gedanke

von  Elén

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Das Leben hat einen Ort gebaut, der zu unwirtlich ist, als dass er Zuzugsgebiet werden könnte. Janis hatte einen Grund. Menschen mit Grund, Menschen ohne Grund. Es hätte die Geschichte auf ein anderes Blatt geschrieben werden sollen. Es hätte ein anderes Weihnachten werden sollen. Ein anders Leben hätte es werden sollen, das spüre ich und, an Tagen, die das Gespür strapazieren, kommt einer nicht umhin sich aufzumachen ob er nun will oder nicht, - unter die Oberfläche schlittern. Die Christmette war eine arschverfickte Angelegenheit. Mutter mag Christmetten und weil sie pausbäckige Porzellanengel sammelt, weil sie Häkelsterne aus Baumwollgarn auf Tische legt und fest verankert ist im Glauben hat sie ihren Platz im Leben. Weil sie glaubt was einer zu glauben hat unter der katholischen Frisur und weil Mutter einer jener Menschen ist, die am Ende des Tages eine Vorstellung haben vom Ganzen und weil ich, wie jedes Jahr, mit Mutter zur Mette ging und diese Veranstaltung wie jedes Jahr einen schlechten Zauber bot, habe ich mich auf die Bank gesetzt im Dom und nachgedacht; nachgedacht, weshalb scheinbar viele dieser Menschen etwas können, was ich nicht kann. Nämlich, das Gefühl zu haben, dass das Glück oder der Schmerz oder die Liebe einen Menschen hervorbildet aus dem Ursprung. Es ist keine Möglichkeit. Keine Möglichkeit für einen Menschen. Nicht, dass das Glück nicht lebbar wäre, nein, es ist nur mit Unterbrechung lebbar. Wenn ich aus tiefstem Herzen lache, beginne ich zu weinen, wenn ich vor Wut tobe, beginne ich zu lachen, wenn durch Mark und Bein erschüttert bin, gehe ich fort von mir und betrachte mich von aussen. Jedes Innigste ist eine Entfremdung und das Wahrste ist, nicht wie man meint, das nächste, es ist das entfernteste! Weil das Ganze, sobald es einem aufgeht, einen vakuumiert wie Eintagesfleisch im Supermarkt, weil diese Atmosphäre in ihrer Dimension nie von einem Menschen alleine getragen, ertragen, geschweige denn zum Ausdruck gebracht werden kann und, da jedes Gefühl doch in Beziehung zu etwas steht, kann der Ausdruck dieses Gefühls niemals mehr sein als eine Andeutung, ein Versuch für sich, zu einer Sache hingeneigt, zu einem Menschen hingeneigt, im Ganzen aus dem Ganzen hervorzugehen. Unmöglich. Man ist und bleibt Andeutung. Vorsichtig. Argwöhnisch. Man lernt mit der Zeit die Klaviatur zur Beziehung. Mutter ist glücklich mit Andeutungen. Der Pfaff auf der Kanzel, der ist auch glücklich am großen Tag, ist selig, der die Erlösung studiert hat. Ich hingegen scheppere von der Andeutung, an der Andeutung vorbei direkt ins Ganze hinein und zerschelle mit voller Wucht in diesen Innigkeiten, rassle duch den Solarplexus wie ein ausser Kontrolle geratener Stern und verglühe. Das Leben hat einen Ort gebaut, der unter den herkömlichen physikalischen Gesetzen nicht funktioniert. Die Oberfläche funktioniert. Der Mensch funktioniert an der Oberfläche, dort kann er sich zusammenhalten. Unter dieser Oberfläche, im subcutanen Raum, im interstellaren Rauschen allerdings funktioniert er im herkömmlichen Sinn überhaupt nicht. Er ist ein vollkommener Irrsinn. Wahrhaftig. Und eben, an Tagen wie Weihnachten oder an anderen aufgereizten Tagen, an denen ich im Spannungsfeld knistere, an denen ich knisternd durch die Stadt gehe, irgendwo in einem Plattenladen, sagen wir, stehen bleibe, stehen bleiben muß, weil nichts mehr geht, weil ich Janis Joplin höre oder die Piaf oder Mendelssohn, vom Laden heraus auf sie gewinterte Straße, da beginne ich am ganzen Leib zu zittern und es ist wieder da, dieses Gefühl, ganz werden zu wollen. Alles wird bedeutungslos unter diesen Eindrücken und weil ich schon tot war und den Weg kenne, ist das manchmal ein unerträgliches Hinwarten. Janis Joplin hätte nicht existieren können ohne, sagen wir, Drogen. Nur aufgrund der Droge konnte sie möglich werden und das ist dann auch bei vielen Leuten so, denen man das Tragische zuschreibt obwohl überhaupt nichts tragisch ist sondern naturgemäß. Das kapieren die meisten nicht. Die Joplin ist das Beispiel gerade und ein Transzendenzbegriff im künstlerischen Sinn und im philosophischen auch. So eine Menschenbrust ist da zu klein, eine Überladung. Unmöglich, sie wäre mit der Bewusstwerdung verglüht wie ein Komet. Das ist das Gesetz. Hör dir die Joplin an, sagte ich damals zu Dominik und Dominik sagte: Nein. Und ich verstand das erst später .. 


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Kommentare zu diesem Text

LudwigJanssen (54)
(27.12.10)
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 Bergmann (27.12.10)
sehr schöner text!
LG und ein gutes neues jahr dir,
Uli
g.penn (35)
(27.12.10)
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 Mac (28.12.10)
nun, dieser text gehört zu deinen schwächsten Veröffentlichungen. völlig kraftlos in Aussage und Stil. nichts für ungut. lg mac
scalidoro (58)
(28.12.10)
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octave (24)
(07.01.11)
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Vincént (19)
(14.01.11)
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daniela (39)
(04.01.12)
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