Falsche Vorstellungen zwischen Name und Person

Text zum Thema Enttäuschung

von  Marie-N

Auszug aus meinem Buch: "Grüne Gummibärchen", Kapitel 11:

In Hamburg angekommen trennte wir uns. Hilde und Heinrich gingen in die Mönckebergstraße und ich ging Richtung Infoschalter, um rauszufinden mit welcher U- oder S-Bahn ich in die Nähe der Sternschweifapotheke kam.

Ah, ich musste mit der S-Bahn Richtung Altona raus. Den richtigen Gleisabschnitt suchen und warten bis die S-Bahn einfuhr. Da hier mehrere auf einem Gleis sich abwechselten war es nicht langweilig. Das war schon mal gut.

Raus aus der Bahn und die Straße finden… erst mal linke Hand, dann ca. 300m einmal rechts und unter der Brücke durch. Noch die Hausnummer und halt da war ich schon. Ich versuchte durch das Fenster etwas zu erkennen. Da gerade keine Kunde im Laden war konnte ich ihn (leider) nicht sehen. Blöde, was mache ich jetzt?

Ich gab mir einen Ruck. Also auf zur Ladentür und spätestens jetzt hätte mir etwas auffallen müssen. Es roch nach Apotheke und nach Kneipenrauch…!? Hatte ich eine schlechte Aura oder wieso roch ich diese Mischung? Wäre ich schlau gewesen hätte ich jetzt noch bevor mich die Bedienung sah einen Rückzieher gemacht und wäre gegangen.

Aber ich war einfach zu höflich und wartete ob da jemand mich bedienen würde. Bis zu diesem Augenblick vergingen wenige Sekunden, was mir nicht so vorkam, und dann kam ich mir vor wie im falschen Film.

"Guten Tag, was kann ich für sie tun?", fragte mich ein älter Herr. Der erstens mindestens doppelt so alt war wie ich und leicht unansehnlich war, mehr so ungepflegt meinte ich. Zweitens war es unverkennbar die Stimme!...... Die Stimme?? Oh, du Teller voller Kekse! Das kann doch nicht war sein. Das passte doch nicht zusammen. Innerlich versank ich gerade in einem riesen Loch im Boden.

Ich versuchte Haltung zu bewahren und sagte: "Hallo"….(spätestens jetzt hätte ich ja etwas höher und piepsiger sprechen können damit er meine Stimme nicht erkennt, aber so schlau war ich nicht)….
"Hallo", erwiderte er " sie sind...haben wir schon mal telefoniert?" "Ja, ich bin Sophia".

Schon war er um den Tresen und nahm mich in die Arme. Urghhhh… mein einziger Gedanke war, wie ich jetzt schnell wieder hier weg komme. Das wurde aber nichts. Im Nachhinein fragte ich mich immer noch wie ich so bescheuert sein konnte.

"Möchtest du was trinken? Komm doch hier mit her", sagt er zu mir und ging vor in den hinteren Bereich. Hier sah ich mich vorsichtig und leicht angeekelt um. Das Gegenteil vom Verkaufsraum. Ich habe bestimmt nichts gegen alte Möbel solange sie sauber und gepflegt sind, aber das hier war zerschlissen, dreckig und es stank. Der Gestank kam in erster Linie vom Tisch, denn hier drauf stand ein Aschenbecher, der so voll war, das man locker 2 andere da noch mit füllen konnte. Zumindest was die Menge des Inhalts betraf.

Kaum das ich mir einen sauberen Platz suchte, ging die Ladenglocke. " Bin sofort wieder da", meinte er und ging nach vorne.
"Guten Tag Frau Lenk, wie immer?" fragte Herr Beyler. Ich linste um die Ecke und sah eine vollgedröhnte Straßentante, der er jetzt noch einen Zettel vor die Nase hielt und sie da drauf unterzeichnete. "Ihnen noch einen schönen Tag".

Schnell guckte ich woanders hin, als er auch schon wieder bei mir war und sich im gleichen Moment eine Zigarette ansteckte. Zwischen dem ersten und zweiten Zug sagte er wie entschuldigend zu mir. "Sie gehört zu einem Methadon-Programm". Ich nickte nur. Was sollte ich da auch zu sagen??

Ich war verdammt noch mal in einer Zwickmühle geraten. Wie kam ich hier nur raus? Dingedongel . Schon wieder ging  die Ladenglocke, gleiche Prozedur wie vor einigen Augenblicken. Kaum war er wieder bei mir, hatte er wieder eine angesteckt. Langsam dämmerte mir wieso es hier so stank und ebenso im Verkaufsraum. Oh man!

"Hast du dir schon überlegt was wir gleich machen wollen?" fragte er mich jetzt. ??(ich war schon ganz woanders, deshalb guckte ich wohl verwirrt). "Na, ich kann gleich schließen", meinte er. Raus - weg- Hilfe. Ich lächelte zaghaft, nur um ihn nicht zu zeigen das ich mich im falschen Film fühlte. "Ähm...etwas essen wäre gut" und hielt krampfhaft meine Tasche auf dem Schoß.

Wieder sprang er auf, die Glocke hatte ich schon fast überhört.

Endlich schloss er die Tür und hängte das Schild ins Fenster. "So, dann lass uns mal. Wir könnten ja erst mal eine Stadtrundfahrt machen und dann heute Abend ein Essen bei Kerzenschein und dann kommst du noch mit zu mir", erzählte er frei weg und ging durch die Hintertür zum Parkplatz, blieb bei einem Auto stehen wo ich dachte das sei ein schlechter Scherz.

Es war bestimmt mal ein sehr schönes Modell seiner Zeit, aber was mich hier als Mercedes erwartete war armselig. Außen verdreckt (kann ja passieren), aber innen noch schlimmer und z.T. versparkt und verschimmelte  Stellen entdeckte ich auch. Hier sollte ich einsteigen?? Ich dachte an meinen kleinen Flitzer den ich so verhätschelte und jede Woche aussaugte.

"So dann mal los, wollen wir vielleicht erst mal zum neuen Technik-Markt? Der hatte letzte Woche Neueröffnung".
"Ja, warum nicht".  Insgeheim hoffte ich , das ich die neusten Laptopmodelle bewundern konnte, während er möglichst weit weg was anderes bewunderte. Lange brauchten wir nicht dort hin. Knappe 20 Minuten später waren wir da.

Hier war ich in meinem Element. Fast alle Märkte, wo es Technik, TV, Haushaltsgeräte etc. gab, waren von der Aufteilung im Gebäude ähnlich. Mit schnellen Schritten war ich am Ziel. Ob er mir folgen konnte bei meinem Tempo war mir so ziemlich egal. So verglich und begutachtete ich die neusten Laptops und glaubte er könnte mich doch einfach hier vergessen und ohne mich von hier verschwinden.
Tja, war nichts. Mit einem Mal stand er wieder neben mir und meinte, er sei fertig mit gucken und ob wir denn nun weiter wollten. Ja, warum nicht. Innerlich zog ich eine Flunsch.

Kaum im Wagen schwärmte er davon, bei Kerzenschein heute Abend so gegen 20 Uhr mit mir einen romantischen Abend zu verbringen und selbstverständlich könnte ich auch bei ihm übernachten.
Wie bitte, was? Ich lächelte zu ihm rüber und meinte ich hätte aber jetzt schon so einen großen Hunger, hier gäbe es doch bestimmt einen Schnellimbiss, vielleicht so was wie Gockel-am-Grill?? Ist ja eine große Kette und gäbe es ja in den Großstätten mehr als einmal.

Bin doch nicht so blöd, dachte ich bei mir. Mal sehen. Das Restaurant war hell und freundlich, so wie man es von Gockel-am-Grill erwartete. Er selbst bestellte nur einen leichten Salat, schließlich so betonte er nochmals, wollte er ja mit mir heute Abend essen gehen. Ich nickte, was für ein Idiot! Dem werde ich´s aber noch schön versalzen!! Glaubte der tatsächlich, das wird sein Abend mit Zugabe "Frau"??? Nein, nein, nochmals nein.

Ich bestellte, den kleinen Keulenschlag (4 Keulen), mit Kroketten und Käsesoße. Dazu einen Erdbeer-Minze-Shake und als Nachtisch Sahneeis auf die Faust. Der glaubte doch nicht wirklich, dass ich mich zurück hielt, wenn er bezahlen wollte. Ich grinste ihn an. "Schmeck dir wohl", fragte er und nahm schnell eine Krokette von meinem Teller.

Mir fiel auch kein Thema ein worüber man jetzt noch reden konnte. So mampfte ich  schließlich, damit ich den Mund hielt. Er versuchte dann die Situation noch zu lockern.
"War denn die Zugfahrt gut?" 
Ich nickte.
" Kochst du auch gerne, wenn du zu Hause bist?"
"Ja", wieder eine Krokette in den Mund und lächelte ihn an.

"Meinst wir können gleich mal los und dann zu mir? Ich möchte dir meine Wohnung zeigen......" er wirkte etwas steif bei der Frage und pfriemelte an seinen Fingerkuppen. Ich hatte fast alles aufgegessen und nahm die Serviette, um mir den Mund abzutupfen. Sah ihn an, sah auf meine Uhr. Kurz nach 17 Uhr….17 Uhr?? Au weia, wenn ich es richtig wusste fuhren Hilde und ihr Mann um 17:58 Uhr mit dem Zug, da ich nicht genug Geld mit genommen hatte, war ich also auf die Beiden angewiesen. Und der letzte Zug aus Stade fährt gegen 20.04 Uhr.

"Du ich möchte ja nicht unhöflich sein…" ich druckste rum " aber so mit abends noch zu dir ist ja nett gemeint, übernachten geht schon mal nicht, das finde ich einfach zu früh und so gut kennen wir uns auch noch nicht. Außerdem wenn ich nicht den Zug erwische komme ich nicht mehr nach Hause. Magst mich nicht direkt zum Bahnhof fahren??"

"Na gut, dann lass mich kurz bezahlen gehen". Er schlurfte davon. War ich jetzt gemein zu ihm? Definitiv nein.

Auf dem Weg zum Bahnhof sprachen wir kaum, da er sich auf den Verkehr konzentrierte und ich nicht wusste was es noch zu sagen gab. Vor der Wandelhalle gab es keinen Parkplatz und so fuhr er mich durch die Taxigasse. Ich sprang aus dem Wagen, rief noch ein "Tschüss du, danke für Essen wir telefonieren, ja?" warf die Tür zu und rannte in den Bahnhof.

Jetzt noch das richtige Gleis finden. Oh nein, in 6 Minuten fuhr der Zug und Gleis 12 ist so ziemlich durch die ganze Halle. Ich sprintete los, versuchte gleichzeitig mein Handy aus der Tasche zu fischen und sah das mein Akku sich verabschiedet hatte. Wann war das denn passiert?

Mist, wie soll ich die Beiden denn nun finden? Egal, die Treppe runter. Die Ansage erklärte, wir sollten doch zurück bleiben, da die Türen  schließen. Neeee, ich noch schnell reingesprungen. So, das wäre es. Da ich (sollte ich zum Glück sagen) am Anfang des Zuges war, ging ich durch die einzelnen Wagons und suchte die Zwei. Im vierten Wagon fand ich sie. Bepackt mit Tüten und selbstgebackenen Kuchen.

Mit einem "Na, wir dachten schon du wolltest in Hamburg bleiben" hielt sie mich gleichzeitig ein Stück Kuchen hin. "Ist doch lecker so ein Kuchen nach dem Einkaufsbummel, findest du nicht?"
Dankbar nickte ich. Hmmm….lecker Sandkuchen mit Vanille. Heinrich gab mir einen Becher mit heißem Tee und so rückte meine Welt wieder gen Stade.

Heinrich wandte sich mit dem Wort an mich:
"Was hast du denn heute so in Hamburg gemacht?"
Beide sahen mich an. " Was für einen Typ Mann stellt ihr euch unter dem Vornamen Alessandro vor?"
Hilde gleich: " Ein heißer Italiener? Einen Beau? Oder Gigolo?"
Heinrich: "Aber Hilde, deine Fantasie geht bestimmt gerade mit dir durch…!"
Und so begann ich zu erzählen.


Anmerkung von Marie-N:

Es ist mir vor ein paar Jahren genauso passiert. Kann durchaus sein, das mein Schreibstil noch nicht ausgereift ist...

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Kommentare zu diesem Text

Anne (56)
(16.05.11)
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 Marie-N meinte dazu am 17.05.11:
Hallo Anne,
es ist schön zu lesen, dass dir mein Text gefällt. Mittlerweile kann ich auch drüber lachen. Ist ja schon gute 10 Jahre her. Ich hab danach nie wieder von ihm gehört. Vllt. besser so :o)
Vg, Marie
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